# taz.de -- Koalitionsvertrag der Ampel: Zwei Klatschen für Berlin | |
> Bei Verkehr und Mieten bleiben die Ziele der künftigen Bundesregierung | |
> deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das wird Folgen haben für | |
> Rot-Grün-Rot. | |
Bild: Für Verkehr steht die Ampel auf Rot: Protest in Berlin während der Koal… | |
Der Koalitionsvertrag der Ampel setzt bei vielen, vor allem | |
gesellschaftspolitischen Themen wichtige Akzente. Offenbar wollen SPD, | |
Grüne und FDP so manches längst überholte Gesetz endlich der Realität | |
anpassen, etwa wenn es um Frauenrechte geht. In zwei zentralen | |
Politikbereichen aber sind die [1][am Mittwochnachmittag vorgestellten | |
Vereinbarungen] nichts anderes als eine Offenbarung, dass auch die Ampel | |
auf ein neoliberales „Weiter-So“ setzt – und zwar dort, wo das schon län… | |
nicht mehr möglich ist: bei Mieten und [2][Verkehr.] | |
Das hat auch Folgen für die künftige Koalition aus SPD, Grünen und Linken | |
in Berlin – wenn sie denn überhaupt zustande kommt. An diesem Donnerstag | |
und Freitag wollen die Chefverhandler*innen die letzten strittigen | |
Fragen klären, es geht vor allem ums Geld. Doch der Koalitionsvertrag der | |
Ampel wirft nun auch noch mal die Frage auf: Was soll, was kann Berlin denn | |
überhaupt noch in den Bereichen Mieten und Verkehr tun, wenn die ersehnte | |
Hilfe aus dem Bund ausbleibt? | |
Als das Bundesverfassungsgericht im April den Berliner Mietendeckel | |
kassierte mit der Begründung, die Länder hätten in diesem Bereich keine | |
Gesetzgebungskompetenz, da appellierten SPD und Grüne an ihre | |
Bundesparteien, eine Öffnungsklausel zu schaffen. Sie sollten Ländern mit | |
stark angespannten Wohnungsmarkt solche Deckel ermöglichen. | |
SPD und Grüne regieren im Bund künftig wohl mit – doch die Öffnungsklausel | |
steht nicht im Koalitionsvertrag. Dabei sind dramatisch steigende Mieten | |
längst ein bundesweites Problem. Ein Deckel wäre die einfachste und | |
schnellste Lösung, um bei der angeblich so wichtigen „sozialen Frage des | |
21. Jahrhunderts“, dem Wohnen, zumindest vorübergehend für etwas | |
Entspannung zu sorgen. | |
## FDP hat sich durchgesetzt | |
Vor wenigen Wochen hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorkaufsrecht der | |
Kommunen in Milieuschutzgebieten kassiert. Doch die [3][unmittelbar | |
folgenden Appelle aus Berlin] und anderswo an die Verhandler*innen der | |
Ampel, das Gesetz entsprechend anzupassen und Vorkauf wieder zu | |
ermöglichen, verhallten weitgehend ungehört. Lediglich ein „Prüftauftrag“ | |
hat es in das Koalitionspapier geschafft. In Sachen Mieten und Wohnen hat | |
sich die FDP auf breiter Linie durchgesetzt. Die Immobilienkonzerne feiern. | |
Auch der bundespolitische Aufbruch im Bereich Verkehr bleibt aus. Das | |
Kapitel dazu ist – positiv formuliert – überschaubar geblieben; mehr Geld | |
etwa für Verkehrspolitik, die nicht nur auf die Autofahrerlobby | |
ausgerichtet ist, wird es nicht geben. Die Tatsache, dass die FDP das | |
entsprechende Ministerium bekommt, legt nahe, dass Deutschland das Autoland | |
bleibt, das es immer war, auch mitten in der Klimakrise. So wird man den | |
drohenden Verkehrskollaps in vielen Städten nicht verhindern und die | |
Metropolen nicht lebenswerter machen. | |
Das absehbare Versagen der Ampel in den beiden genannten Politikfeldern ist | |
zugleich eine Klatsche für die Berliner Grünen, aber auch für die SPD. | |
Anders als im Bund streben die Grünen in Berlin weiter das Verkehrsressort | |
an und wollen gestalten. Ohne Unterstützung aus dem Bund dürfte das aber | |
noch schwerer werden. | |
Für Grüne und SPD wird es insgesamt schwieriger, die eigene Wohnungspolitik | |
und die der Ampel zu vermitteln. Selbst wenn das im Bund postulierte | |
„Bauen, Bauen, Bauen“-Motto weitgehend deckungsgleich mit dem der hiesigen | |
SPD ist: Eine schnelle Entspannung gerade für ärmere Mieter ist dadurch | |
nicht zu erwarten. Schnelle Antworten auf die fortschreitende Verdrängung | |
aber sind dringend gefordert. | |
Für die Linke wiederum, die fast aus dem Bundestag geflogen wäre, stellt | |
sich nach diesem Mittwoch die Frage noch einmal deutlicher, ob sie dem | |
[4][mühsam ausgehandelten Kompromiss] zum Umgang mit dem | |
Enteignen-Volksentscheid zustimmen soll. Schließlich scheint die rasche | |
Umsetzung des Entscheids – zumindest in dem Sinne, dass schnell ein Gesetz | |
ausgearbeitet und damit ein Drohszenario gegenüber der Immobilienlobby | |
aufgebaut wird – die einzige politische Option des Landes zu sein. Die | |
Initiative, die den Entscheid auf den Weg gebracht hat, hat die | |
Vereinbarung in Berlin indes als „Verschleppung“ kritisiert. | |
Der Ampelvertrag hat neue Fragen aufgeworfen für Rot-Grün-Rot in Berlin. | |
Mal sehen, ob die Verhandler*innen zum Abschluss der Gespräche an | |
diesem Wochenende darauf Antworten finden. | |
25 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Neue-Regierung-von-SPD-Gruenen-und-FDP/!5816977 | |
[2] /Ministerium-fuer-Verkehr-ohne-Gruene/!5817861 | |
[3] /Kreuzberger-Stadtrat-zu-Vorkaufsrecht/!5814478 | |
[4] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5813773 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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