| # taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Berlin: Eine Frage der Aneignung | |
| > SPD, Grüne und Linke klären ihren Umgang mit dem erfolgreichen | |
| > Enteignen-Volksentscheid. Die Initiative spricht von | |
| > „Verzögerungstaktik“. | |
| Bild: Wer tanzt zuletzt? Protest für die Enteignung in Berlin | |
| Berlin taz | Die Koalitionsbildung habe „auf der Kippe“ gestanden, so sagen | |
| es Verhandler:innen hinter vorgehaltener Hand. Sechs Stunden nach ihrem | |
| Zeitplan, kurz vor Mitternacht, stand dann aber doch [1][der Kompromiss zum | |
| wohl schwierigsten Thema] für die Neuauflage des Bündnisses von SPD, Grünen | |
| und Linken. Tenor: Die Enteignung der großen privaten Wohnungskonzerne wird | |
| geprüft. Es ist ein Formelkompromiss, nah dran an jenem der Sondierungen, | |
| aber einer, den alle Seiten ihren Wähler:innen und Mitgliedern zu | |
| verkaufen versuchen können | |
| Am Dienstagmorgen dann traten Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch | |
| (Grüne) und Klaus Lederer (Linke) im Kurt-Schumacher-Haus der SPD vor die | |
| Presse und verkündeten die Ergebnisse des [2][Themenkomplexes | |
| Stadtentwicklung]. Giffey war es dabei vorbehalten, den Kompromiss zu DW | |
| Enteignen darzulegen, und sie tat dies nahezu wörtlich mit jener | |
| Sprachregelung, die noch in der Nacht als Ergebnis schriftlich festgehalten | |
| wurde. Maximale Vorsicht. | |
| Demnach werde eine Kommission unter Einbeziehung der Initiative innerhalb | |
| der ersten 100 Tage der Koalition eingesetzt. Ihr obliegt die „Prüfung der | |
| Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens“. | |
| In einem ersten Schritt soll die Verfassungskonformität geprüft und dabei | |
| „mögliche rechtssichere Wege einer Vergesellschaftung benannt und rechtlich | |
| bewertet werden“. Für die Erarbeitung einer Empfehlung an den Senat im | |
| zweiten Schritt soll sich die Kommission auch mit den finanzpolitischen, | |
| wohnungswirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Aspekten einer | |
| Enteignung befassen. | |
| Ein Jahr hat die Kommission dafür Zeit. Sie soll mit einer eigenen | |
| Geschäftsstelle ausgestattet werden und die Öffentlichkeit über ihre Arbeit | |
| informieren. 2023 soll dann die Erarbeitung von Eckpunkten für ein | |
| Vergesellschaftungsgesetz durch die zuständigen Senatsabteilungen erfolgen. | |
| Daraufhin werde der Senat seine „abschließende Entscheidung“ treffen. | |
| ## Giffeys Spin | |
| Giffey, die sich in ihrem Eingangsstatement mit einer eigenen | |
| Interpretation zurückhielt, versuchte es auf Nachfrage doch noch mit einem | |
| Spin: Sie betonte die Letztentscheidung des Senats, der eine | |
| „Folgeabschätzung“ vornehmen müsse. Dass der Senat letztlich über das | |
| Gesetz entscheidet, ist eine Binse, die Betonung dessen kann aber auch | |
| übersetzt werden. Dann hieße es: Auch wenn die Kommission einen Weg findet | |
| – einem Gesetz kann sich die SPD mit Hinweisen auf rechtliche und | |
| finanzielle Bedenken trotzdem in den Weg stellen. | |
| Dem gegenüber steht der Spin der Linken. Landeschefin Katina Schubert hatte | |
| schon in der Nacht die Erfolgsparole ausgegeben: Geprüft werde „nicht das | |
| Ob, sondern das Wie“ der Enteignung. Klaus Lederer verteidigte das „gute | |
| Ergebnis“ mit dem Hinweis darauf, dass für den [3][erstmaligen Weg der | |
| Vergesellschaftung nach Artikel 15] „ein Haufen Fragen zu beantworten | |
| seien“; ergo, es ohne eine Kommission – die von DW Enteignen im Vorfeld für | |
| überflüssig erklärt wurde – nicht gehe. | |
| Die Parteispitze wird sich dennoch besonders beim Sonderparteitag am 4. | |
| Dezember viel Mühe geben müssen, die Basis, die in einem | |
| Mitgliederentscheid ab kommenden Montag über den Koalitionsvertrag | |
| abstimmen wird, von dem Erfolg zu überzeugen. Die Initiative Deutsche | |
| Wohnen & Co enteignen wird ihr dabei jedenfalls nicht helfen. In einer | |
| Mitteilung kritisierte sie den „Minimalkompromiss“ als | |
| „Verzögerungstaktik“. Gegenüber der taz nannte Sprecher Moheb Shafaqyar d… | |
| Ergebnis „alles andere als einen Grund zur Freude“. | |
| Es sei „ernüchternd“, dass erst etwa zwei Jahre nach dem mit einer | |
| Zustimmung von 59,1 Prozent gewonnenen Volksentscheid, also nach Abschluss | |
| der Kommission, die Erarbeitung von Eckpunkten für ein Gesetz erfolgen | |
| solle – „gegebenfalls“. Shafaqyar ist sich sicher: „Es ist durchschauba… | |
| was hier passiert: Teile des Senats wollen das verhindern.“ Eine | |
| Komplettabsage ist das gleichwohl nicht. Über die generelle Bereitschaft, | |
| in einer Initiative mitzuarbeiten, soll das Plenum am Dienstagabend | |
| entscheiden. | |
| ## Es kommt auf die Namen an | |
| Die Grundlage dafür ist allerdings vage: Denn die höchst umstrittene Frage, | |
| wer in der Expertenkommission sitzen soll, haben die Verhandler:innen | |
| nicht entschieden. Diesen Grundsatzkonflikt muss die Koalition nun in ihren | |
| ersten drei Monaten klären. Shafaqyar bezeichnet die Zusammensetzung als | |
| entscheidend: „Sobald da Namen genannt werden, weiß man, wohin das führen | |
| soll.“ | |
| Giffey sprach auf Nachfrage von „externen Experten“ mit | |
| „verfassungsrechtlichem und juristischem Sachverstand“. Anders als die SPD | |
| es wohl wollte, wird die Kommission nicht an die Senatsverwaltung für | |
| Stadtentwicklung angedockt. | |
| Die Initiative muss nun für sich eine Antwort darauf finden, wie sehr sie | |
| enttäuscht ist oder ob sich in dem vereinbarten Vorgehen auch Chancen | |
| finden lassen. Die Mitarbeit in einer Expertenkommission könnte einerseits | |
| Öffentlichkeit für ihr Anliegen, andererseits aber auch verwertbare | |
| Ergebnisse für die Überarbeitung ihres eigenen Gesetzesvorschlags bringen, | |
| so ein Kampagnenmitglied. Man müsse sie als „Instrument“ begreifen“. | |
| Ergeben könnte sich daraus dann womöglich ein zweiter Volksentscheid. | |
| Anders als beim ersten Mal würde dann nicht über einen Auftrag an den | |
| Senat, sondern über ein konkretes Gesetz abgestimmt werden. | |
| Ein Durchbruch war der Kompromiss von Montagnacht daher nur für das | |
| Zustandekommen der Koalition. Die Frage der Enteignung aber wird Berlin | |
| noch lange beschäftigen. | |
| 23 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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