| # taz.de -- Neues zur Entwicklung des RAW-Geländes: Turm der Unmöglichkeiten | |
| > Die Umbaupläne des RAW-Geländes finalisieren sich. Ein 100 Meter hoher | |
| > Turm ist geplant. Und immer noch viel zu wenig Platz für die Subkultur. | |
| Bild: Das RAW-Gelände zwischen Ostkreuz und Warschauer Straße soll einmal so … | |
| Berlin taz | Alles soll anders werden auf dem [1][RAW-Gelände] in | |
| Friedrichshain, das ist beschlossene Sache. Aus dem verranzten Areal für | |
| Subkultur soll ein Hochglanz-Refugium zum Ausgehen und Shoppen werden. | |
| Dort, wo man sich aktuell noch in [2][Clubs wie dem Astra], dem Urban Spree | |
| oder dem [3][Suicide Club] vergnügen kann, sollen Bürokomplexe, eine | |
| schicke Markthalle und ein Hochhaus von über 100 Metern Höhe entstehen. Der | |
| Charakter eines ganzen Quartiers wird sich sehr verändern. Der Baubeginn | |
| ist für 2024 anvisiert. | |
| Die Präsentation der konkreten Pläne im Astra Kulturhaus am Dienstagabend | |
| wirkte allerdings weniger wie eine Informationsveranstaltung denn wie eine | |
| Theateraufführung: Es ging um Machtverhältnisse zwischen Politik und | |
| Kapital und die Frage, wie stark bei diesem Ringen der unterschiedlichen | |
| Kräfte die Interessen des Bürgers überhaupt noch berücksichtigt werden. | |
| Berlin im Klammergriff der Immobilienwirtschaft und welche Ängste das | |
| auszulösen vermag, all das war thematisch Teil der Inszenierung. | |
| Auf der Bühne verkörperte Florian Schmidt, der grüne Baustadtrat von | |
| Friedrichshain-Kreuzberg, den Politiker, der verzweifelt darum bemüht ist | |
| zu demonstrieren, dass er immer noch die Entscheidungshoheit hat. Dem man | |
| aber auch anmerkte, dass er so viel auch wieder nicht zu melden hat, wenn | |
| er zugibt, dass er das, was in den letzten Jahren in direkter Nachbarschaft | |
| zum RAW an Betontürmen und gesichtslosen Bauten aufgetürmt wurde, selbst | |
| ziemlich scheußlich findet. Mercedes Platz, Amazon Tower – wäre es nach | |
| Schmidt gegangen, würde es das alles nicht geben. | |
| Und man lernte bei dem Stück, das hier gezeigt wurde, dass die Politik eben | |
| oft nicht so viel ausrichten kann gegen die Investoren, die schon Wege und | |
| Mittel finden, ihre Interessen durchzusetzen. Und dass mehr als der eine | |
| oder andere Kompromiss manchmal nicht möglich ist. | |
| ## Ausgehandelte Deals | |
| Mitten drin in diesen Machtspielen befindet sich oft der Mieter, der | |
| schauen muss, wo er bleibt, wenn die Immobilienwirtschaft das große Geld | |
| wittert. Florian Falkenhagen, Mitbetreiber des auf dem RAW ansässigen Clubs | |
| Cassiopeia, war auf der Bühne des Astra in der Rolle des Kulturakteurs, der | |
| froh sein kann, dass er nun nach endlosen Verhandlungsprozessen bleiben | |
| darf. Sein Club sowie weitere soziokulturelle Einrichtungen auf dem Gelände | |
| – etwa eine Skatehalle, ein Kinderzirkus und ein paar Ateliers – werden | |
| sogar mit extrem günstigen Mietverträgen beglückt, die 30 Jahre lang gelten | |
| sollen. | |
| Im Gegenzug darf der Investor andere Bereiche seines Geländes im großen | |
| Stil neu bebauen. Das ist das Ergebnis eines in den letzten Jahren | |
| ausgehandelten Deals zwischen Eigentümer, Bezirk und der RAW-Soziokultur. | |
| Falkenhagen zeigte sich dann auch angemessen dankbar gegenüber dem Mann | |
| neben ihm, Lauritz Kurth vom Göttinger Familienunternehmen [4][Kurth | |
| Immobilien]. Dem gehören die zwei Drittel des insgesamt 70.000 Quadratmeter | |
| großen RAW-Geländes. | |
| Andrea Zickhardt vom Architekturbüro Holzer Kobler wiederum präsentierte | |
| gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Martin Schmitz die Pläne für den | |
| Kurth gehörenden Teil des RAW-Geländes, den sogenannten Masterplan, samt | |
| schicken Animationen. Holzer Kobler hatten sich gegen zwei konkurrierende | |
| Architekturbüros in einem Juryverfahren durchgesetzt. Und man bekam nun | |
| ziemlich ausführlich vorgetragen, wie fantastisch alles hier werde. | |
| ## „Habitate für Menschen“ | |
| Das RAW werde eine „urbane Insel“ und ein „Ermöglichungsraum“, in dem | |
| „Habitate für Menschen“ entstehen werden, hieß es da etwa. Das Hochhaus, | |
| das ungefähr dort entstehen soll, wo sich aktuell noch der Club Suicide | |
| befindet, werde „RAW Tower“ genannt und sei auch nichts, wovor man sich | |
| fürchten brauche. Es werde vielmehr einen Kontrapunkt setzen zum noch viel | |
| mächtigeren Amazon Tower, der gleich ums Eck bereits gebaut wird. Es werde | |
| das etwas aus dem Lot geratene Stadtbild an dieser Stelle also wieder in | |
| ein Gleichgewicht bringen. So kann man das natürlich auch sehen. | |
| Bereits während dieses Ausmalens einer schönen neuen Welt mitten in | |
| Friedrichshain kam es zu einzelnen Unmutsbekundungen aus dem Publikum. Aber | |
| dann, als auf der Bühne endlich der Politiker, der Investor und der | |
| Subkultur-Akteur ihre Plätze einnahmen, ging es erst so richtig ab. Es | |
| wurde genüsslich gestört und reingerufen. Und der notorische Carsten Joost | |
| von der [5][Initiative RAW Kulturensemble], der bekannteste Kritiker der | |
| Zukunftspläne für das RAW, hatte seinen Auftritt. Er habe keine Lust mehr, | |
| „auf solchen Veranstaltungen verarscht zu werden“, sagte er. Schon seit | |
| Jahren ist er der Meinung, dass Kurth Immobilien viel zu viele | |
| Zugeständnisse gemacht werden. | |
| Aber auch andere aus dem Publikum sagten, ihnen werde angst und bange, wenn | |
| sie die massiven Neubebauungspläne sehen würden. Es wurde gefragt, ob es | |
| auch Toiletten auf dem Gelände geben werde, was mit der Barrierefreiheit | |
| sei und ob man die gezeigten schönen grünen Terrassen auf den Dächern der | |
| Bürokomplexe auch betreten dürfe. Kurth antwortete, Toiletten werde es | |
| eher nicht geben, zur Barrierefreiheit wurde es auch nicht konkret und die | |
| Terrassen seien maximal „teilöffentlich“. | |
| Zum Höhepunkt der „Aufführung“ trat schließlich jemand aus dem Publikum | |
| direkt an das vor der Bühne aufgebaute Modell aus Pappe, das das RAW der | |
| Zukunft zeigte, und zerdepperte mit einigem Sinn für Dramaturgie einen der | |
| Bürokomplexe. „Ihr seid lächerlich“, rief daraufhin Florian Schmidt, der | |
| Baustadtrat, der seine Pläne verteidigte und von einem „RAW Plus“ und | |
| „Kulturschutzgebiet“ sprach. | |
| Ganz vorbei ist der Kampf nicht. Joost kündigte an, ein Bürgerbegehren | |
| gegen die Pläne zu initiieren. Details nannte er am Dienstag noch nicht. | |
| 18 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://raw-gelaende.de/ | |
| [2] https://www.astra-berlin.de/ | |
| [3] https://www.facebook.com/suicideberlin/ | |
| [4] https://www.kurth-immobilien.de/ | |
| [5] https://www.raw-kulturensemble.de/aktuelles | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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