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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Gegen das Vergessen
> Beim diesjährigen Jüdischen Filmfestival geht es in zahlreichen
> Dokumentationen und Spielfilmen vor allem um das Erinnern.
Bild: „Blue Box“ (IL/CA/BE 2021) von Michal Weits
Michal Weits hat einen berühmten Großvater. Dieser, Joseph Weits, ist in
die Geschichte des Staates Israels eingegangen und nicht nur das: er hat
dazu beigetragen, dass dieser Staat überhaupt gegründet wurde.
Seine Enkelin ist mit dem Glauben aufgewachsen, ihr Ahne habe, als er
Anfang des 19. Jahrhunderts aus Russland nach Palästina emigrierte, ein
Land vorgefunden, das nur darauf wartete, bestellt zu werden. Und dass die
paar Menschen, die hier lebten, es gerne den Zionisten übergaben.
Als Weits älter wurde und begann, sich mit der Geschichte ihres Großvaters
und ihres Landes zu beschäftigen, kamen ihr Zweifel an dieser Darstellung.
Sie las die gesammelten Tagebücher ihrer Vorfahren, recherchierte und
befragte ihre Familie. Um daraus den eindrucksvollen Dokumentarfilm
“[1][Blue Box]“ zu machen, der von der Gründung des Staates Israels erzäh…
und dabei mit ein paar Mhythen aufräumt.
Der Großvater wird viel zitiert. Man bekommt das Bild eines Mannes
gezeichnet, der sehr genau wusste, dass das Land, in dem er und andere
Zionisten einen Staat für die Juden gründen wollten, jemandem gehörte. Und
der sich auch moralisch hinterfragte, als er den Auftrag erteilt bekam, den
Arabern einfach Land abzukaufen.
Er handelte schließlich Deals mit Landbesitzern aus, die gerne das Geld
nahmen und dann zerlumpte Pächter samt deren Familien einfach aus ihren
Häusern warfen. Aber es musste so sein, redete sich Josef Weits ein. Nur so
könnte ein Traum wahr werden.
## Der Druck stieg
Als dann der Zweite Weltkrieg endete, kamen immer mehr Juden nach
Palästina. Noch mehr Land wurde benötigt, der Druck stieg und auch die
Methoden, Araber los zu werden, wurden immer rabiater. Es kam zu Gewalt und
Vertreibungen. Bis heute ist das, was Michal Weits in ihrem Film
aufarbeitet, prägend für Israels Konflikte.
In Weits Film geht es um Erinnerungsarbeit. Und das Erinnern spielt auch
bei vielen der anderen Filme eine große Rolle, die beim JFBB, dem
[2][Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg], vom 14. bis zum 19. Juni in
diversen Kinos in Berlin und Potsdam gezeigt werden.
Da wäre etwa “[3][We wept without tears]“ von Gideon Greif und Itai Lev.
Der Historiker und der Filmemacher haben Aufnahmen aus dem Jahr 1993
ausgegraben, die sie zu ihrem Dokumentarfilm verarbeitet haben. Sechs
damalige Mitglieder der Sonderkommandos kehren zurück nach
Auschwitz-Birkenau und erzählen davon, wie sie damals dazu gezwungen
wurden, andere Juden beim Weg in die Gaskammern zu begleiten.
Sie berichten etwa davon, wie einige der Opfer eine Ahnung hatten, dass sie
gleich sterben müssten. Und wie sie dann beschwichtigten und sagten, es
werde alles gut. Und das wider besseren Wissens. Wie sie versuchten,
emphatisch zu sein, so weit das überhaupt möglich war in der Hölle.
Nicht nur dokumentarisch wird sich erinnert, sondern auch in einem
Spielfilm wie “[4][Der Passfälscher]“ von Maggie Peren, der die echte
Geschichte von Cioma Schönhaus erzählt, der 1942 von den Nazis gesucht
wurde, weil er Pässe gefälscht hatte und deswegen in Berlin untertauchen
musste.
Auch mit Hilfe seiner Kunst gelang ihm dann selbst die Flucht in die
Schweiz. Die Geschichte, die erzählt wird, ist ziemlich spannend. Der Film
selbst dafür nicht unbedingt. Er entwickelt keinen rechten Schwung,
wirklich dramatisch wird es auch kaum, und bleibt so ein eher biederer
Historienstreifen. Der trotzdem nicht nur beim JFBB zu sehen ist, sondern
auch bald in die Kinos kommen wird.
11 Jun 2022
## LINKS
[1] https://jfbb.info/programm/filme/blue-box
[2] https://jfbb.info/
[3] https://jfbb.info/programm/filme/we-wept-without-tears
[4] https://jfbb.info/programm/filme/der-passfaelscher
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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Judentum
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