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# taz.de -- Finanzierung der Ampel-Pläne: Geldbeschaffung einfach auslagern
> Investitionen trotz Schuldenbremse, ohne Steuererhöhungen? Das
> Sondierungspapier der Ampel zeigt Ansätze, wie das gehen kann.
Bild: Wie werden Häuser klimaneutral? Die KfW vergibt verbilligte Kredite für…
Berlin taz | SPD, Grüne und FDP kommen am Donnerstagnachmitag zu
Koalitionsverhandlungen zusammen. Anscheinend haben die Parteien zwei
wichtige Wege zur Finanzierung ihres geplanten Modernisierungsprogramms
aber schon ausgeschlossen. „Einer Regierung, die Steuern erhöht oder die
Schuldenbremse missachtet, könnten wir nicht beitreten“, betonte FDP-Chef
Christian Lindner am Montag.
Gleichzeitig sprechen die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock aber
von „Gesellschaften“ zur Finanzierung der nötigen Investitionen. Rund 50
Milliarden Euro wären jährlich notwendig, um Deutschland [1][klimaneutral
zu machen], sagte Habeck am Dienstag.
Welche Möglichkeiten hätte [2][eine Ampelregierung], um zusätzliche Mittel
zu beschaffen – und wie funktionieren die?
## Investitionsgesellschaften
Das sind Firmen, oft GmbHs, die dem Bund gehören, unter seiner Kontrolle
stehen oder in seinem Auftrag handeln. Finanzpolitisch ist das Schöne an
ihnen: Wegen ihrer privatrechtlichen Konstruktion fällt die Kreditaufnahme
solcher Gesellschaften nicht unter die Schuldenbremse im Grundgesetz, die
die roten Zahlen der Bundesregierung begrenzt. Ökonomieprofessor Jens
Südekum (Uni Düsseldorf), der unter anderem die Grünen berät, kommentierte
bereits: „Die Ampel wird, wo immer möglich, öffentliche Investitionen in
Zweckgesellschaften auslagern, die neben der Schuldenbremse operieren.“
Ein Beispiel für ein solches Beiboot der Regierung ist die
Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG). Diese soll sich darum kümmern,
die Funklöcher in den Handynetzen zu schließen, die private Netzbetreiber
wie Deutsche Telekom oder O2 offenlassen. Grundsätzlich könnte die MIG
Milliarden Euro aufnehmen, um sie in schnellere Datennetze zu investieren.
Oder die bundeseigene NOW GmbH, die unter anderem eine „Nationale
Leitstelle Ladeinfrastruktur“ betreibt. Wenn die Regierung es will, kann
diese in den bundesweiten Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos
investieren.
Denkbar erscheint auch, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
(BIMA) nicht nur Grundstücke verwaltet, sondern die klimafreundliche
Sanierung der öffentlichen Gebäude vorantreibt oder gar Wohnungen baut. Den
Aufgaben solcher Ableger sind kaum Grenzen gesetzt. In ihrem
12-Seiten-Papier zum Ergebnis der Sondierung erwägen SPD, Grüne und FDP
etwa eine neue „Stiftung oder Gesellschaft, die den Rückbau der
Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert“.
## Deutsche Bahn
Auch diese Aktiengesellschaft, die dem Bund gehört, darf Schulden machen.
Das tut sie heute bereits. Gegenwärtig ist ihre Kreditaufnahme auf rund 30
Milliarden Euro begrenzt. Wenn der politische Wille besteht, kann diese
Summe aber steigen – Geld, das sich nicht unmittelbar der Staat leihen
muss, sondern der Konzern. Der Investitionsbedarf von über 100 Milliarden
Euro für bessere Verbindungen, neue Züge und digitalisierte Technik ließe
sich so bewältigen – außerhalb der Schuldenbremse.
## KfW
Die staatliche Förderbank KfW (früher Kreditanstalt für Wiederaufbau)
vergibt heute beispielsweise verbilligte Kredite an Hausbesitzende, die
klimafreundliche Heizungen einbauen wollen. Denkbar wäre es, sogenannte
Tilgungszuschüsse auszuweiten. Das heißt, die Privatinvestoren bekommen
einen Teil der Investitionssumme geschenkt. Auf diese Art kann der Staat
private Aktivitäten anreizen und unterstützen, ohne das Geld aus dem
Haushalt aufzubringen. So ist im Sondierungspapier die Rede davon, die KfW
zu einer „Innovations- und Investitionsagentur“ auszubauen.
## Verschuldung im Bundeshaushalt
Doch auch selbst verfügt die Bundesregierung über einen gewissen
zusätzlichen finanziellen Spielraum. So erlaubt die Schuldenbremse im
Grundgesetz eine jährliche Kreditaufnahme von 0,35 Prozent der
Wirtschaftsleistung, was augenblicklich auf rund zehn Milliarden Euro
hinausläuft. Außerdem hat die alte Regierung die Bremse für 2022 bereits
ausgesetzt, wegen Corona. Der Budgetentwurf aus dem Haus des jetzigen
Finanzministers und möglichen Kanzlers Olaf Scholz enthält neue Kredite von
knapp 100 Milliarden Euro. Warum nicht 200 oder 300 Milliarden?
Ökonom Südekum prognostiziert: „Im Jahr 2022 füllt die Ampel eine große
Rücklage, die in den Folgejahren abgeschmolzen wird.“ Fraglich erscheint
allerdings, ob die FDP das mitträgt. Falls ja, reicht die Unionsfraktion im
Bundestag vielleicht eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht ein. Das
Argument: Schuldenfinanzierte Rücklagen sind verboten. Bis das Gericht
entschieden hat, könnte ein Teil des Geldes jedoch bereits ausgegeben sein.
21 Oct 2021
## LINKS
[1] /Klimaforderungen-an-neue-Bundesregierung/!5806123
[2] /Prioritaeten-einer-Ampel-Koalition/!5805604
## AUTOREN
Hannes Koch
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Ampel-Koalition
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