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# taz.de -- Nachrichten zur Ampel-Koalition: Özdemir wird Landwirtschaftsminis…
> Die Grünen haben ihre Minister*innen benannt. Robert Habeck wird
> Vizekanzler. Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt gehen leer aus.
Bild: Also doch: Cem Özedemir soll der neue Landwirtschaftsminister werden
## Ergebnis nach stundenlangen Beratungen
Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir soll in einer künftigen Bundesregierung
mit SPD und FDP Agrarminister werden. Das teilten die Grünen nach
stundenlangen Beratungen im Vorstand am Donnerstagabend mit. Vorausgegangen
war ein erbittertes Ringen zwischen Realos und linkem Flügel um die
Verteilung der Kabinettsposten.
Der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter vom linken Flügel ist nicht Teil
des Personaltableaus an Spitzenämtern, über das die 125.000
Grünen-Mitglieder ab diesem Freitag gemeinsam mit dem Koalitionsvertrag
abstimmen sollen. Er galt eigentlich als gesetzt, fällt nun aber zugunsten
Özdemirs aus. Auch Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ist nicht Teil
der Aufstellung.
Grünen-Chef Robert Habeck wird Vizekanzler sowie Klima- und
Energieminister. Co-Chefin Annalena Baerbock wird wie erwartet
Außenministerin. Das Umweltministerium soll die frühere
Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke übernehmen. Die rheinland-pfälzische
Klimaministerin Anne Spiegel soll Familienministerin werden – ein Amt, das
sie zuvor auf Landesebene ebenfalls schon inne hatte. Die aktuelle
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth soll Staatsministerin für Kultur und
Medien werden. (dpa)
## Ringen um Minister*innenposten
Die Nominierung der Grünen-Minister in der künftigen Ampel-Regierung
verzögert sich. Die Namen wurden zunächst noch nicht wie ursprünglich
erwartet auf dem Bund-Länder-Forum genannt, das am Donnerstag in Berlin
begann. Parteichef Robert Habeck sagte auf der Veranstaltung, die
entsprechende Liste solle erst am Freitag bekanntgegeben werden.
Es wurde in der Partei aber auch für möglich gehalten, dass die Namen doch
noch im Laufe des Donnerstags veröffentlicht werden. Habeck machte
deutlich, dass seine Ko-Parteichefin Annalena Baerbock „mit großer
Wahrscheinlichkeit“ das Auswärtige Amt übernehmen werde.
Habeck selbst ist für das Amt des Ministers für Klimaschutz und Wirtschaft
im Gespräch und soll außerdem Vizekanzler werden. Ansonsten bekommen die
Grünen noch die Ressorts für Umwelt und Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft sowie Familie, nicht jedoch für das von ihnen erhoffte
Verkehrsressort. Dieses soll die FDP übernehmen. „Wir hätten gerne ein paar
Ministerien mehr gehabt, aber die anderen müssen ja auch etwas haben“,
sagte Habeck.
Die zuständigen Gremien sollten nach dem Bund-Länder-Forum weiter beraten,
um die Personalfragen zu klären. Habeck appellierte an die
Grünen-Mitglieder, bei der bevorstehenden Urabstimmung für den mit SPD und
FDP ausgehandelten Koalitionsvertrag zu stimmen. „Lasst uns Deutschland
regieren“, sagte der Parteichef.
Zuvor hatte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner zu den ausstehenden
Personalentscheidungen gesagt: „Die Beratungen dauern noch an“, Ergebnisse
seien „im Laufe des Tages zu erwarten“. Es gebe noch „gründliche
Beratungen“.
Die Personalentscheidungen, die vom Bundesvorstand sowie dann vom Parteirat
der Grünen getroffen werden sollen, seien „eine durchaus anspruchsvolle
Aufgabe“, sagte Kellner. Zu Details wollte er sich jedoch nicht äußern. Die
Gremien hätten ihre Beratungen für das bis 17.30 angesetzte
Bund-Länder-Treffen unterbrochen, sollten danach aber erneut
zusammentreten. (afp)
## Kritik aus Journalist*innensicht
Aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) weist der von den
Ampelparteien vorgelegte Koalitionsvertrag einige Lücken im Bereich
Journalismus und Medien auf. So mangele es an klaren Aussagen zur
Zukunftssicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kritisierte die
Gewerkschaft am Donnerstag in Berlin. Zudem fehle in dem Papier die
Einführung eines Verbandsklagerechts zur Durchsetzung von Urheberrechten.
SPD, Grüne und FDP versprechen in dem am Mittwoch veröffentlichen
Koalitionsvertrag unter anderem bessere Auskunftsansprüche für die Presse
auf Bundesebene. Die Einführung eines einheitlichen Presseauskunftsrechts
auf Bundesebene war bereits Teil des Koalitionsvertrages der amtierenden
Regierung, scheiterte aber am Widerstand aus der Union.
Darüber hinaus versprechen die künftigen Koalitionäre, Fördermöglichkeiten
zu prüfen, um eine „flächendeckende Versorgung mit periodischen
Presseerzeugnissen“ zu gewährleisten. Ferner heißt es: „Den erfolgreichen
Ausbau der Deutschen Welle und der Deutsche-Welle-Akademie setzen wir
fort.“ Zudem will sich die Ampel-Koalition für den Schutz von
Journalistinnen und Journalisten einsetzen und Rechtssicherheit für
gemeinnützigen Journalismus schaffen.
Der DJV sprach sich zusätzlich für eine Neuauflage der ursprünglich von der
noch geschäftsführenden Regierung geplanten Presseförderung in Höhe von 220
Millionen Euro aus. Diese war im April gescheitert. Laut Gewerkschaft
sollten bei einer solchen Förderung journalistische Qualitätskriterien im
Mittelpunkt stehen.
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger hatte bereits am
Mittwoch an die künftigen Regierungsparteien appelliert, die im
gescheiterten Förderpaket enthaltene Zustellförderung für Zeitungen in
Angriff zu nehmen. In anderen europäischen Ländern werde dies bereits seit
Jahren praktiziert. (epd)
## Wohnungslose begrüßen Bauprogramm der Ampel-Koalition
Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen begrüßt den Plan der
Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen, nach dem jährlich 400.000 neue
Wohnungen gebaut werden sollen. Davon sollen 100.000 als geförderte
Sozialwohnungen entstehen. Außerdem soll die Mietpreisbremse verlängert
werden. Allerdings müsse rechtlich mehr getan werden, forderte am
Donnerstag die Initiative im niedersächsischen Freistatt.
So müsse der Paragraph 13 im Grundgesetz durch den Satz ergänzt werden:
„Jeder Mensch hat das Recht auf eine Wohnung.“ Überdies forderte die
Selbstvertretung eine dauerhafte Sozialbindung von Wohnraum. Außerdem müsse
eine Zwangsräumung in die Wohnungslosigkeit gesetzlich ausgeschlossen
werden. In den Bauvorhaben der öffentlichen Hand müssten wohnungslose
Menschen stärker einbezogen werden. Hilfen für Obdachlose müsse die neue
Koalition bundesweit einheitlich organisieren und außerdem einen
Obdachlosenbeauftragten einsetzen.
In Deutschland leben nach Angaben der Selbstvertretung 678.000 Menschen
ohne eine eigene Wohnung, davon 19.000 Kinder. 11,7 Prozent der Menschen
ohne Wohnung hätten einen Job. Der Anteil habe sich in den vergangenen zehn
Jahren verdoppelt. Erwerbstätige Frauen seien häufiger von
Wohnungslosigkeit betroffen als erwerbstätige Männer. Dabei seien häufig
prekäre Arbeitsverhältnisse der Ausgangspunkt für Mietschulden und
Wohnungslosigkeit.
Die Ampel strebt laut Koalitionsvertrag einen „Aufbruch in der Bau-,
Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik“ an. Das Bauen und Wohnen der
Zukunft solle „bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ
und mit lebendigen öffentlichen Räumen“ gestaltet werden. Um diese Ziele zu
verfolgen, soll ein eigenes Bauministerium eingerichtet werden. (epd)
## Grüne Jugend: Klimapolitik geht besser
Der Bundessprecher der Grünen Jugend Timon Dzienus blickt „mit gemischten
Gefühlen“ auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. „Nach 16
Jahren Stillstandspolitik der Union kommen wir an vielen Stellen voran und
es gibt einen klaren gesellschaftspolitischen Aufbruch, beispielsweise
durch die Abschaffung des Paragrafen 219a, durch die Cannabis-Legalisierung
und die Abschaffung des Transsexuellen-Gesetzes“, sagte Dzienus im
phoenix-Interview. In der Klima- und Sozialpolitik habe er allerdings mehr
erwartet. Gerade mit Blick auf die Paris-Ziele gebe es viele Fragezeichen:
“Für uns ist ganz wichtig, dass das Pariser Klimaabkommen eingehalten wird
und im Zweifelsfall auch über den Koalitionsvertrag hinaus nachgeschärft
wird. Denn diese Klimaziele müssen wir jetzt unbedingt erreichen“, so
Dzienus.
Die neue Ampel-Koalition bezeichnete der Grüne Jugend-Sprecher als eine
Koalition der Kompromisse. „Aber klar muss sein, mit dem Klima kann man
nicht einfach so Kompromisse machen. Alles CO2 das ausgestoßen ist, das ist
ausgestoßen und wird dafür sorgen, dass das Klima sich weiter erhitzt.“
Besondere Sorge bereite ihm der Verkehrsbereich. “Der Umstieg auf die
E-Mobilität ist notwendig, gerade mit Blick auf die ländliche Region, aber
das ist keine Verkehrswende“, so der Grüne Jugend-Sprecher und forderte
„mutige Investitionen in Bus, Bahn und Fahrradinfrastruktur“.
Viele Dinge seien noch offen formuliert, “da werden wir natürlich auch über
die nächsten Jahre Druck machen, auch gerade mit der Zivilgesellschaft und
den vielen Initiativen vor Ort, dass sich da endlich etwas bewegt und auch
im Verkehrsbereich die Klimaziele eingehalten werden“. Die Verkehrspolitik
stelle immer noch die Bedürfnisse von Autos in den Mittelpunkt. “Wir werden
dafür streiten, dass endlich die Bedürfnisse von Menschen in den
Mittelpunkt gestellt werden, dass wir eine klimagerechte, sozialgerechte
Verkehrswende schaffen, wo alle Leute mobil sind, auch auf dem Land“, so
Dzienus. Die Menschen müssten für sich den Vorteil erkennen auf Bus, Bahn
und Fahrrad umzusteigen. (ots)
## Lufthansa hat positives Feedback für die Ampel
Die Lufthansa begrüßt einige Punkte im Koalitionsvertrag. Der
Airline-Gruppe ist besonders wichtig, dass sie im Wettbewerb mit
nicht-europäischen Airlines nicht durch die geplanten strengeren
Klimaschutzregeln in der EU benachteiligt wird. „Die neue Bundesregierung
stellt auch beim Luftverkehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz ins Zentrum,
bekennt sich aber klar zu wettbewerbsneutralen Konzepten und strebt
internationale Regulierungen an. Das ist richtig. Denn im global agierenden
Luftverkehr nutzen auch der Umwelt Regelungen nichts, die heimische
Unternehmen einseitig belasten. Der Koalitionsvertrag enthält wichtige
Weichenstellungen für Zukunftstechnologien im Luftverkehr. Positiv ist,
dass die Mittel aus der Luftverkehrsteuer künftig in die Förderung
nachhaltiger Flugkraftstoffe fließen sollen. Das ist ein echter Beitrag zum
Klimaschutz. Damit werden Abgaben, die Passagiere und Unternehmen im
Luftverkehr aufbringen, zielgerichtet für die Transformation der Branche
eingesetzt.“ (rtr)
## Haseloff kritisiert Kohleausstieg
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat den geplanten
vorzeitigen Kohleausstieg im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP im
Bund kritisiert. Haseloff sagte dem MDR am Donnerstag, die Passage, wonach
der Kohleausstieg idealerweise bis 2030 erfolgen solle, sei für die
Menschen enttäuschend und verunsichernd. „Das ist ein Signal an die
Menschen, dass man Politik nur bedingt trauen kann.“
Beim Ausbau erneuerbarer Energien habe Sachsen-Anhalt seine Ziele vor
vielen anderen Ländern erreicht, betonte der Ministerpräsident. „Es hängen
gerade die Länder, die im Süden sind, hinterher – unter anderem
Baden-Württemberg, das grün regiert wird. Und da hat sich in den letzten
Jahren so gut wie nichts getan“, kritisierte der CDU-Politiker. „Beim
Ausbau der Windenergie sind mal die dran, die noch erheblichen
Nachholebedarf haben.“
Haseloff hatte zuletzt mehrfach vor einem vorzeitigen Kohleausstieg gewarnt
und dafür geworben, am vereinbarten Ziel 2038 festzuhalten. Ein
vorgezogener Kohleausstieg sei derzeit nicht denkbar, es sei denn, man
kaufe Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen, sagte der
Ministerpräsident.
Grünen-Landeschef Sebastian Striegel verteidigte bei Twitter die Pläne der
Ampel-Parteien. „Die einen gestalten den Aufbruch. Die anderen verbreiten
den Mehltau der Vergangenheit. Ich glaube an dieses Land und seine
Menschen. Und bin sicher, wir schaffen den Neuanfang“, sagte Striegel.
(dpa)
## Brinkhaus sieht fehlendes Finanzkonzept
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus wirft den Ampel-Parteien vor, sie
hätten ihren Koalitionsvertrag nicht finanziell untermauert. Im
Deutschlandfunk sagt der CDU-Politiker, er frage sich, wo die Mittel
herkommen sollen für Rentenversprechen, Bürgergeld, Kindergrundsicherung
sowie mehr Geld für Bildung, Forschung und Investitionen. Es fehle in dem
Koalitionsvertrag ein seriöses Finanztableau. „Das halte ich für
fahrlässig.“ Zudem kritisiert Brinkhaus „diese brutale Offenheit im Bereich
Migration“. Er habe große Sorge, dass das ein. (rtr)
## Verband Bitkom sieht FDP als geeignet an
Der Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue
Medien (Bitkom) begrüßt, dass das Ressort Digitalisierung an die FDP gehen
soll, als die Partei, “die sich mit einer umfassenden Digital-Kompetenz
ausgestattet und das Thema im Wahlkampf am stärksten gemacht hat“, so der
Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder bei phoenix. “Was wir uns erwarten,
ist, dass der neue, der künftige Minister für Digitalisierung auch eine
starke Position und Rolle in der neuen Bundesregierung hat und mit den
Rechten und Ressourcen ausgestattet wird, die er braucht, um auch die
anderen Ressorts digital zu aktivieren, zu motivieren und zu einem
gemeinsamen Ziel zu führen“, so Rohleder. Er sei überzeugt, dass von der
künftigen Ampel-Regierung ein wichtiger Schub für die Digitalisierung im
Land ausgehen könne. Die Ampel-Koalition habe sich etwa bei der
Beschleunigung von Verwaltungsverfahren,die bisher ein großes Hemmis
darstellten, sehr ambitionierte Ziele gesetzt, sagte Rohleder. “Diese
Verfahren sollen beschleunigt werden, sie sollen halbiert werden, und wenn
das gelingt, kommen wir auch mit der Digitalisierung sehr viel schneller
voran“, so Rohleder. Auch die vorgesehene Verschlankung des
Datenschutzrechts, von 18 verschiedenen Datenschutzaufsichtsstellen auf ein
zentrales Datenschutzrecht könne ein weiteres Hemmnis beseitigen.
Von zentraler Bedeutung sei auch, dass dort, wo Politik die größte
Gestaltungsmacht habe, in der Verwaltung und den Schulen, jetzt deutlich
beschleunigt würde. “Dafür gibt es jetzt gute Ansätze, auch mit einem
Dgital-Pakt-2 für die Schulen. Wenn es der Bundesregierung gelingt, die
Ziele, die sie sich jetzt setzt, auch kurzfristig umzusetzen, spätestens
innerhalb der ersten zwei Jahre, dann glaube ich, reden wir hier in zwei
Jahren über ganz andere Themen als nur über die Versäumnisse, über die wir
uns gerade unterhalten müssen“, so Rohleder. (ots)
## Wirtschaft lobt Koalitionsvertrag
Aus der Wirtschaft kommt viel Lob für den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen
und FDP – und auch so manche Kritik. Vieles weise in die richtige Richtung,
sagte [1][Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger] am Mittwoch. Digitalisierung,
Dekarbonisierung und demografischer Wandel verlangten allerdings Antworten
und einen „großen Wurf“, so Dulger. „Dieser ist leider nicht durchgängi…
Koalitionsvertrag erkennbar.“
Unter anderem lobte der BDA-Präsident den Verzicht der Ampel auf
Steuererhöhungen und das Festhalten an der Schuldenbremse. „Leider hat der
Ampel aber der Mut gefehlt, über den Status Quo hinaus neue Freiheiten für
Unternehmen und Beschäftigte zu schaffen und Eigenverantwortung zu
stärken.“
Positiv äußerte sich auch der [2][Arbeitgeberverband Gesamtmetall]. Die
völlig neue Regierungskoalition habe die Chance, einen Ruck durch das Land
gehen zu lassen, sagte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf. „Wir finden
nicht jedes Vorhaben notwendig, nicht jeden gewählten Ansatz
erfolgversprechend und manches fehlt vielleicht auch – aber in Summe haben
die Koalitionäre die Chance genutzt.“
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann begrüßte, dass sich die künftige Regierung der
großen Herausforderung unserer Zeit stelle – der sozial-ökologischen
Transformation. Zudem würden wichtige Themen etwa auf den Feldern
Industriepolitik, aktiver Arbeitsmarktpolitik und Bildung angegangen. Zu
kurz gedacht seien allerdings die Vorschläge zur Weiterentwicklung der
Mitbestimmung. Und die große offene Frage laute: „Wieviel zusätzliche
öffentliche Investitionen sind notwendig und wie sieht ihre Finanzierung
aus? Auf Konkretisierung durch Regierungsrealität sind wir gespannt“, sagte
der Gewerkschaftschef.
Verhaltene Kritik kam aus der deutschen Industrie. Insgesamt enthalte der
Vertrag zu viele vage Absichtserklärungen, sagte Siegfried Russwurm,
Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Hier bleibt
der Löwenanteil der Arbeit noch zu tun.“ Positiv bewertete Russwurm unter
anderem das Ziel eines modernen Staates. Wichtig sei aber, die Umsetzung
„mit großem Ehrgeiz“ voranzutreiben: „Das angekündigte Jahrzehnt der
Zukunftsinvestitionen muss Realität werden.“
Der Koalitionsvertrag sei zwar „von konstruktivem Zukunftsgeist geprägt“,
sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Für die unternehmerische Praxis gebe es
jedoch noch Unsicherheiten. Kritisch sei vor allem „die unklare
Finanzierungsfrage vieler Vorhaben“. (dpa)
## Urabstimmung der Grünen startet
Nach der Einigung der Spitzen von SPD, Grünen und FDP auf einen
Koalitionsvertrag zur Bildung der ersten bundesweiten Ampel-Koalition sind
nun Mitglieder und Delegierte am Zuge. Die Grünen starten dazu bereits an
diesem Donnerstag eine Urabstimmung. Ihre 125 000 Mitglieder sollen nicht
nur über die Vereinbarungen der potenziellen Regierungspartner abstimmen,
sondern auch über das Personaltableau der Grünen für das künftige Kabinett.
Die personelle Aufstellung soll zum Start der Urabstimmung bekanntgegeben
werden. Bei SPD und FDP sollen Anfang Dezember Parteitage den Vertrag
absegnen.
Obwohl in den Koalitionsverhandlungen alle Parteien Abstriche von ihren
Positionen machen und Kompromisse eingehen mussten, geht der designierte
neue Kanzler Olaf Scholz (SPD) davon aus, dass der Vertrag von allen
Parteien gebilligt werden wird. „Ich bin da sehr zuversichtlich. Es ist ein
gutes Ergebnis aus der Sicht aller drei Parteien“, sagte er am
Mittwochabend in einem ARD-„Brennpunkt“. Scholz stellte zudem in Aussicht,
dass das künftige Kabinett zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern
besetzt sein wird. „Ich habe immer gesagt, dass es mir darum geht, dass die
Parität auch im Kabinett gilt. Und ich halte mich an meine Worte.“
Nach dem Zeitplan der drei Parteien soll Scholz in der Woche ab dem 6.
Dezember im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Damit endet nach 16
Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26.
September nicht wieder kandidiert hatte. Deutschland steht vor einer
politischen Zäsur.
Den Auftakt der Urabstimmung bei den Grünen bildet am Nachmittag (ab 16.00
Uhr) ein Bund-Länder-Forum in Berlin, bei dem die Ergebnisse diskutiert
werden. Die Urabstimmung soll zehn Tage dauern und digital oder per Brief
möglich sein. Für die Annahme des Koalitionsvertrags und die Zustimmung zum
Personaltableau sei eine einfache Mehrheit notwendig. Ein Quorum gebe es
nicht, hieß es. Interessant wird sein, ob die Mitglieder insbesondere die
Vereinbarungen zum Klimaschutz als ausreichend erachten oder nicht.
SPD, Grüne und FDP hatten am Mittwoch die Verhandlungen über den
Koalitionsvertrag abgeschlossen. Zwei Monate nach der Bundestagswahl legten
sie damit den Grundstein für die erste Ampel-Bundesregierung. „Die Ampel
steht“, sagte Scholz in Berlin. „Uns eint der Wille, das Land besser zu
machen“, betonte er. Es gehe nicht um eine Politik des kleinsten
gemeinsamen Nenners, „sondern um eine Politik der großen Wirkung“, sagte
Scholz. „Wir wollen mehr Fortschritt wagen.“
Als ein „Dokument des Mutes und der Zuversicht“ bezeichnete der
Grünen-Vorsitzende Robert Habeck den Koalitionsvertrag. „Das Leitbild
dieser Regierung ist eine handelnde Gesellschaft, ein investierender Staat
und ein Deutschland, das schlichtweg funktioniert.“ FDP-Chef Christian
Lindner betonte: „Was jetzt gebildet wird, ist eine Regierung der Mitte,
die das Land nach vorn führt.“
Im Koalitionsvertrag wurde unter anderem Folgendes festgeschrieben: Die
Mietpreisbremse soll verlängert werden. In Gebieten mit angespanntem
Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu 11 Prozent
steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent. Stromkunden sollen
entlastet werden, indem zum 1. Januar 2023 die EEG-Umlage abgeschafft wird.
In der Finanzpolitik vereinbarten SPD, Grüne und FDP, die im Grundgesetz
verankerte Schuldenbremse ab 2023 wieder einzuhalten.
Zum Schutz der Bundeswehr-Soldaten bei Auslandseinsätzen soll eine
Bewaffnung von Drohnen ermöglicht werden. Die deutschen Rüstungsexporte
sollen mit einem neuen Gesetz effektiver beschränkt werden. In der
Asylpolitik wurde vereinbart, dass mehr Flüchtlinge künftig ihre
Angehörigen zu sich nach Deutschland holen können.
Den gesetzlichen Mindestlohn wollen SPD, Grüne und FDP von jetzt 9,60 Euro
auf 12 Euro pro Stunde erhöhen. Sie verständigten sich zudem auf die
Bildung eines neuen Bundesministeriums für Bauen. Vorgesehen ist auch eine
Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Thema Klimaschutz. Bis 2030
soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien
beziehen. Die Ampel-Parteien wollen den öffentlichen Nahverkehr stärken und
dazu vom kommenden Jahr an die sogenannten milliardenschweren
Regionalisierungsmittel erhöhen.
Auch über die Verteilung der Ressorts verständigten sich SPD, Grüne und
FDP. Die SPD wird mit Olaf Scholz künftig den Kanzler stellen und das
Innen- und Verteidigungsministerium, ein neu geschaffenes Bauministerium,
und die Ressorts Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie wirtschaftliche
Zusammenarbeit übernehmen. Auch der Chef des Kanzleramts kommt von der SPD.
An die Grünen gehen ein neu geschaffenes Wirtschafts- und Klimaministerium,
das Außenministerium sowie die Ressorts Umwelt/Verbraucher, Agrar/Ernährung
und Familie. Die FDP bekommt das Finanz-, Verkehrs-, Bildungs- und das
Justizministerium.
Der FDP-Bundesvorstand benannte dafür Parteichef Lindner (Finanzen),
Generalsekretär Volker Wissing (Verkehr), den Ersten Parlamentarischen
Geschäftsführer Marco Buschmann (Justiz) und die Parlamentarische
Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger (Bildung).
Der Bund der Steuerzahler begrüßte die Ankündigung, die Vorgaben der
grundgesetzlichen Schuldenbremse ab 2023 wieder einzuhalten und Prioritäten
im Bundeshaushalt zu setzen. Sein Präsident Reiner Holznagen sagte: „Das
sind vielversprechende Ansätze, denen die Ampel in den nächsten vier Jahren
gerecht werden muss. Bei wohlklingenden Überschriften darf es aber nicht
bleiben.“ Holznagel vermisste allerdings ein klares Bekenntnis, dass die
Verschwendung von Steuergeld konsequent verfolgt und bestraft werden solle.
(dpa)
## Esken rechnet mit Zustimmung der SPD
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken rechnet mit einer klaren Mehrheit des
außerordentlichen SPD-Parteitags zum neuen Koalitionsvertrag. „Ich gehe
davon aus, dass die Zustimmung sehr groß sein wird“, sagt sie im
Deutschlandfunk. Man werde auch darüber diskutieren, wer für die SPD im
Kabinett sitzen soll, fügt Esken hinzu, die wieder als SPD-Chefin
kandidiert. Die Vorsitzenden der SPD und der Grünen, die nicht in der
Regierung vertreten sein werden, würden ihren Einfluss etwa über die
Koalitionsausschüsse ausüben.
## Klimakritik von der CDU
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisiert die Pläne der künftigen
Ampel-Koalition beim Klimaschutz. Die Vorhaben hätten nur noch wenig mit
dem Programm der Grünen vor der Wahl zu tun, sagt Ziemiak sagte der Zeitung
„Rheinische Post“. „In Wahrheit führt die Ampel vieles fort, was die let…
Bundesregierung auf den Weg gebracht hat.“ Der Koalitionsvertrag scheine
eher „ein finanziell nicht gedecktes Thesenpapier als ein
Regierungsprogramm“ zu sein. Auch sei bei der Ressortverteilung von SPD,
Grüne und FDP ein Aufbruch nicht zu sehen. „Viele fragen sich: Wo ist das
Digitalministerium geblieben? Offenbar sieht die Ampel dort keine
Priorität.“ (rtr)
## Kritik an den Bildungsplänen – auch von der CDU
Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hat den
Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP eine zu wenig ambitionierte
Bildungspolitik vorgehalten. „Der Gordische Knoten der Bildungsfinanzierung
wird beschrieben, aber nicht durchschlagen“ sagte Prien der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. „Ich hätte mir mehr Mut gewünscht und hatte
gehofft, dass, wer mehr Fortschritt wagen will, sich auch an die notwendige
Grundgesetzänderung herantraut.“ Die Finanzen und Strukturen zwischen Bund,
Ländern und Kommunen müssten neu geordnet werden. „Doppelstrukturen und
Programme an den Bedarfen in den Ländern vorbei sind nicht zielführend.“
Der Ampel-Koalitionsvertrag bleibe im Bereich Bildung „bei abstrakten und
unambitionierten Floskeln“, kritisierte Prien. Die Chance, den massiven
Innovationsschub und die Veränderungen in der Bildungslandschaft, die durch
die Coronapandemie ausgelöst worden sei, in eine langfristige Strategie zu
überführen, sei vertan worden.
So werde etwa bei der Digitalisierung der Fokus auf Geräte und zu wenig auf
Pädagogik gelegt. Es sollten bestehende Projekte und Programme fortgeführt
werden. Das reiche nicht aus. Insbesondere die Digitalen Kompetenzzentren
müssten jetzt schnell kommen, um Lehrerprofessionalisierung und Entwicklung
von Lernumgebungen auf die Beine zu stellen. Auch der Schulbau müsse
bundesweit und flächendeckend gefördert werden. „Schulen brauchen das
größte Investitionsprogramm, dass diese Republik seit der Wiedervereinigung
gesehen hat“, sagte Prien. (dpa)
25 Nov 2021
## LINKS
[1] https://arbeitgeber.de/es-braucht-fuer-die-naechsten-jahre-eine-strukturwan…
[2] https://www.gesamtmetall.de/aktuell/pressemitteilungen/davon-kann-und-muss-…
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