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# taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Die Bildersammlerin
> Das Kino Arsenal würdigt Agnès Varda mit einer Werkschau. Begleitend dazu
> präsentiert das silent green sie auch als Installationskünstlerin.
Bild: Szene aus „Quelques veuves de Noirmoutier“ (2006, Regie: Agnès Varda)
Agnès Varda kennt man hierzulande vor allem als Filmemacherin, auch dass
sie vor ihrer 1954 begonnenen Kinokarriere Fotografin war, dürfte vielen
Leuten bekannt sein. Dass sie seit den frühen 2000er Jahren aber auch immer
wieder als Installationskünstlerin arbeitete, ist bei uns ein wenig
untergegangen. Die Ausstellungen fanden anderswo statt… Doch dem „dritten
Leben der Agnès Varda“ ist man nun auch hier in einer von den
Varda-Mitarbeiterinnen Dominique Bluher und Julia Fabry kuratierten Schau
im silent green auf der Spur.
Im Garten des ehemaligen Krematoriumgebäudes im Wedding stehen derzeit eine
Hütte und ein Zelt: Die eine erweist sich als Mausoleum für eine Katze (mit
Videoinstallation und Musik von Steve Reich), das andere ist aus
35mm-Filmstreifen des Varda-Klassikers „Vogelfrei“ gefertigt (posthum nach
einem Modell der Regisseurin) und verweist auf ebenjenen Film, in dem
Sandrine Bonnaire als Landstreicherin in ihrem Zelt zu sehen ist.
[1][Die Ausstellung in der Betonhalle] (bis 20. Juli) zeigt sodann Werke,
die zumeist Fotografien und Videoinstallationen miteinander verknüpfen, oft
in Triptychen, einem in der Kunstgeschichte bewährten und von Varda sehr
geschätzten Mittel, Geschichten so zu (neu) erzählen, dass sich die Bilder
gegenseitig kommentieren.
Die größte dieser Installationen, „Die Witwen von Noirmoutier“ (2005)
umfasst eine zentrale Digitalprojektion (aus dem gleichnamigen Film) sowie
14 Bildschirme, auf denen man sich die Witwen ansehen und -hören kann, wie
sie von ihrem Leben nach dem Tod ihres jeweiligen Mannes sprechen.
Viel Raum in der Ausstellung ist auch der Kartoffel gewidmet, oder genauer:
der herzförmigen Kartoffel. Die entdeckte Varda bei den Dreharbeiten zu
ihrem Dokumentarfilm „Les glaneurs et la glaneuse“ („Die Sammler und die
Sammlerin“, 2000) als ein landwirtschaftliches Produkt, das zumeist
weggeworfen wird, weil es der EU-Handelsnorm nicht entspricht.
Bei Varda wird die Herzkartoffel, schrumpelnd und/oder keimend jedoch zum
großen Star von Fotografien und Videos – die symbolische Bedeutung des
Herzens hat sie dabei mitbedacht. Es gibt sogar ein Modell von Vardas
Kartoffelkostüm, mit dem sie 2003 auf der Biennale in Venedig die
Besucher:innen in ihre Ausstellung locken wollte (Ausstellung „Das
dritte Leben der Agnès Varda“, 9. 6. bis 20. 7., silent green).
„Les glaneurs et la glaneuse“ ist denn auch einer der Filme in der Reihe
„Passagen – Filme von Agnès Varda“, mit dem das Kino Arsenal in der Zeit
v[2][om 11.Juni bis zum 17.Juli die Ausstellung begleitet]. In ihrem
Dokumentarfilm begegnet die Bildersammlerin Varda unsinnigen
EU-Verordnungen, armen Leuten, die sich von liegengebliebenen Feldfrüchten
ernähren müssen, und Aktivisten, die sich gegen die Verschwendung unserer
Überflussgesellschaft richten (11. 6., 20 Uhr, Arsenal).
Der schwedische Regisseur Ingmar Bergman führte regelmäßig
Arbeitstagebücher, die natürlich einen interessanten Einblick in seine
Gedanken geben, aber zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht wurden. Das
hat in Deutschland nun der Berenberg Verlag unter dem Titel „Ich schreibe
Filme. Arbeitstagebücher 1955-2001“ getan; bei einer Lesung mit dem
Schauspieler Matthias Brandt lässt sich davon jetzt ein Eindruck gewinnen.
Außerdem gibt es ein Gespräch mit der Herausgeberin Renate Bleibtreu und
die Vorführung von Bergmans Klassiker „Das Schweigen“ (1963), seiner
brillanten Studie über Sprachlosigkeit, Verwirrung und Angst in der
modernen Gesellschaft (14. 6., 19.30, [3][Babylon Mitte]).
9 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.silent-green.net/film-feld-forschung/agnes-varda/
[2] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/passagen-filme-von-agnes-varda/
[3] https://babylonberlin.eu/programm/live/live-event/4731-matthias-brandt-lies…
## AUTOREN
Lars Penning
## TAGS
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