| # taz.de -- Nach Volksentscheid in Berlin: Enteignen als Chance | |
| > Einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot in Berlin steht kaum mehr etwas im Weg. | |
| > Aber der Umgang mit dem Volksentscheid wird Streitthema bleiben. | |
| Bild: Enteignen ist nichts für Franziska Giffey: Verziertes Plakat aus dem Wah… | |
| Berlin taz | Es ist kurz nach Mitternacht, als die [1][Einigung per | |
| Pressemitteilung] bekannt gemacht wird: Die neue Landesregierung aus SPD, | |
| Grünen und Linken respektiere das Ergebnis des erfolgreichen | |
| Enteignen-Volksentscheids, heißt es in dem Schreiben, und sie werde | |
| „verantwortungsvoll damit umgehen“. Wie genau, das muss eine | |
| Expertenkommission klären. Jene soll „Möglichkeiten, Wege und | |
| Voraussetzungen“ prüfen, wie der Wille der Berliner*innen umgesetzt | |
| werden kann. | |
| Die Formulierungen gehen kaum über die Sätze des vor den | |
| Koalitionsverhandlungen verabschiedeten Sondierungspapiers hinaus. Dennoch | |
| sind sie immens wichtig: Nach dieser Einigung dürfte einer erneuten | |
| Zusammenarbeit von SPD, Grünen und Linken inhaltlich [2][nicht mehr viel im | |
| Weg stehen]. | |
| Bis Freitag sollen in weiteren Verhandlungen, unter anderem zu den | |
| Themenbereichen Innenpolitik, Bildung und Finanzen, die restlichen Seiten | |
| des Koalitionsvertrags erarbeitet werden. Am 21. Dezember könnte Franziska | |
| Giffey, frühere SPD-Familienministerin und Spitzenkandidatin in Berlin, als | |
| neue Regierende Bürgermeisterin vom Abgeordnetenhaus gewählt werden. | |
| Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot war lange nur eine Option von dreien. Im | |
| Wahlkampf hatte Giffey vor allem in Fragen der Verkehrs- wie der | |
| Wohnungspolitik deutlich konservativere Positionen vertreten als Grüne und | |
| Linke, aber auch als die SPD in Berlin bisher. Die einstige | |
| Bundesministerin hätte [3][erklärtermaßen lieber mit Grünen und FDP eine | |
| Ampel gebildet]. Doch das lehnten die Grünen ab. | |
| Zudem hatten die Berliner*innen in der Abstimmung über den | |
| Volksentscheid deutlich gemacht, dass sie angesichts der dramatischen Lage | |
| auf dem Wohnungsmarkt und dem Aus für den Mietendeckel eine radikale | |
| Mietenpolitik mittragen würden. 57,6 Prozent stimmten dafür, die | |
| Wohnungsbestände großer Immobilienunternehmen zu vergesellschaften. Das | |
| Grundgesetz sieht diese Möglichkeit in Artikel 15 zwar vor; genutzt wurde | |
| er bisher aber noch nie. Allerdings stand kein Gesetz zur Abstimmung, | |
| sondern lediglich der Appell an den Senat, ein solches Gesetz zu erlassen. | |
| Giffey hatte sich im Wahlkampf klar dagegen ausgesprochen; die Grünen sahen | |
| Enteignungen eher als Mittel zum Zweck. Lediglich die Linke stellte sich | |
| voll dahinter – und stand deswegen in den Verhandlungen unter Druck: Welche | |
| Ziele und Aufgaben sollte die vom neuen Senat einzusetzende | |
| Expertenkommission haben? Und wer sitzt darin? | |
| ## Viel Spielraum für Interpretationen | |
| Die Expertenrunde werde beauftragt, „nicht das Ob, sondern das Wie“ zu | |
| prüfen, betonte Linken-Landeschefin Katina Schubert in der Nacht auf | |
| Dienstag auf taz-Nachfrage. Bei der Frage der Besetzung haben sich die | |
| Verhandler*innen Montagnacht indes um eine klare Position gedrückt: Der | |
| nächste Senat soll darüber in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit | |
| entscheiden; die Initiative, die den Volksentscheid auf den Weg gebracht | |
| hat, werde daran beteiligt. Das lässt viel Spielraum für Interpretationen | |
| und dürfte noch für Ärger zwischen SPD, Linken und Grünen sorgen. | |
| Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen warf der SPD am Dienstag vor, | |
| die Umsetzung des Volksentscheids zu blockieren. Und die Mitglieder der | |
| Linkspartei müssen in einer Urabstimmung den Koalitionsvertrag billigen. Es | |
| ist keineswegs sicher, dass ihnen der Kompromiss ausreicht. Das Thema ist | |
| also noch lange nicht abgeräumt. Und bis ein entsprechendes Gesetz in Kraft | |
| treten kann, dürften locker fünf Jahre vergehen. | |
| 23 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
| Erik Peter | |
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