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# taz.de -- Rot-rot-grüne Wohnungspolitik in Berlin: Die Verschnaufpause war k…
> In der Wohnungspolitik hat Rot-Rot-Grün viel versucht – und ist doch
> gegen Wände gerannt. Es bleibt aber Hoffnung: Linke Wohnraumpolitik ist
> möglich.
Bild: Wohnungspolitisch hat sich unter Rot-Rot-Grün viel geändert: Quartier W…
Berlin taz | Vor allem in der Wohnungspolitik werden wir diese Koalition
vermutlich noch vermissen. Die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey steht
im Verbrennerfahrzeug an der Ampel und blinkt nach rechts – in Richtung
CDU, FDP und Immobilienlobby. Nach Giffeys Ansage, dass ihre Bedingung für
die nächste Koalition ein Nein zu Enteignungen sei – unabhängig vom Ausgang
des Volksentscheides –, ging sie auf Konfrontation mit Linken und Grünen.
Die Wohnungspolitik ist für die SPD also eine rot-rot-grüne
Sollbruchstelle. Nach der Wahl könnte es deshalb heißen: Das Immoperium
schlägt zurück. Dabei sollte das Erreichte erst der Anfang sein.
Denn man kann der rot-rot-grünen Landesregierung vieles vorwerfen –
wohnungspolitische Bemühungen aber kann man dem Senat Müller II nicht
absprechen. Das liegt im Kern natürlich auch daran, dass die Linke sich
2016 mit ihrer Forderung durchgesetzt hat, die von der SPD zuvor dauerhaft
okkupierte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für sich zu
beanspruchen. Klar: [1][Senatorin Katrin Lompscher] trat im August 2020
wegen Steuerverfehlungen zurück. Allerdings hat [2][Sebastian Scheel]
(ebenfalls Linke) das Amt ohne große Reibungsverluste übernommen.
Zwar liegen die 2020 fertig gestellten 19.000 Wohnungen noch 1.000 unter
dem selbst gesteckten Ziel und werden vom [3][Immo-Verband BBU] als zu
wenig kritisiert, aber fest steht auch: In Berlin werden so viele Wohnungen
gebaut wie lange nicht mehr – und deutlich mehr als unter Schwarz-Rot vor
2016. Strittig ist, ob die zuletzt gesunkene Zahl der Baugenehmigungen an
einem vermeintlich investitionsfeindlichen Klima liegt oder nicht doch an
der Coronakrise und Lieferengpässen. Klar ist aber auch: Große Bauprojekte
sowie neue Quartiere sind geplant und [4][werden in den nächsten Jahren
gebaut].
## Manko Mietendeckel
Größtes Manko der Wohnungspolitik: Der durchaus ambitionierte Mietendeckel
wurde vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt. Die CDU klagte
erfolgreich gegen das Landesgesetz. Laut Karlsruhe hat die nur unzureichend
wirksame Bundesmietpreisbremse das Mietpreisrecht abschließend geregelt.
Immerhin ist der Mietendeckel damit auch Bundesthema: Die Linke fordert
einen solchen nach Berliner Vorbild auf Bundesebene, SPD und Grüne sind
Mietenstopps in angespannten Wohnungsmärkten nicht ganz abgeneigt. Die
[5][Grünen] wollen zudem Absenkungen auf Basis länderspezifischer
Regelungen ermöglichen.
Den Mieter*innen in der Stadt hingegen hat der Deckel gezeigt, dass eine
andere Wohnungspolitik nach 15 Jahren Mietsteigerungen und zunehmendem
Verdrängungsdruck möglich ist. 1,5 Millionen Berliner Haushalte bekamen
einen Vorgeschmack, wie linke Wohnraumpolitik fernab von SPD-Baufilz
aussehen könnte. Sie waren kurzzeitig vor Mietsteigerungen sicher, in
320.000 Wohnungen wurde die Miete gesenkt. Blöd nur, dass der Deckel
Rot-Rot-Grün letztlich um die Ohren flog, viele Mieter*innen nachzahlen
mussten und mittlerweile auf dem Wohnungsmarkt wieder Mondpreise
vorherrschen.
Aber es war auch nicht alles schlecht: Etwas, das von R2G bleibt, sind etwa
viele neue Milieuschutzgebiete, in denen niedrige Mieten und eine soziale
Durchmischung erhalten bleiben sollen. Dort hat der Senat auch mittels
Vorkaufsrecht den Bestand an kommunalem Wohnraum erweitert: Will ein
Investor sich bei einem Ankauf im Milieuschutzgebiet nicht auf soziale
Kriterien verpflichten, können Bezirk und Land zugunsten einer kommunalen
Wohnungsgesellschaft vorkaufen.
Gab es 2015 noch 22 solcher sozialen Erhaltungsgebiete, sind es heute 71.
Die prestigeträchtigsten Vorkaufsfälle waren wohl die Blöcke in der
[6][Karl-Marx-Allee mit 700 Wohnungen], die das Land der Deutsche Wohnen
weggeschnappt hat, oder das [7][Kosmosviertel mit 1.800 Wohnungen in
Altglienicke]. Das Vorkaufsrecht half dem Land auch dabei, renitente
Investoren zu [8][Abwendungsvereinbarungen zu zwingen] und so auf halbwegs
gangbare soziale Vereinbarungen festzulegen.
## Blockaden im Bund
Berliner Bundesratsinitiativen änderten aber auch nichts daran, dass im
Bundesrecht viele Barrieren bleiben: So blockiert die CDU dort in der
großen Koalition neben durchschlagkräftigen Mietpreisregulierungen auch das
Stopfen von Steuerschlupflöchern, wie sie viele private Wohnkonzerne bei
Immobilendeals nutzen ([9][sogenannte Share Deals]). Ebenso ist die
[10][Intransparenz auf dem privaten Wohnungsmarkt] nach wie vor hoch: Viele
Konzerne wirtschaften über Steueroasen und Briefkastennetzwerken am Fiskus
vorbei – ein Mietenkataster hat die linke Senatsverwaltung für die nächste
Legislatur in Aussicht gestellt.
Gegen Zweckentfremdung und die Ferienwohnisierung der Innenstadt hat der
Senat viel versucht – aber es blieb eher bei Nadelstichen: Gegen den
[11][Plattform-Kapitalisten Airbnb] gab es zwar Erfolge vor Gericht und bei
Steuernachzahlungen – nichtsdestotrotz gibt es weiter Tausende illegal
zweckentfremdete Wohnungen in Berlin.
Eine weitere große Baustelle bleibt der fehlende Schutz für
Gewerbemietverträge, wo ohne Bund allerdings auch wenig geht. Die Folgen
sind geräumte linke Freiräume wie die Kneipenkollektive [12][Syndikat] und
[13][Meuterei], aber auch die Verdrängung von autonomen Jugendzentren wie
[14][Potse und Drugstore].
Auf den letzten Drücker hat es die Koalition aber immerhin noch geschafft,
per Verordnung Umwandlungen in Eigentum wirksam einzuschränken: ein
wohnungspolitischer Meilenstein, der vielleicht etwas untergegangen ist.
Nicht vergessen darf man beim Verteilen von Fleißbienchen allerdings auch,
dass Rot-Rot-Grün teilweise zum Jagen getragen werden musste: Ob nun von
der starken mietenpolitischen Bewegung, [15][umtriebigen Bezirksstadträten]
oder der mittlerweile breit getragenen Forderung nach Vergesellschaftungen
privater Wohnkonzerne. Ohne [16][Enteignungsvolksbegehren] hätte es einen
Mietendeckel wohl nicht gegeben. Zurecht fordern mietenpolitische
Initiativen mehr Mitspracherechte.
R2Gut? Kurz vor der Wahl stellt sich die Frage: War Rot-Rot-Grün eine
erfolgreiche Koalition? Die taz Berlin hat sich in einem Schwerpunkt
angeschaut, was Rot-Rot-Grün erreicht hat – und was verbockt.
Update: Wurde am 30.08.2021 um die Info ergänzt, dass die Grünen eine
Öffnungsklausel für länderspezifische Regelungen fordern, die auch
Absenkungen der Miete ermöglicht.
28 Aug 2021
## LINKS
[1] /Nach-Ruecktritt-von-Senatorin-Lompscher/!5699971
[2] /Sebastian-Scheel/!t5382787
[3] /Wohnungsmangel-in-Berlin/!5791370
[4] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2021/pressemitte…
[5] https://twitter.com/kaddinsky/status/1432245694216249349
[6] /Deutsche-Wohnen-zieht-den-Kuerzeren/!5606936
[7] /Rueckkauf-des-Kosmosviertels/!5570734
[8] /Heimstaden-akzeptiert-Milieuschutz/!5727119
[9] /Share-Deals/!t5584210
[10] /Berliner-Volksbegehren-zum-Enteignen/!5764430
[11] /Airbnb/!t5010117
[12] /Raeumung-der-Kneipe-Syndikat-in-Berlin/!5705833
[13] /Linke-Kneipe-in-Kreuzberg/!5761358
[14] /Potse/!t5568367
[15] /Florian-Schmidt/!t5302115
[16] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Bettina Jarasch
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