# taz.de -- Besteuerung von teuren Mieten: Vermieter moderat enteignen | |
> Ein neuer Vorschlag, um die VermieterInnen zur Kasse zu bitten – DIW | |
> schlägt Mietensteuer vor. | |
Bild: Ran an die Mieteinnahmen | |
[1][Enteignung] eingefroren, [2][Vorkaufsrecht] ausgehöhlt, | |
[3][Mietendeckel] gekippt. Was für Instrumente bleiben übrig, um den | |
Mietenwahnsinn noch zu stoppen? Das Deutsche Institut für | |
Wirtschaftsforschung (DIW) hat am 11. November dem Land Berlin einen | |
Vorschlag unterbreitet, um das Problem der hohen Mieten zu lösen: eine | |
„moderate Enteignung“ über Steuern. Anders als eine pauschale Bodensteuer | |
würde der Vorschlag nur die VermieterInnen belasten, die über dem | |
ortsüblichen Vergleichspreis vermieten. Der Vorschlag sieht vor, alle | |
Mieten, die mehr als 10 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen, | |
progressiv zu besteuern. | |
Nimmt eine Vermieterin 10 Prozent mehr als die Vergleichsmiete, würde sie | |
von diesen 10 Prozent Mietgewinnen wiederum 10 Prozent an Steuern abgeben | |
müssen, und zwar an das Land Berlin. Verlangt sie 20 Prozent mehr als die | |
Vergleichsmiete, muss sie von dem Mehrverdienst 20 Prozent abgeben und bei | |
30 Prozent dementsprechend 30 Prozent. Laut dem DIW ist eine solche | |
Mietensteuer innerhalb der verfassungsrechtlichen Kompetenz des Landes | |
Berlin. Wenn das stimmt, wäre die Steuer eines der wenigen Instrumente, die | |
ohne die Ampelkoalition im Bund umgesetzt werden könnten. | |
Ein weiterer Vorteil sind die Steuereinnahmen: Laut der Studie des DIW ist | |
mit ca. 201 Millionen Euro zusätzlichen Steuereinnahmen zu rechnen. Das ist | |
im Vergleich zum Berliner Haushalt, der im Jahr 2021 32 Milliarden beträgt, | |
zwar nicht unglaublich viel, es wäre aber doch genug, um 100.000 Wohnungen | |
mit durchschnittlich 66 Quadratmetern um 2,50 Euro pro Quadratmeter | |
billiger zu machen, so das DIW. Der Senat könnte diese Summen natürlich | |
auch in den sozialen Wohnungsbau stecken. | |
Die Mietsteuer könnte zudem als wirksame Ergänzung der Mietpreisbremse | |
genutzt werden. Ein großes Problem mit Letzterer ist, dass die Miethöhe | |
zwar rechtlich gedeckelt ist, aber auch ohne die zahlreichen Schlupflöcher | |
– zum Beispiel die möblierte Vermietung – die MieterInnen ihre Rechte nur | |
sehr selten durchsetzen. Die Mietsteuer würde all diejenigen VermieterInnen | |
treffen, die den Mietspiegel verletzen, wäre dabei aber nicht auf die | |
Initiative der MieterInnen angewiesen. | |
## 40 Prozent der MieterInnen zahlen über dem Mietspiegel | |
Niklas Schenker, seit dieser Wahlperiode Abgeordneter der Linken mit dem | |
Fokus auf Mietenpolitik, unterstützt die dem Vorschlag zugrunde liegende | |
Intention: „Gewinne aus dem Immobilienbereich abzuschöpfen, um damit den | |
kommunalen Wohnungsneubau anzukurbeln.“ Er warnt allerdings davor, dass | |
eine solche Steuer auf die MieterInnen umgelegt werden könnte. | |
Das DIW sieht diese Gefahr nicht. Der Mitverfasser der Studie, Stefan Bach, | |
meint, dass sowohl aus rechtlichen als auch ökonomischen Gründen eine | |
Umwälzung der Kosten auf die MieterInnen sehr schwer vorstellbar wäre. | |
Erstens seien die besteuerten Mieten ja bereits [4][über dem Mietspiegel], | |
das heißt, eine Erhöhung wäre in vielen Fällen gar nicht rechtens. Hier | |
stellt sich allerdings die Frage, warum VermieterInnen, die eh schon über | |
dem Mietspiegel vermieten, jetzt vor einer weiteren Erhöhung | |
zurückschrecken sollten. | |
Für entscheidender hält der Wissenschaftler das ökonomische Argument: Die | |
Mieten seien schlicht an ihrer Obergrenze. Noch mehr könne kein Mensch | |
zahlen. Deshalb könnten die VermieterInnen die neue Steuer auch nicht | |
einfach auf die Miete draufhauen. Zumal sie ja auch Gefahr laufen würden, | |
dadurch in den nächst höheren Steuerrahmen zu fallen. Interessant an der | |
Studie sind neben dem Vorschlag auch die erhobenen Daten. So wurde | |
ermittelt, dass ungefähr 21 Prozent der MieterInnen in Berlin mehr als 130 | |
Prozent der örtlichen Vergleichsmiete zahlen. Insgesamt zahlen sogar mehr | |
als 40 Prozent der MieterInnen eine Miete, die über dem Mietspiegel liegt. | |
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die neue Regierung noch auf die | |
Mietensteuer als ergänzendes Instrument besinnen wird. Katrin Schmidberger, | |
die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, findet den Vorschlag | |
„interessant“. Auch die SPD gibt an, dem Vorschlag grundsätzlich offen | |
gegenüberzustehen. Aber insbesondere für Linke und Grüne scheint klar: | |
Ausreichen wird eine Mietensteuer nicht. Niklas Schenker stellt der taz | |
gegenüber fest: „eine Alternative zur Mietpreisbremse oder gar Enteignung | |
ist die Mietsteuer nicht“. Als ergänzendes Instrument aber könne sie | |
nützlich sein, sofern ein „überzeugendes Konzept“ zum Schutz der | |
MieterInnen vor Umwälzung vorliege. Das sei in der Studie aber noch nicht | |
zu finden. | |
23 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5816786 | |
[2] /Gerichtsentscheidung-zum-Vorkaufsrecht/!5815067 | |
[3] /Die-Wahl-fuer-Mieterinnen/!5802594 | |
[4] /Florian-Schmidt-ueber-Gentrifizierung/!5798269 | |
## AUTOREN | |
Hanno Rehlinger | |
## TAGS | |
Mietenwahnsinn | |
Mietendeckel | |
Mietenpolitik | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Hamburg | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Vorkaufsrecht | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Steuer für Vermieter: SPD will Weimarer Verhältnisse | |
Wie vor 100 Jahren sollen die Vermieter herangezogen werden, um den | |
Wohnungsneubau zu finanzieren. Senat prüft Idee einer progressiven | |
Mietensteuer. | |
Hamburger Mieten steigen stark: Der ambivalente Mietenspiegel | |
Hamburgs Mieten haben laut der offiziellen Erhebung kräftig zugelegt. | |
Bremen führt dieses Instrument neu ein und verhandelt über die | |
Ausgestaltung. | |
Forderungen an Rot-Grün-Rot in Berlin: Initiativen wollen mitreden | |
Bis Ende der Woche wollen SPD, Grüne und Linke ihren Koalitionsvertrag | |
fertig haben. Was muss rein? Die taz hat in der Zivilgesellschaft | |
nachgefragt. | |
Mietenproteste in Berlin: Der Kiezdrache fletscht seine Zähne | |
Eine Demo in Kreuzberg fordert mehr Mieter:innenschutz. Der Bund soll ihrem | |
Drachen den Zahn des Vorkaufsrechts zurückgeben. | |
Politischer Druck auf Franziska Giffey: SPD-Basis für Volksentscheid | |
Die SPD-Kreise Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg machen sich für | |
Vergesellschaftung stark. Wie stark ist die Initiative an der Kommission | |
beteiligt? |