# taz.de -- Forderungen an Rot-Grün-Rot in Berlin: Initiativen wollen mitreden | |
> Bis Ende der Woche wollen SPD, Grüne und Linke ihren Koalitionsvertrag | |
> fertig haben. Was muss rein? Die taz hat in der Zivilgesellschaft | |
> nachgefragt. | |
Bild: Demo von DW-Enteignen am 11. Oktober bei den Sondierungen zwischen Grüne… | |
## Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
Überall, wo die VerhandlerInnen von SPD, Grünen und Linken zuletzt | |
auftauchten, sind die lilafarbenen Westen schon da. Vor allem das | |
Kurt-Schumacher-Haus, der Sitz der Berliner SPD, ist unter | |
Dauer-Belagerung. | |
Die Message der Demonstrierenden: [1][Der Wille von 59,1 Prozent der | |
WählerInnen] – mehr als eine Million Menschen – darf nicht ignoriert | |
werden. Das versucht auch eine siebenköpfge Kontaktgruppe der Kampagne den | |
PolitikerInnen zu vermitteln. „Wir fordern keine Prüfung, ob der | |
Volksentscheid umgesetzt werden kann, sondern nur wie“, so Sprecher Jonas | |
Becker. | |
Die Initiative verlangt, dass ihr bereits erarbeitetes | |
Vergesellschaftungsgesetz nach einer kurzen Prüfphase ins Abgeordnetenhaus | |
eingebracht wird. „Eine Expertenkommission braucht es nicht mehr“, betont | |
Becker. Erst recht keine mit VerteterInnen der Immobilienfirmen, wie | |
von SPD-Seite bereits ins Spiel gebracht: „Sollen wir die Mafia einladen, | |
um ein Gesetz zur Bekämpfung der Mafia zu prüfen?“ Mit anderen | |
ExpertInnen würde man sich gleichwohl zusammensetzen, etwa um über die | |
zukünftige Verwaltung der enteigneten Wohnungen zu sprechen. | |
## Arbeitskreis Wohnungsnot | |
„Wir haben als Arbeitskreis Wohnungsnot den [2][Masterplan zur Überwindung | |
von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030] von Senatorin Elke Breitenbach | |
sehr begrüßt“, sagt Martin Parlow vom AK Wohnungsnot, einem Zusammenschluss | |
von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, der sich als Lobby für | |
Wohnungslose versteht. „R2G muss in den nächsten fünf Jahren beweisen, dass | |
die neue/alte Koalition es ernst meint mit der Beendigung der Wohnungsnot | |
in Berlin. Kernbestandteil muss der [3][bessere Zugang zu Wohnraum im Sinne | |
des Housing First] sein.“ | |
Auch die soziale Wohnraumversorgung müsse dazu neu aufgestellt werden, so | |
Parlow. „Wir brauchen eine gezielte Förderung zur Schaffung von Wohnraum | |
für Wohnungslose, die auch sozialen Trägern das Bauen ermöglicht. Warum | |
nicht genauso viel Geld für die Schaffung von Wohnraum ausgeben wie für die | |
Unterbringung der 50.000 wohnungslosen Menschen, also 120 Millionen Euro | |
jährlich?“ Weiterhin müsse der Wildwuchs und das Profitdenken bei den für | |
die Unterbringung zuständigen privaten Wohnheimen enden. „Darunter brauchen | |
wir eine ganzjährige Kältehilfe im 24/7 Betrieb. Im Kampf gegen | |
Wohnungsverlust brauchen wir echte Fachstellen in den Bezirken mit | |
ausreichend Personal für die Präventionsarbeit.“ Zudem müssten die | |
positiven Erfahrungen des Modellprojekts Housing First in die Reform der | |
Regelangebote einfließen. | |
## Bildungswerk bbk Berlin | |
Von der Koalition der Freien Szene – dem Sprachrohr der 40.000 | |
KünstlerIinnen der Stadt – werden seit 2012 wichtige | |
spartenübergreifende Bedarfe ermittelt, sagt Wibke Behrens vom | |
„bildungswerk des berufsverbands bildender künstler*innen berlin“. „Die | |
Stärkung der Selbstverwaltung und ein Runder Tisch Freie Szene wie beim | |
Runden Tisch Tanz ist daher mein erster Wunsch.“ | |
Der zweite sei die kulturpolitisch kompetente Sicherung von dringend | |
benötigtem und bezahlbarem Arbeits-Raum. „Es ist so wichtig, die Bedarfe | |
vorausschauend von Anfang an konsequent in die Stadt-Entwicklungsplanung | |
neuer Quartiere einzubeziehen.“ | |
Gleichzeitig sollen Areale und [4][Projekte wie die Alte Münze] mit „klugem | |
Betreibermodell und sinnigem Nutzungskonzept, verlässlichen Zeitzielen und | |
verbindlichen Kostenplänen in enger Kommunikation und gemeinsamer | |
Steuerungsverantwortung mit der freien Szene so aufgestellt werden, dass | |
nachhaltig und für viele Jahrzehnte wichtige Orte für die Kultur gesichert | |
sind“. | |
## Moabit hilft | |
„Es wäre uns eine Herzensangelegenheit, wenn die beiden wichtigsten | |
Behörden für Geflüchtete, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten | |
(LAF) und Landesamt für Einwanderung (LEA), endlich ins 21. Jahrhundert | |
überführt würden“, betont Diana Henniges von Moabit hilft. [5][„Beide Ä… | |
sind – im zweiten Corona-Jahr – nicht in der Lage, digital zu arbeiten.“] | |
Für nahezu alles brauche man erst eine Registrierung, um dann irgendwann | |
einen Termin zur ‚Vorsprache‘ oder Bearbeitung zu bekommen. Entweder müsse | |
man Wochen bis Monate auf Antwort warten oder seit neuestem wieder | |
stundenlang beim LEA draußen in der Kälte. | |
„Das LAF antwortet häufig gar nicht. Jeder Schriftverkehr dauert Wochen bis | |
Monate, solange bekommen Menschen keine Bescheide, die unerlässlich sind | |
für Berlinpässe, Leistungen, einen WBS.“ Das LEA stelle sogar | |
„Phantasiepapiere“ mit Berliner Briefkopf aus, die es offiziell gar nicht | |
gibt und mit denen man bei BVG-Kontrollen und in den Sozialämtern Ärger | |
bekomme und nicht mal ein Konto eröffnen könne. | |
„Bei der Wohnungslosenhilfe muss dringend [6][die Qualität der ASOG-Heime | |
in den Bezirken besser werden]“, so Henniges weiter. „Es kann nicht sein, | |
dass die Beschwerdestelle für Heimbewohner (Bubs) nur für LAF-Heime gilt, | |
nicht aber für die Läuse-Pensionen, denen die Bezirke teils horrendes | |
Steuergeld in den Rachen schmeißen.“ | |
Zum neuen Partizipations- und Integrationsgesetz sagt Henniges: „Es gibt | |
jetzt zwar mehr Geld für kleine und wenig professionelle Vereine – aber wir | |
brauchen nicht das 100. Kochprojekt.“ Vielmehr brauche man endlich eine | |
Regelfinanzierung, also „die lange versprochene Verstetigung unserer | |
Arbeit“. „Wir müssen weg von der ‚Projekteritis‘, wo wir jedes Jahr neu | |
Gelder beantragen müssen um weitermachen zu können. Zum Beispiel könnte das | |
Land die Miete vieler Organisationen direkt übernehmen. Wir von Moabit | |
hilft etwa zahlen jährlich 21.000 Euro Miete an die BIM, also für eine | |
Landesimmobilie! Das Geld müssen wir mühsam über Drittmittel einwerben, die | |
Zeit und Energie (und das Geld!) können wir wirklich besser verwenden.“ | |
## Berliner Flüchtlingsrat | |
„R2G hat die [7][Abschiebepolitik] von CDU-Innensenator Henkel unvermindert | |
fortgesetzt“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat. „Der Anteil Berlins an | |
Abschiebungen bundesweit wurde gegenüber dem Vorgängersenat von 5,7 auf 6,1 | |
Prozent sogar etwas gesteigert.“ Zentral ist für Classen deshalb die | |
Forderung, die [8][Zuständigkeit für die Ausländerbehörde künftig von der | |
InnensenatorIin an die für Integration zuständige SenatorIn zu | |
übertragen], um das Aufenthaltsrecht nicht zuerst nach polizeilichen | |
Maßstäben umzusetzen. „Das fordern auch die Grünen, und die Linke hat es in | |
ihren Parteitagsbeschlüssen zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen | |
nochmal ausdrücklich bekräftigt.“ | |
Auch schwerkranke und behinderte Menschen wurden unter R2G mit großer | |
Brutalität abgeschoben und humanitäre Härten ignoriert, so Classen. „Wir | |
fordern daher, dass die Ausländerbehörde stets die Indizwirkung ärztlicher | |
und psychologischer Atteste beachten und zunächst Gelegenheit zu weiterer | |
Begutachtung geben muss.“ Derzeit ignoriere die Ausländerbehörde | |
psychologische Atteste generell, auch ärztliche Atteste würden nicht | |
beachtet, wenn sie nicht verschärften formalen Maßgaben entsprechen. | |
## Volksentscheid Berlin autofrei | |
Die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ [9][wartet derzeit auf die | |
Prüfung der gut 50.000 Unterschriften] für den Antrag eines Volksbegehrens, | |
die sie im August beim Senat eingereicht hat.„Wenn die SPD zu ihrem Namen | |
steht, liegt es in ihrer Verantwortung, die Verkehrswende aktiv | |
voranzubringen“, sagt Sprecherin Nina Noblé, „denn sozial gerecht ist, eine | |
Mobilität unabhängig vom Auto zu ermöglichen – für alle.“ | |
Die Umsetzung des [10][2018 in Kraft getretenen Mobilitätsgesetzes] sei in | |
den letzten Jahren „verschleppt“ worden, und das vorliegende | |
Sondierungspapier lasse „auch für die kommende Wahlperiode keine | |
fortschrittliche und zukunftsfähige Mobilitätspolitik erwarten“, heißt es | |
in einer Stellungnahme der Initiative. Um Platz für die Verkehrswende zu | |
schaffen, müssten die vorhandenen Flächen im öffentlichen Raum gerecht | |
verteilt werden – „etwa durch die Umwidmung von jährlich 60.000 | |
öffentlichen Pkw-Stellplätzen“ und das Heraushalten von Durchgangsverkehr | |
aus Wohnquartieren durch Kiezblocks. | |
22 Nov 2021 | |
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