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# taz.de -- Die Grünen streiten über das Kabinett: Ein neuer Flügelstreit
> Eigentlich wollten die Grünen am Donnerstagnachmittag ihre
> Minister:innen präsentieren. Doch über die Ämter brach ein harter
> Kampf aus.
Bild: Für Annalena Baerbock und Robert Habeck ist alles klar: Sie haben ihre P…
Eigentlich sollten bei den Grünen die Mitglieder ab Donnerstag über den
Koalitionsvertrag abstimmen können, zum Auftakt dazu war am Nachmittag ein
Bund-Länder-Forum angesetzt – in derselben alten Lagerhalle im Berliner
Westhafen, in der sich am Tag zuvor die neue Koalition präsentiert hatte.
Doch die gute Stimmung vom Vortag scheint vorbei. Die Abstimmung wurde um
einen Tag verschoben. Der Grund: In der Partei ist ein heftiger Streit um
die Besetzung der Ministerien ausgebrochen.
Diese sollten eigentlich am Donnerstagnachmittag vor Beginn des
Bund-Länder-Forums der Presse verkündet werden – doch zu diesem Zeitpunkt
gab es noch keine Einigung. Stattdessen sollte sich der Parteirat am späten
Nachmittag noch einmal treffen und die Personalien weiter beraten. „Morgen
früh werden die Namen hinter den Ressorts stehen“, musste Robert Habeck in
seiner Rede sagen. Er zumindest ist, wie auch Co-Chefin Annalena Baerbock,
als Minister:in gesetzt.
Noch bevor die Grünen in die Regierung ziehen, ist der alte Flügelkonflikt,
der eingehegt war, wieder da. Ausgebrochen war er an der Frage: Bekommt der
Fraktionschef und Parteilinke Toni Hofreiter ein Ministerium? Oder der
ehemalige Parteichef und Realo Cem Özdemir?
Hofreiter galt lange als gesetzt, er sollte eigentlich das Verkehrsressort
bekommen, das nun aber an die FDP gegangen ist. Der promovierte Biologe
könnte aber auch Umwelt oder Landwirtschaft übernehmen. Doch das war am
Donnerstag zum Entsetzen der Parteilinken plötzlich nicht sicher. Das
Problem: Hofreiter wäre damit nach Habeck der zweite Mann unter fünf grünen
Minister:innen und damit wäre für die Männer hier eigentlich Schluss.
## Plötzlich kursierte der Name Cem Özdemir
Doch plötzlich war eben auch der ehemalige Parteichef Cem Özdemir im Spiel.
Özdemir ist einer der bekanntesten und beliebtesten Politiker der Grünen,
der bei der Bundestagswahl mit großer Mehrheit ein Direktmandat in
Stuttgart geholt hat. Mit ihm wäre ein Minister im Kabinett vertreten, der
aus einer Familie mit Migrationsgeschichte kommt. Doch Özdemir hat gleich
zwei Probleme: Er gehört, wie Baerbock und Habeck, zum Realoflügel und
seine Schwerpunkte sind Verkehr und Außenpolitik, was eigentlich nicht
recht zu den offenen Ressorts passt. Am Nachmittag aber meldeten
verschiedene Medien: Hofreiter sei raus, es werde Özdemir. Dann hieß es,
noch sei nichts entscheiden. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe lag noch
keine Einigung vor.
Beim Bund-Länder-Forum aber verteidigte Hofreiter erst einmal den
Koalitionsvertrag: Es sei wichtig, dass die Grünen „mit Kraft und geeint an
die Regierung kommen“. Hofreiter, der sonst stets ministrabel in Anzug
auftritt, hatte dabei ein T-Shirt mit einer lustigen Möwe drauf und eine
Lederjacke an.
Gehandelt wurden zudem zwei Frauen: Katrin Göring-Eckardt, die aus
Thüringen stammt und wie Hofreiter Fraktionschefin ist, wollte eigentlich
Bundespräsidentin werden. Doch weil dort wohl Frank-Walter Steinmeier
bleiben wird, will sie jetzt ins Kabinett. Doch Göring-Eckardt gehört auch
zu den Realos und könnte deshalb den Kürzeren ziehen, wenn Özdemir kommt.
Zwischendurch hieß es, auch Göring-Eckardt sei raus, doch bestätigt wurde
dies bis Redaktionsschluss nicht.
Die zweite Frau ist die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke – und auch dies
ist eine Überraschung. Lemke, die aus Sachsen-Anhalt stammt, war von 2002
bis 2013 war die Parteilinke Bundesgeschäftsführerin. Nach der
Bundestagswahl 2013, bei der die Grünen wegen der Themen Steuererhöhungen
und Pädophilie unter Beschuss gerieten und nur 8,4 Prozent holten, musste
Lemke ihren Posten räumen. Lemkes Schwerpunkt: Naturschutz.
## Am Abend wurde weitergerungen
Klar zumindest ist, dass Habeck in der Regierung künftig die erste Geige
der Grünen spielen wird. Das war ihm bereits am Mittwoch auch anzumerken.
Bei der Vorstellung der Koalition sprach der Grünen-Chef nach Olaf Scholz,
dem Kanzler in spe, er ergriff häufiger als die Co-Vorsitzende und
ehemalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock das Wort, und als SPD-Chefin
Saskia Esken offenbar früher als abgesprochen zu reden begann, ging Harbeck
dazwischen: „Jetzt ist Annalena dran.“
Habeck wird in der Ampel-Koalition der Vizekanzler sein und das Ressort
Wirtschaft und Klimaschutz übernehmen, ein Schlüsselministerium für die
Partei. Für seinen neuen Job bringt er Erfahrungen unter anderem aus sechs
Jahren als schleswig-holsteinischer Minister für Energiewende, Umwelt,
Landwirtschaft und Digitalisierung mit.
Wie schon 1998 werden die Grünen das Auswärtige Amt besetzen, Baerbock wird
Außenministerin. Sie ist damit die erste Frau auf diesem Posten. Baerbock
studierte unter anderem Völkerrecht und arbeitete für eine
Europaabgeordnete. Als Kanzlerkandidatin hatte sie in einem der
Fernsehduelle gesagt, ihre erste Reise würde sie nach Brüssel führen. Das
dürfte auch als Außenministerin gelten. Auch im Außenamt soll der
Schwerpunkt auf Klimaschutz liegen.
Darüber hinaus werden die Grünen die Ministerien für Umwelt, Landwirtschaft
und Familie besetzen und den oder die Staatsminister:in für Kultur und
Medien. Am Abend rangen die Grünen noch darüber, wer diese Posten bekommen
wird.
25 Nov 2021
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Ampel-Koalition
Cem Özdemir
Robert Habeck
GNS
Bündnis 90/Die Grünen
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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Grüne Berlin
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