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# taz.de -- SPD nach der Bundestagswahl: Die neue Harmonie der Sozis
> Die SPD-Fraktion ist jünger und diverser als je zuvor. Und auch die
> SPD-Linke sehnt sich nach der Ampel. Doch so schnell wird es nicht gehen.
Bild: Der wiedergewählte Fraktionsvorsitzede Rolf Mützenich, Chorleiter vor s…
Berlin taz | Mittwoch morgen steht Axel Schäfer, SPD-Linker aus Bochum, vor
dem Plenarsaal des Bundestags und ist glücklich. „Olaf klingt schon wie
Helmut Schmidt“, sagt er. Und Scholz war doch auch prägender Bürgermeister
einer Großstadt, wie Willy Brandt, sagt Schäfer. [1][Olaf Scholz] erscheint
als Reinkarnation der beiden SPD-Leuchtfiguren der guten alten Zeit.
Schäfer, 69, schwärmt geradezu von Scholz, der jetzt nicht nur die
SPD-Forderungen wie den Mindestlohn aufzähle, sondern „eine
Zukunftserzählung“ für die Ampel im Blick habe. Scholz biegt da zufällig
ein paar Meter hinter Schäfer mit schwarzer Maske aus dem Aufzug in den
Plenarsaal ein.
Einen Meter weiter werden Neulinge in der Fraktion vor TV-Kameras
interviewt. Alle interessieren sich für die 49 Jusos, ein Viertel der
SPD-Fraktion. Sie haben schon mal ein gemeinsames Foto von sich auf der
Treppe vor dem Reichstag publiziert. Die Botschaft: Mit uns ist zu rechnen.
So viele Jusos gab es noch nie im Parlament.
Eine neue Abgeordnete macht in der Ecke ein kurzes Video für Instagram. Es
gibt Neues zu berichten: Sie hat einen Laptop bekommen. Ein altgedienter
Abgeordneter aus NRW meint, man müsse sich erst mal kennenlernen. Die
einflussreiche Landesgruppe NRW hat 49 Mitglieder, 20 sind neu. So jung und
ethnisch divers war noch keine SPD-Bundestagsfraktion.
Die Stimmung ist blendend. SPD-Linke loben Scholz, Scholz lobt den
SPD-Linken und Fraktionschef Rolf Mützenich (62) als „ganz tollen Mann“.
Die Fraktion wählt Mützenich am Mittwoch mit 97 Prozent wieder zum ihren
Chef. Harmonie überall. Scholz hätte, wenn er auf Nummer sicher hätte gehen
wollen, den Job für sich reklamiert. Falls er nicht Kanzler wird, ist
Fraktionschef der einflussreichste Posten. Das hat Scholz nicht getan. Dann
hätte der eiserne Glaube der SPD, dass er Kanzler wird, einen deutlichen
Riss bekommen.
Es gibt Gerüchte, dass Mützenich Bundestagspräsident wird. Er ist von Union
bis Linkspartei anerkannt und wird allseits für seine Freundlichkeit
gelobt. Der Bundestagspräsident wird in der ersten Sitzung des neuen
Bundestages gewählt – voraussichtlich am 26. Oktober. In vier Wochen
[2][kann viel passieren].
Die SPD macht, nach anfänglichem Zögern, jetzt Tempo. Die Ampel soll, wenn
es nach der SPD geht, am besten schon vor dem 24. Oktober beschlossen sein.
Zu dem Gerücht, dass er Bundestagspräsident werden könnte, sagte Mützenich
am Mittwoch vieldeutig: „Wenn es eine Wertschätzung ist, dass ich da
genannt werde, freut mich das.“
Mützenich ist Außenpolitiker – und hat die Fraktion sanft, aber bestimmt
auf einen eher linken außenpolitischen Kurs geführt und solides
Machtbewusstsein gezeigt. Er ist links, pragmatisch, höflich – und
entspricht damit dem Anforderungsprofil für einen SPD-Fraktionschef in
einer Ampel-Regierung.
Nach dem Untergang von Rot-Grün-Rot erscheint auch überzeugten SPD-Linken
die Ampel mit Glorienschein. Schäfer hält sie für „eine historische Zäsur
wie 1969 und 1998“, Rolf Mützenich für „eine Fortschrittskoalition“. Au…
die rhetorischen Scharmützel Richtung FDP – Kevin Kühnert hatte Christian
Lindner einen „Luftikus“ genannt – werden jetzt enden. Sie waren noch
Echowellen des Wahlkampfes. Aber gleichzeitig angreifen und umarmen ist ja
schwierig.
Die Euphorie in der SPD wird sich legen, wenn klar ist, dass Lindner
Finanzminister oder der Soli ganz abgeschafft wird – eine
10-Milliarden-Steuersenkung genau für die oberen 5 Prozent, die die SPD
eigentlich belasten will.
Die sechsköpfige SPD-Gruppe (Olaf Scholz und die Parteispitze, Saskia Esken
und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef
Rolf Mützenich und Malu Dreyer, Ministerpräsidentin in Mainz) wird sich mit
Grünen und FDP treffen, muss sich in der Schlange aber erst mal hinten
anstellen. Denn FDP und Grüne tagen am Freitag noch mal. Für Samstag sind
dann offenbar Treffen von FDP und Grünen mit der Union anvisiert.
Die SPD wird sich am Sonntag nacheinander mit FDP und Grünen treffen.
Terminfragen sind in der Politik Machtfragen. Lars Klingbeil versucht den
Ball flach zu halten. Es sei nicht wichtig „wer zuerst miteinander redet,
sondern wer am Ende den Koalitionsvertrag unterschreibt“. Das Fingerhakeln
hat begonnen. Es macht nicht den Eindruck, dass es so schnell enden wird,
wie die SPD hofft.
29 Sep 2021
## LINKS
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[2] /Machtoptionen-nach-der-Bundestagswahl/!5804809
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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