| # taz.de -- Die Wahl für Mieter:innen: Nur die Linke will den Deckel | |
| > Die Wohnungsnot in vielen Städten ist groß: CDU und FDP wollen vor allem: | |
| > Bauen. SPD, Grüne und Linke wollen auch noch höhere Mieten begrenzen. | |
| Bild: Mit dem Deckel auf dem Kopf zur Demo für den Mietendeckel | |
| Berlin taz | Angemessen zu wohnen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. | |
| Für Mieter:innen sieht die Realität vor allem in deutschen Großstädten | |
| aber anders aus: Die Mieten steigen, eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist | |
| für viele sehr schwierig geworden. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt | |
| in Deutschland zur Miete, in Städten ist der Anteil noch viel höher. | |
| [1][Rund 14 Prozent der Bevölkerung waren 2019 durch Wohnkosten | |
| überbelastet] – das heißt, dass sie mehr als 40 Prozent ihres | |
| Nettoeinkommens für die Miete aufbringen. Wer keine größere Wohnung findet, | |
| rückt also näher zusammen. [2][2019 lebten rund 6,4 Millionen (7,8 Prozent) | |
| Menschen in überbelegten Wohnungen,] sprich auf zu engen Raum zusammen – | |
| das betraf 340.000 Menschen mehr als im Vorjahr. | |
| Haushalte mit niedrigem Einkommen trifft die Wohnungsnot besonders hart: | |
| [3][Es fallen immer noch mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue | |
| entstehen.] Mehr noch: Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können | |
| werden, werden zwangsgeräumt – selbst in der Coronapandemie. [4][Mindestens | |
| 30.0000 Zwangsräumungen haben im Jahr 2020 stattgefunden.] Dabei hieß es ja | |
| gerade in der Pandemie: Zuhause bleiben und andere schützen. Für Obdachlose | |
| galt das ohnehin nie. | |
| Dass etwas getan werden muss, darin sind sich alle Parteien einig. Nur in | |
| den Methoden, wie Wohnen wieder bezahlbar werden kann, da gehen die | |
| Vorstellungen auseinander. Union und FDP setzen vor allem auf schnelleres | |
| Bauen, weniger Bürokratie und mehr Eigentumsbildung. Mietendeckel und | |
| Enteignungen sind für sie Teufelszeug. „Der beste Mieterschutz ist und | |
| bleibt ausreichender Wohnraum“, heißt es im Unionsprogramm. | |
| Vielleicht verfolgt die Partei aber auch andere Interessen: 2020 flossen | |
| 1,25 Millionen Euro Großspenden aus der Immobilienbranche zur CDU. Das Ziel | |
| der Union ist jedenfalls: Bis 2025 sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen | |
| entstehen. | |
| Damit das klappt, sollen Investitionsanreize zum Mietwohnungsbau gesetzt | |
| werden. Ein ähnliches Ziel verfolgt auch die FDP. Bauen soll vor allem | |
| günstiger und schneller werden. Zudem wollen die Freien Demokraten noch ein | |
| bisschen mehr Markt wagen: Die Mietpreisbremse wollen sie abschaffen und | |
| einen bundesweiten Mietendeckel verhindern – womit sie wohl eher den | |
| Vermieter:innen helfen dürften. | |
| Die Aufregung war groß, als das [5][Bundesverfassungsgericht im April | |
| dieses Jahres den Berliner Mietendeckel] kippte. Über zehntausend Menschen | |
| gingen in der Hauptstadt auf die Straße. Der Mietendeckel war das | |
| Prestigevorhaben der Berliner Landesregierung, er deckelte nicht nur für | |
| einen begrenzten Zeitraum, sondern machte auch Mietsenkungen möglich. Doch | |
| das Verfassungsgericht kippte den Deckel mit der Begründung, dass der Bund | |
| zuständig sei für das Mietpreisrecht. | |
| In den Wahlprogrammen findet sich die Idee [6][eines bundesweiten | |
| Mietendeckels nur bei der Linkspartei] wieder. Wie beim Berliner Modell | |
| will sie Mieten nicht nur deckeln, sondern zu hohe Mieten auch absenken. | |
| Grüne und SPD wollen zwar auch Regulierungsmaßnahmen, um die | |
| Mietenexplosion zu begrenzen, gehen aber nicht so weit wie die Linke. Die | |
| SPD will in angespannten Wohnlagen ein zeitlich befristetes | |
| Mietenmoratorium einführen, mit dem Mieten nur im Rahmen der Inflationsrate | |
| erhöht werden können. Die Grünen sprechen sich für ein bundeseinheitliches | |
| Konzept aus, um Mietobergrenzen zu ermöglichen. Reguläre Mieterhöhungen | |
| sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden. | |
| SPD und Grüne wollen zusätzlich die Mietpreisbremse entfristen und | |
| nachbessern, während die Linkspartei in angespannten Wohnungsmärkten einen | |
| Mietenstopp für bestehende Mietverträge fordert. Kommunen sollen dafür | |
| ermächtigt werden, einen angespannten Wohnungsmarkt festzustellen. | |
| Worin sich die drei Parteien einig sind: Sie wollen eine neue | |
| Wohngemeinnützigkeit einführen, um ein nicht-profitorientiertes | |
| Wohnungssegment aufzubauen. Zudem wollen alle das kommunale Vorkaufsrecht | |
| stärken. Die Linkspartei möchte, dass 250.000 Sozialwohnungen pro Jahr | |
| entstehen. Außerdem fordert sie überall einen prozentualen Mindestanteil | |
| von Sozialwohnungen, um eine soziale Mischung in Vierteln zu erhalten. Die | |
| SPD strebt 100.000 neue Sozialwohnungen jährlich an, die Grünen wollen 1 | |
| Million in den nächsten 10 Jahren. | |
| Auch die Union möchte den Sozialen Wohnungsbau weiter fördern, bleibt aber | |
| vage. Sie will beim Sozialen Wohnungsbau mit den Ländern erörtern, ob diese | |
| auf jeden Euro vom Bund mindestens einen Euro drauflegen und zweckgebunden | |
| einsetzen. Die FDP weist lediglich darauf hin, dass nur die Menschen eine | |
| Sozialwohnung beziehen sollten, die auf dem freien Markt keine Chance | |
| haben. | |
| ## SPD, Grüne und Linke fordern ein Immobilienregister | |
| Insgesamt ist die Wohnungspolitik im linken Lager deutlich | |
| gemeinwohlorientierter als im rechten Lager. SPD, Grüne und Linke wollen | |
| explizit Obdachlosigkeit in Deutschland bekämpfen, während Union und FDP | |
| das Problem in ihren Programmen erst gar nicht aufgreifen. Grüne und Linke | |
| sprechen sich in ihren Programmen auch explizit gegen Zwangsräumungen in | |
| die Obdachlosigkeit aus. Damit niemand seine Bleibe verlieren muss, wollen | |
| die Grünen bei krisenbedingten Einkommensausfällen, dass Mieter:innen | |
| und Kreditnehmer:innen durch die KfW-Bank finanziell unterstützt | |
| werden. Vermieter:innen, die auf ihre Mietzahlungen angewiesen sind, sollen | |
| in diesem Fall auch staatlich unterstützt werden. | |
| SPD, Grüne und Linke fordern ein Immobilienregister, um mehr Transparenz in | |
| den Eigentumsverhältnissen zu schaffen. Linke und Grüne wollen die | |
| Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen weiter beschränken, mit denen | |
| Mieter:innen oftmals aus ihren Wohnungen gedrängt werden. | |
| Eigenbedarfskündigungen durch Vermieter:innen sollen erschwert und der | |
| Milieuschutz erweitert werden. | |
| Bei einem Ziel steigt aber überraschenderweise auch die FDP mit ein: SPD, | |
| Grüne, Linke und Liberale wollen alle gegen sogenannte Share Deals | |
| vorgehen, mit denen große Immobilienfirmen durch legale Steuertricks die | |
| Grunderwerbssteuer umgehen. | |
| Bei manchen Themen bleibt die Linkspartei dennoch allein: Sie unterstützt | |
| als einzige Partei [7][die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen] und | |
| schlägt ein Vergesellschaftungsgesetz vor, mit dem Wohnungen, Grund und | |
| Boden großer Wohnungsgesellschaften in öffentliches Eigentum überführt | |
| werden können. Zudem fordert die Linke als einzige das Recht auf | |
| Mietstreik. | |
| 22 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/10/PD20_428_639.h… | |
| [2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/11/PD20_N079_634.… | |
| [3] /Bezahlbare-Mieten-in-Deutschland/!5783889 | |
| [4] /Zahlen-zu-Zwangsraeumungen-2020/!5800943 | |
| [5] /Verfassungsgericht-kippt-Mietendeckel/!5766645 | |
| [6] /Entwurf-der-Linken-zu-Mietendeckel/!5792867 | |
| [7] /Entschaedigung-der-Wohnungskonzerne/!5794682 | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
| ## TAGS | |
| Mietendeckel | |
| Mieten | |
| Wohnungspolitik | |
| Die Linke Berlin | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Mieten | |
| Andrej Holm | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Mietendeckel | |
| IG | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Grunderwerbssteuer in Berlin: Spekulation besteuern | |
| Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer in Berlin steigen. Dabei ist der | |
| Steuersatz nach wie vor niedriger als anderswo. Das soll sich ändern. | |
| FDP bei der Bundestagswahl: Bloß nicht mehr lindnern | |
| Die FDP kommt bei der Wahl wohl auf knappe 12 Prozent – die Chance einer | |
| Regierungsbeteiligung ist groß. Zur Freude von Chef Lindner. | |
| Wohnen im Wahlkampf: Die neue soziale Frage | |
| Die Wohnungsfrage ist so alt wie der Kapitalismus. Aktuell kämpfen | |
| Mieter:innen darum, das Wohnen dem Markt zu entziehen. | |
| Experten über bundesweiten Mietendeckel: „Neu justiert, was es schon gab“ | |
| Ein bundesweiter Mietendeckel ist möglich, sagen der Soziologe Andrej Holm | |
| und Anwalt Benjamin Raabe. Sie haben für die Linke ein Konzept entwickelt. | |
| Deutsche Wohnen & Co enteignen: Radikales Ziel, realistischer Weg | |
| Am 26. September wird in Berlin über die Vergesellschaftung von 240.000 | |
| Wohnungen abgestimmt. Wie wurde ein linkes Thema zur Massenkampagne? | |
| Berliner Bundesratsinitiative: Mietendeckel vom Bund verlangt | |
| Der Senat will die Möglichkeit für die Länder, einen Mietendeckel | |
| einzuführen. Dafür geht er nun den Weg über die Länderkammer. | |
| Wohnungslos trotz Job: Feierabend in der Notunterkunft | |
| Immer mehr Erwerbstätige in den Städten können sich kein eigenes Zuhause | |
| leisten. Gibt es in Deutschland eine neue Form der „Working Poor“? |