# taz.de -- SPD-Politikerin Bärbel Bas: Die Frau für die Schlüsselstelle | |
> Die SPD will Bärbel Bas zur Bundestagspräsidentin machen. Rolf Mützenich | |
> bleibt SPD-Fraktionschef – und Steinmeier vielleicht Bundespräsident. | |
Bild: SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas | |
Die SPD hat eine naheliegende Entscheidung getroffen. Bärbel Bas wird | |
Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble. Die 53-jährige Duisburgerin ist seit 12 | |
Jahren im Bundestag und kennt dessen inneres Machtgetriebe. Sie war | |
parlamentarische Geschäftsführerin, allerdings in zweiter Reihe, und | |
stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Bas ist eine soziale Aufsteigerin. | |
Sie hat Fachabitur gemacht und als Bürogehilfin und Sachbearbeiterin | |
gearbeitet. Die Gesundheitspolitikerin ist in den Medien wenig präsent. In | |
der Öffentlichkeit gilt ihre Nominierung als Überraschung. | |
In ihrem Landesverband Nordrhein-Westfalen ist das anders. Wiebke Esdar, | |
SPD-Abgeordnete aus Bielefeld und wie Bas Mitglied des linken | |
Parteiflügels, schätzt an ihr „Kollegialität und solide Arbeit“. Bas, so | |
Esdar, „stellt sich in den Dienst der Sache und drängelt sich nie in den | |
Vordergrund“. Außerdem verfüge sie über viel Erfahrung im | |
Parlamentsbetrieb. | |
Auch das war ein Grund, der gegen die Hamburgerin [1][Aydan Özoğuz] (54) | |
sprach. Ihr Name war in Medien oft genannt worden. Allerdings gab es in der | |
SPD-Fraktion Vorbehalte. Özoğuz wurde zu Beginn von Olaf Scholz protegiert, | |
trat erst nach Beginn ihrer politischen Karriere in die SPD ein und verfügt | |
über recht wenig Know-how im Bundestag. Sie soll nun | |
Vize-Bundestagspräsidentin werden. Bas passt als Linke zudem besser zu den | |
Mehrheitsverhältnissen in der neuen SPD-Fraktion. Dort ist die PL, die | |
Parlamentarische Linke, deutlich gestärkt. | |
Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter, lobt Bas als „erfahrene | |
Politikerin, die auch bei anderen Fraktionen respektiert“ sei. Axel | |
Schäfer, SPD-Mann aus Bochum, hat nach eigenem Bekunden schon am Sonntag | |
gewusst, dass es auf die Duisburgerin hinauslaufen wird. „Sie kann | |
ausgleichen“, so Schäfer. | |
## Glaubwürdig überzeugter Parlamentarier | |
Das Bild der Parlamentspräsidenten sei von starken Figuren wie Norbert | |
Lammert und Wolfgang Schäuble geprägt worden. Allerdings seien diese beiden | |
schillernden Präsidenten an der [2][Wahlrechtsreform] gescheitert, die ein | |
Torso blieb. Für diese Aufgabe, die oben auf der Tagesordnung steht, sei | |
die gut vernetzte Bas geeignet. Bas werde, so Schäfer, auch anders als Rita | |
Süssmuth, die Kohl 1988 als Ministerin loswerden wollte, nicht nach oben | |
weggelobt. | |
Das Problem der SPD war: [3][Rolf Mützenich] (62), Fraktionschef, wäre sehr | |
gern Bundestagspräsident geworden. Mützenich bezeichnet sich selbst | |
glaubwürdig als überzeugten Parlamentarier. Ein Job als Minister, das | |
übliche Karriereziel, interessiert ihn nicht besonders. Das Amt des | |
Bundestagspräsidenten umso mehr. | |
Es ist formal das zweithöchste Amt im Staate und die Schlüsselstelle im | |
parlamentarischen Betrieb. Die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar sagt: „Alle in | |
der Fraktion, auch Bärbel Bas, hätten Rolf Mützenich dieses Amt gegönnt. | |
Aber die Glaubwürdigkeit der SPD ist mehr wert als persönliche Ziele.“ | |
Denn das Bundestagspräsidium, in das die SPD nun zwei Frauen schickt, ist | |
Teil eines größeren Personaltableaus. Die SPD hätte, wenn Mützenich das | |
Amt bekommen hätte, alle zentralen Jobs mit Männern besetzt. Olaf Scholz | |
soll Bundeskanzler werden, Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident bleiben. | |
Als Nachfolger von Mützenich wäre der Niedersachse Matthias Miersch gesetzt | |
gewesen. | |
## Steinmeier opfern? Eine abenteuerliche Vorstellung | |
Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2021 hatte die SPD erklärt: Weil | |
Frauen in der Parlamenten noch immer unterrepräsentiert sind, „brauchen wir | |
Paritätsgesetze für den Bundestag, die Länder und Kommunen“. Ein | |
Gruppenbild ohne Dame hätte dieser Forderung Hohn gesprochen. Über diese | |
Möglichkeit wurde zwar in Medien spekuliert, aber sie war, glaubt man | |
SPD-Abgeordneten, nie im Topf. | |
Mützenich als Bundestagspräsidenten zu installieren hätte daher für die SPD | |
eine unschöne Folge gehabt. 2022 steht die Neuwahl eines Bundespräsidenten | |
an. Steinmeier hat schon lange angekündigt, [4][eine zweite Amtszeit] | |
anzustreben. Das wäre damit faktisch vom Tisch gewesen. Der Ruf nach einer | |
Frau im Schloss Bellevue wäre unüberhörbar geworden. | |
Mit Mützenich als Bundestagspräsidenten hätte die SPD ihren eigenen | |
Bundespräsidenten abgeschossen. „Eine abenteuerliche Vorstellung“, so ein | |
SPD-Linker. In diesem Fall wären die Aktien der Grünen Katrin | |
Göring-Eckardt gestiegen, die, so [5][schwarz-grüne Planspiele] aus dem | |
Frühjahr 2021, als erste Bundespräsidentin von Grünen und Union hätte ins | |
Amt gehoben werden können. Das Rennen um die Mehrheiten in der | |
Bundesversammlung ist zwar noch nicht entschieden. Aber die SPD hat die | |
Weichen in Richtung Steinmeier – und gegen eine schwarz-grüne Kandidatin | |
gestellt. | |
Deshalb war Mützenichs Rückzug naheliegend. Und es gibt noch einen Grund. | |
Der SPD-Linke Mützenich ist als Fraktionschef allgemein akzeptiert. Er | |
führt ausgleichend, aber nicht ohne machtpolitische Handschrift. Schon vor | |
Beginn der Ampel-Koalitionsverhandlungen zeichnet sich ab, dass die | |
Ampel-Regierung spannungsreich wird. Der Job des Fraktionschefs der | |
führenden Regierungspartei ist da zentral. | |
20 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Integrationsbeauftragte-im-Bund/!5459450 | |
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[3] /SPD-Fraktionschef-ueber-GroKo/!5691492 | |
[4] /Steinmeier-will-zweite-Amtszeit/!5771661 | |
[5] /Ausblick-aufs-Superwahljahr-2021/!5745536 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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