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# taz.de -- Kolumne Durch die Nacht: Feinste Männerlyrik, abgesagt
> Wladimir Putins Lieblingsband heißt Ljube und singt von Wagemut und Liebe
> zum Vaterland. Das Konzert in Berlin wurde auf unbestimmte Zeit
> verschoben.
Bild: Wladimir Putin singt, hier die russische Nationalhymne am 3. März 2018 b…
Über Wladimir Putin als Privatmann weiß man relativ wenig. Bekannt ist
seine Liebe zum Kampfsport, zudem wird ihm ein Hang zum Bling-Bling
nachgesagt. Und Arnold Schwarzenegger fand er mal gut, konnte ich jüngst
erfahren, aber damit dürfte es nach [1][dessen Ansage in Richtung Moskau]
auch vorbei sein. Immerhin ist über Putins Musikgeschmack einiges bekannt.
Sein schauriger Auftritt bei einem Charity-Event vor 12 Jahren, als er auf
großer Bühne [2][“Blueberry Hill“ von Fats Domino intonierte], legt nahe,
dass er erstaunlicherweise ein Faible für Rock’n’Roll aus den USA haben
könnte.
Aber manche sagen ja immer, dass der Putin von heute nicht mehr der Putin
von damals sei. Er blicke nun nicht mehr auch mal nach außen, sondern nur
noch nach innen, auf die eigene Scholle.
Dazu passt ganz gut [3][Ljube], die angeblich sein Lieblingsband ist. Die
russische Folk-Band schätzt er immerhin genug, um sie jüngst während seiner
bizarren Veranstaltung im Moskauer Luschniki-Stadion auftreten zu lassen,
bei der die Russen ihren großartigen Führer nach allen Regeln der Kunst
bejubeln durften. In den Liedern von Ljube geht es meist um die gute alte
Zeit, das Heldentum von stolzen Kriegern und darum, dass jeder Russe und
jede Russin gehörig stolz darauf sein kann, ein Russe oder eine Russin zu
sein.
Ljube hätte im Mai auch in Berlin auftreten sollen. Doch das Konzert wurde
nun abgesagt. Da wurde doch noch rechtzeitig erkannt, dass es keine
besonders clevere Idee ist, eine Band hier auftreten zu lassen, die Putins
Weltbild in schwülstig-pathetischen Popsongs abbildet. Wäre es vor dem
russischen Einmarsch auch nicht gewesen, aber bekanntlich ging man da ja in
Deutschland noch davon aus, dass Putin trotz seines ganzen Geredes und dem
bisschen Krieg im Donbass ja eigentlich ein ganz knuffiger Typ ist.
Auf “Berlin.de“, immerhin “das offizielle Hauptstadtportal“, hat man von
der Absage bislang [4][noch nichts mitbekommen]. Und verspricht somit
weiterhin für den Auftritt der russischen Folk-Patrioten: “Feine
Männerlyrik, Geschichten aus Armeezeiten, Nostalgie nach der Jugend, echter
Wagemut und ehrfürchtige Liebe zum Vaterland – in diesem Konzert wird
einfach alles dabei sein, wofür wir 'Ljube’ lieben.“
Diese Worte lesen sich wie Satire, und dafür braucht es noch nicht einmal
den Krieg im russischen Nachbarland. Und ich frage mich: Darf bei
“Berlin.de“ eigentlich jeder schreiben, was er will?
Was zumindest das Männerbild angeht, lässt sich die Metalband Manowar mit
Ljube vergleichen, deren Konzert im April nun ebenfalls abgesagt wurde.
Aber aus vergleichsweise banalen Gründen, nämlich wegen der aktuellen
Coronalage. Auch bei Manowar ist das ganze Leben ein einziger Kampf und
Männer sind dazu geboren worden, raus auf das Schlachtfeld zu ziehen.
Platten der Band haben Titel wie “Schlachthymnen“, “Krieger dieser Welt�…
“Götter des Krieges“ und so weiter. Inwieweit das alles ironisch gebrochen
ist: Schwer zu sagen.
Gut, dass es Corona gibt, das erspart einem die Diskussionen darüber, ob es
gerade der richtige Zeitpunkt ist, die Metal-Kämpfer aus den USA ihre
virilen Heldenepen vortragen zu lassen. Die Band verlegt ihr Konzert nun
auf das nächste Jahr, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Wann Ljube nach
Berlin kommen werden, steht dagegen noch nicht fest.
29 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.stern.de/lifestyle/leute/arnold-schwarzenegger--appell-an-wladi…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ekeq4szDmJo
[3] /Not-gebiert-keinen-Protest/!701981/
[4] https://www.berlin.de/tickets/konzerte/band-ljube-in-deutschland-cf55576b-b…
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Kolumne Durch die Nacht
Wladimir Putin
Arnold Schwarzenegger
Popmusik
Nationalismus
Helden
Bodybuilding
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Joe Biden
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