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# taz.de -- Verdrängung von Kulturorten: Keine Zukunft ohne Zukunft
> Dem Freiluftkino Pompeji am Ostkreuz wurde nach viel Protest eine
> Galgenfrist gewährt, auch anderswo wird um Freiräume gekämpft. Unser
> Autor ist müde.
Bild: Party, people! Auf dem RAW-Gelände am Ostkreuz
Die Freiluftkinosaison hat begonnen, und mit dabei ist auch das Pompeji in
Friedrichshain. Was vor allem deswegen eine Meldung wert ist, weil bereits
beschlossene Sache schien, dass hier keine Filme mehr gezeigt werden.
[1][Dem Veranstaltungsort Zukunft am Ostkreuz], zu dem das Pompeji gehört,
war vom Eigentümer für Ende März dieses Jahres gekündigt worden. Oder, um
genau zu sein, der Mietvertrag wurde einfach nicht verlängert.
Die Leute von der Zukunft wehrten sich dagegen mit allem, was ihnen als
Kampfmittel zur Verfügung stand. Sie mobilisierten die Öffentlichkeit,
richteten eine Petition gegen die Verdrängung ein und suchten sich
Verbündete in der Politik. Es gab Demos und an alternativen Orten im Bezirk
hingen Poster, auf denen stand: „Keine Zukunft ohne Zukunft“.
Doch irgendwie half alles nichts. Beim regelmäßigen Erfragen aktueller
Wasserstandsmeldungen im Fall Zukunft gegen Eigentümer hieß es immer nur:
Es gibt nichts Neues, das Ende sei weiterhin besiegelt.
Nun hätte es kommen können wie so oft in Berlin. Eine Verdrängung bahnt
sich an, die Empörung ist groß, dann wird die Verdrängung zum Fakt, und
bald ist die Sache auch schon wieder vergessen und man braucht seine
Energien, um den nächsten bedrohten Kulturort zu retten. Und vielleicht
steht genau dieses Szenario trotz allem auch noch auch der Zukunft bevor.
Aber vorerst darf sie noch bleiben.
## Drei Monate Gnadenfrist
Der Eigentümer hat tatsächlich eine Gnadenfrist von drei Monaten gewährt.
Nach aktuellem Stand also muss der Ort erst Ende Juni geräumt werden. Doch
das Betreiberkollektiv der Zukunft teilt außerdem mit: Die Verhandlungen
gehen weiter. Es ist also doch noch nicht alles vorbei, auch wenn es
zwischenzeitlich so aussah.
Kämpfen, sogar in scheinbar aussichtsloser Lage, kann sich also lohnen, das
ist eine zumindest vorläufige Lehre aus dem Fall Zukunft. [2][Auch beim
RAW-Gelände] in unmittelbarer Nähe werden gerade Tatsachen geschaffen, an
denen vermeintlich nicht mehr zu rütteln ist. Das Areal soll in den
nächsten Jahren massiv umgebaut werden, das scheint beschlossene Sache zu
sein.
Trotzdem will eine Initiative weiter dafür kämpfen, dass es doch noch
anders kommt. Sie will einfach weitermachen, auch wenn sie auf verlorenem
Posten zu sein scheint. Wie David gegen Goliath, vielleicht aber auch nur
wie Don Quijote gegen seine Windmühlen.
Ich neige dazu, diese Widerständler und Renitenten manchmal zu belächeln.
Zu unvernünftig erscheint es mir doch, sich in eher aussichtslosen
Auseinandersetzungen aufzureiben. Doch wahrscheinlich muss man dankbar
sein, dass es sie gibt. Denn auch ich bin der Meinung, dass die
Zukunftspläne für das RAW unbedingt noch einmal überdacht gehören.
Und denjenigen, die weiterhin gegen den Amazon-Tower protestieren, der
ebenfalls in Friedrichshain entstehen soll, gehört sowieso meine Sympathie.
Das Hochhaus befindet sich bereits in seiner Fertigstellung, ein Stockwerk
nach dem anderen wird in einer für Berlin erstaunlichen Geschwindigkeit
hochgezogen. Und manche demonstrieren trotzdem noch gegen den Bau. Ganz so,
als ob der jetzt noch verhindert werden könnte.
Vielleicht, denke ich mir inzwischen, kann man das ja tatsächlich noch.
6 Jun 2022
## LINKS
[1] /Bedrohtes-Kulturzentrum-Zukunft/!5820380
[2] /Neues-zur-Entwicklung-des-RAW-Gelaendes/!5852565
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Kolumne Durch die Nacht
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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