# taz.de -- Regierungswechsel mit neuen Köpfen: Landwirtschaft neu denken | |
> Silvia Bender, designierte Staatssekretärin im | |
> Landwirtschaftsministerium, und Expertin Tanja Busse präsentierten ihre | |
> Agrarwende-Ideen. | |
Bild: Kühe eines Biohofs in Brandenburg auf der Weide | |
Berlin taz | Noch ist es nicht offiziell, aber vieles spricht dafür, dass | |
[1][dem künftigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir] zwei kluge | |
Frauen zur Seite stehen. Designierte Staatssektretärin ist Silvia Bender, | |
die diese Funktion bisher in Brandenburg ausfüllte, parlamentarische | |
Staatssekretärin wird die Juristin Manuela Rottmann. | |
Auf der Veranstaltung „Agrarwende selber machen“, die die Regionalwert AG | |
am Donnerstagabend in der taz organisiert hatte, saß Bender auf dem Podium. | |
„Die Lage für eine Transformation war noch nie so gut wie heute“, sagte sie | |
und begründete das mit der sich verändernden Perspektive der Bauern. | |
[2][Die Landwirtschaft sei nicht nur Treiber, sondern auch Opfer der | |
Klimakatastrophe] – und zugleich ein wichtiger Teil der Lösung. | |
Jetzt komme es auf die politischen Rahmenbedingungen an – und die seien | |
bisher nicht gut, konstatierte Bender. Was fehle sei ein Schutz der Bauern | |
vor der Billigkonkurrenz aus aller Welt. So sei der Kartoffelanbau in | |
Brandenburg extrem zurückgegangen, weil der Preis für Importware niedriger | |
liegt als die Kosten für die Arbeitskräfte in Deutschland. Die Landwirte | |
bräuchten die Sicherheit, dass sie mit guten, regionalen Produkten und mit | |
Klima- und Artenschutz Geld verdienen können. | |
„Es darf nicht allein darum gehen, ihnen den entgangenen Nutzen | |
auszugleichen,“ betonte Bender. Mit einem ganzen Strauß von Maßnahmen hat | |
die Brandenburger Landesregierung bereits angefangen, Regionalisierung zu | |
fördern. Das beginnt bei der Unterstützung für Verarbeitungskapazitäten und | |
reicht bis dahin, Regionalität in öffentlichen Ausschreibungen durch ein | |
Logo zu einem rechtssicheres Kriterium zu machen. Darüber hinaus fördert | |
das Land Wertschöpfungsketten-Entwickler*innen. | |
Die Buchautorin und Agrarexpertin Tanja Busse beschrieb zunächst die | |
Dramatik der Situation auf vielen Ebenen. Beim Verlust der Artenvielfalt | |
gehe es nicht ums Aussterben einzelner Tier- und Pflanzenarten. „Wir | |
riskieren riesige Todeszonen, wo nichts mehr lebt.“ | |
## Werbung fördert Fehlerernährung | |
Zugleich stecken wir in einer tiefen Ernährungskrise mit immensen | |
volkswirtschaftlichen Schäden durch Fehlernährung. [3][Kinder würden mit | |
Werbung für hochverarbeite Lebensmittel und Softdrinks geködert]. „Es ist | |
gemein und infam, ihnen die Schuld zu geben, dass sie zu dick sind und | |
ihnen zu raten, mehr Sport zu treiben.“ Auch die Wasserwerke seien | |
alarmiert: Viele Trinkwasserbrunnen mussten aufgrund der heutigen | |
Landwirtschaftspraxis geschlossen werden. Busses Fazit: „Teillösungen | |
reichen nicht mehr.“ | |
Zugleich warb sie dafür, Lösungen im Dialog mit den Bauern zu suchen. | |
Jahrzehntelang galt das Credo, sie müssten hocheffizient für den Weltmarkt | |
produzieren. Viele seien immens verschuldet. „Und nun sollen sie eine | |
Kehrtwende im laufenden Betrieb vornehmen.“ Ihre Demonstrationen und | |
Blockaden seien Ausdruck von Verzweiflung. | |
Busse warnte vor der Gefahr einer Radikalisierung der Proteste und warb für | |
Vielfalt auf allen Ebenen. Vielfältig zusammengesetzte Gruppen sollten bei | |
den regionalen Entwicklungsplanungen einbezogen werden mit dem Ziel, mehr | |
Vielfalt auf Feldern und Tellern zu organisieren. Busses gute Nachricht: | |
Bei solchem lösungsorientierten Vorgehen könnten unterschiedliche Probleme | |
gleichzeitig angegangen werden – vom Klima-, Biodiversitäts- und | |
Wasserschutz bis hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und einer Senkung der | |
Kosten für die Krankenkassen. | |
3 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
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