| # taz.de -- Koalition in Berlin steht: Rot-Grün-Rot hoch 2 | |
| > Nach zähem Ringen stellen die Parteien ihr Programm für die Hauptstadt | |
| > vor. Einen Dämpfer gibt es für den Volksentscheid zu Enteignungen | |
| Bild: Da ist das Ding: Bettina Jarasch (l.), Franziska Giffey und Klaus Lederer… | |
| Die Verhandlungen wären beinahe gescheitert, gingen länger als geplant und | |
| waren hart für alle Beteiligten: Am Ende aber haben SPD, Grüne und | |
| Linkspartei in Berlin doch noch zu einer Neuauflage ihrer Koalition | |
| zusammengefunden. [1][Am Montag stellten die Parteien ihren 152 Seiten | |
| starken Koalitionsvertrag vor.] Die Schwerpunkte: der Bau dringend | |
| benötigter Wohnungen, Klimaschutz, mehr Personal und der Ausbau des | |
| Nahverkehrs. Stimmen die Landesparteitage von Grünen und SPD sowie die | |
| Basis der Berliner Linken dem Werk zu, kann Franziska Giffey (SPD) als neue | |
| Regierende Bürgermeisterin am 21. Dezember vom Abgeordnetenhaus gewählt | |
| werden. | |
| Die drei Parteien regieren seit Dezember 2016 zusammen, allerdings mit | |
| etwas anderer Gewichtung. Bei der Wahl am 26. September sind die Grünen | |
| hinter der SPD zweitstärkste Partei geworden; die Linke verlor zwar weniger | |
| als im Bund, ist aber nur noch drittstärkster Koalitionspartner. Der | |
| bisherige Regierungschef Michael Müller trat nicht mehr an; er wurde direkt | |
| in den Bundestag gewählt. | |
| Wenn sich in Berlin eine neue Koalition vorstellt, dann passiert das auch | |
| vor dem bundesweit kolportierten Bild einer Stadt, die angeblich nichts auf | |
| die Reihe kriegt, vom Bau eines Flughafens bis zur Organisation von Wahlen. | |
| Franziska Giffey ist das bewusst, als sie der Presse den Koalitionsvertrag | |
| mit dem Titel „Zukunftshauptstadt Berlin“ präsentiert. Man wolle eine | |
| Arbeit leisten, auf die Berliner*innen stolz sein können, kündigt sie | |
| an. Die Koalition wolle zeigen, dass Berlin „auch Vorreiter sein kann“, | |
| etwa bei neuen Technologien, Frauenpolitik und bei der | |
| Familienfreundlichkeit. | |
| ## Die SPD hat sich im Bereich Bauen durchgesetzt | |
| Anders als im Bund sind die vorgestellten Inhalte keine Überraschungen | |
| mehr; die Parteien haben nach jeder Verhandlungsrunde Zwischenergebnisse | |
| vorgelegt. Die Schlussrunde, bei der es um die Finanzierung ging, zog sich | |
| aber doch noch mal über drei Tage. „Unfassbar anstrengend“ sei das alles | |
| gewesen, sagt Noch- und wahrscheinlich Wieder-Kultursenator Klaus Lederer | |
| (Linke). Aber nicht nur er betont, dass das harte Ringen auch die Grundlage | |
| für eine gute Zusammenarbeit bilden könne. | |
| Im Bereich Bauen und Wohnen hat sich die SPD in vielen Punkten | |
| durchgesetzt. So soll ein Bündnis für bezahlbaren Wohnungsbau eingesetzt | |
| werden, auch mit privaten Investoren, erklärt Giffey. 200.000 Wohnungen | |
| sollen so in den nächsten zehn Jahren entstehen, auch für Menschen mit | |
| weniger Einkommen. Derweil soll eine andere Kommission einen Vorschlag | |
| erarbeiten, wie der erfolgreiche Volksentscheid für die Enteignung großer | |
| Wohnungsunternehmen umgesetzt werden kann. „Wir werden alles dafür tun“, | |
| verspricht die Landeschefin der Linkspartei Katina Schubert. „Berlin wird | |
| immer anders bleiben: sozialer, klimafreundlicher und solidarischer als | |
| andere Städte.“ | |
| [2][An den Erfolgen beim Klimaschutz will sich die Koalition messen | |
| lassen], kündigt Bettina Jarasch an, die Spitzenkandidatin der Grünen. | |
| Künftig sei das auch nicht mehr nur an einem Senator*innenposten | |
| festzumachen, sondern Gemeinschaftsaufgabe der Regierung: Es werde | |
| regelmäßig eine Art Controlling geben, ob die Anstrengungen ausreichen. | |
| Zudem soll der Öffentliche Nahverkehr, sprich Straßenbahn, U-Bahnen, aber | |
| auch Buslinien ausgebaut werden, vor allem jenseits der Innenstadt: Alle | |
| zehn Minuten soll ein Bus oder eine Bahn kommen, die nächste Haltestelle | |
| nie weiter als 400 Meter entfernt sein. Finanziert werden soll das über | |
| erhöhte Parkgebühren für Anwohner*innen und ein verpflichtendes Ticket | |
| für Tourist*innen. Wann Letzteres kommt, ist allerdings unklar. Eine | |
| generelle Citymaut, wie sie vor der Wahl in der Diskussion war, ist dagegen | |
| nicht vorgesehen. | |
| ## Senator*innen-Posten noch unklar | |
| Sicher ist hingegen: Die Koalition will weiter investieren. „Wir können uns | |
| nicht aus dieser Krise heraussparen“, sagt Jarasch – eine Position, die | |
| alle drei Parteien teilen. Allerdings sei das Wirtschaftswachstum nicht | |
| mehr so stark wie vor Corona, deswegen wolle man „mit Augenmaß“ vorgehen. | |
| Zeigen soll sich das im öffentlichen Dienst: Jährlich 2.000 zusätzliche | |
| Stellen vor allem im Bereich Bildung, Polizei, Soziales und Integration | |
| will die Koalition schaffen, das entspricht einem Plus von rund 2 Prozent. | |
| Auch die Bezirke sollen zusätzliches Personal bekommen, damit man nicht | |
| mehr Monate für einen Bürgeramtstermin warten muss. | |
| Bei der Verteilung der zehn Senator*innenposten – wie die | |
| Minister*innen in Berlin heißen – hat sich wenig verändert: Die SPD | |
| stellt vier plus die Regierende Bürgermeisterin, Grüne und Linke je drei. | |
| Allerdings sind mehr als die Hälfte der Regierungsmitglieder neu, Namen | |
| wurden noch nicht genannt. Bettina Jarasch, die wohl künftige | |
| Gesundheitssenatorin, betont, dass die Koalition den Kampf gegen die | |
| Coronakrise schnell aufnehmen könne, weil man ja schon lange | |
| zusammenarbeite. Ein Seitenhieb auf den Bund, der in Sachen | |
| Coronabekämpfung gerade nichts auf die Reihe kriegt. | |
| 29 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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