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# taz.de -- Pandemie-Debatte im Abgeordnetenhaus: Koalition streitet auch bei C…
> Die mitregierende Linkspartei attackiert Regierungschef Müller und seine
> SPD. Die AfD ist gegen alle Maßnahmen und murrt etwas von „Stasi-Staat“.
Bild: Linksfraktionschef Carsten Schatz kritisierte in der Corona-Debatte Regie…
Berlin taz | Der Regierende Bürgermeister habe sich ja leider nicht
entschließen können, zu einem Impfgipfel einzuladen, sagt der Mann am
Rednerpult des Abgeordnetenhauses. Und dass er dazu „schnell eine
Initiative des Senats“ erwartet. Dass die Schulen noch nicht zum
Wechselunterricht zurück gekehrt sind, ist ihm ebenso unverständlich wie
der Zustand, dass weiter Luftfilter fehlen. Das lässt den so angesprochenen
Regierungschef Michael Müller doch überrascht kurz von seinen Akten
aufschauen. Denn der Kritiker kommt ja nicht von der Opposition, von CDU,
FDP oder AfD: Es ist der Fraktionschef des Koalitionspartners Linkspartei,
Carsten Schatz.
Es ist die zweite Sitzung des Landesparlaments nach der Neuwahl am 26.
September, in der Corona und die Maßnahmen gegen die vierte Welle der
Pandemie im Mittelpunkt stehen. Seit vergangenen Montag gilt die 2G-Regel,
die fast überall nur Geimpften und Genesenen Zutritt gewährt. Und für
kommende Woche hat Müller schon einen Senatsbeschluss zur Ausweitung auf
„2G plus“ angekündigt.
Das trägt auch die Opposition weitgehend mit. „Die CDU ist zu jedem
konstruktivem Schritt bereit“, beteuert ihr Chef Kai Wegner. Für ihn ist
seine Rede eine Premiere in seiner neuen Rolle als Fraktionsvorsitzender
und die erste seit 2005, als er nach sechs Jahren das Abgeordnetenhaus
verließ und bis diesen Herbst im Bundestag saß.
Auch bei ihm gibt es Passagen, die von Wortwahl und Inhalt eher an anderen
Parteien zu hören sind. Dass mittlerweile Eltern Lolli-Corona-Tests für
ganze Klassen besorgt hätten, weil das entsprechende Projekt nicht aus dem
Pilotstatus heraus kam, findet Wegner zwar vom privaten Engagement her
löblich. Grundsätzlich aber ist dieser Zustand für ihn nicht haltbar – „…
darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen“. Und Kita- und
Schulschließungen wären für ihn „eine soziale Katastrophe“.
Die Rederunde hat SPD-Fraktionschef Raed Saleh eröffnet, der nicht
ausschließt, dass es einen weiteren Lockdown gibt, wenn die Corona-Regeln
nicht eingehalten werden. Als er den Einsatz der Bundeswehr bei der
Corona-Bekämpfung lobt, lohnt sich ein Blick Richtung Linkspartei, dem
bisherigen und zumindest über eine weitere Zusammenarbeit verhandelnden
Koalitionspartner: Außer Schatz und seiner Co-Fraktionschefin Anne Helm in
der ersten Reihe ist nur bei einem weiterem Mitglied der 24-köpfigen
Fraktion Applaus zu sehen.
## AfD nennt 2G „völlig absurd“
Als einzige Fraktion stellt sich die AfD gegen die Anti-Corona-Maßnahmen
des Senats. Für ihre Vorsitzende Kristin Brinker ist die 2G-Regel „völlig
absurd“, weil die Pandemie dadurch nicht eingedämmt würde. „Der Senat
greift völlig unverhältnismäßig in die Freiheitsrechte der Berliner ein“,
meint Brinker und kündigt an, ihre Partei werde die „Freiheit der Berliner
gegen diese Verbotspolitik verteidigen“.
Dass die Intensivbetten voll sind, mag auch Brinker nicht bestreiten. Aber
das liegt aus ihrer Sicht nicht an Corona, sondern an einer reduzierten
Bettenzahl. Von einer solchen Reduzierung aus Personalmangel hatten am
Dienstag gegenüber Journalisten [1][auch Charité und der landeseigene
Klinikkonzern Vivantes berichtet:] Sie aber sprachen von 20 Prozent weniger
Betten, während Brinker nahe zu legen scheint, als hätte die Politik die
Intensivstationen mindestens halbiert.
Wie würde Regierungschef Müller nun reagieren – zum einen auf die Kritik
des Koalitionspartners, zum anderen auf Brinker? Der geht auf ersteren gar
nicht ein und bezeichnet die Rede der zweiten als gruselig. Brinker
versuche, „den Popanz aufzubauen, dass wir die armen Ungeimpften
drangsalieren.“ Richtig ist für Müller das Gegenteil: „Es geht nicht mehr,
dass eine Minderheit, die Sie (gemeint ist Brinker) offenbar vertreten,
eine Mehrheit dominiert und deren Gesundheit gefährdet.“
Mehrfach begleiten abfällige Zwischenrufe aus der AfD Müllers Rede, einer
davon lautet „Stasi-Staat“ oder „Stalin-Staat“. Der neue
Parlamentspräsident Dennis Buchner wird diesen Begriff später namens des
Parlaments zurückweisen. Müller selbst lässt sich davon nicht irritieren.
Er, der schon Anfang September feststellte, die Politik hätte [2][in Sachen
Impfmotivation ihre Mittel ausgeschöpft] und sich auch von einem weiteren
Brief an alle Berliner nicht viel versprach, nimmt mit Blick auf die
2G-Regel jeden und jede in die Pflicht.
Auch wenn mehrere Redner vor ihm gefordert haben, der Staat müsse die
Regeln durchsetzen, will Müller nicht so tun, als seien Polizei oder
Ordnungsamt dazu flächendeckend in der Lage. Für ihn ist es eine Frage
gesellschaftlicher Solidarität, Regeln einzuhalten, auch wenn keine
Kontrolle droht – so wie im Straßenverkehr: „Wenn die Ampel auf Rot
springt, dann halten wir an, auch wenn neben der Ampel kein Polizist
steht.“
Mit Blick auf Corona aber hat Müller so seine Zweifel damit: „Wir wir haben
nicht zu wenig Angebote, nicht zu wenig Impfstoff und nicht zu wenig
Infrastruktur – wir haben zu viel Egoismus und Gleichgültigkeit.“ Dafür
gibt es jenseits der AfD breiten Applaus. Auch von der Linkspartei.
18 Nov 2021
## LINKS
[1] /Weiterer-Schritt-gegen-Corona/!5812304
[2] /Ideen-fuer-eine-hoehere-Impfquote-gesucht/!5795528
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
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