# taz.de -- Wohnungsmangel in Berlin: „Konfrontatives Bauklima“ | |
> Der Wohnungsunternehmensverband BBU kritisiert den rot-rot-grünen Senat. | |
> Der wiederum lobt sich für 19.000 neu gebaute Wohnungen im Jahr 2019. | |
Bild: Der Wohnungsverband BBU wirft Rot-Rot-Grün beim Bauen Konfrontation stat… | |
BERLIN taz | Die Wohnungswirtschaft hält die Neubaupolitik des | |
rot-rot-grünen Senats weitgehend für verfehlt. In einer Umfrage des | |
Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) urteilten drei | |
Viertel der Mitgliedsunternehmen: „sehr schlecht“ oder „eher schlecht“.… | |
Rückgang von Investitionen zeigen sich für den BBU „ganz klar die Spuren | |
der Verunsicherung durch den gescheiterten Mietendeckel und die | |
Enteignungsdiskussion.“ BBU-Chefin Maren Kern warnte vor einem Erfolg des | |
Enteignungsvolksentscheids am 26. September: Das würde „Investoren | |
endgültig abschrecken“. Sie forderte, mehr Wohnungen durch Neubau oder Kauf | |
in gemeinwohlorientierte Hände zu bringen, lehnte aber Druck und Zwang ab. | |
Bei der Jahrespressekonferenz des BBU, dessen privaten, landeseigenen, | |
kirchlichen oder genossenschaftlichen [1][Mitgliedsunternehmen] 1,1 | |
Millionen oder 40 Prozent der Berliner Wohnungen gehören, kritisierte Kern | |
am Dienstag auch eine zu geringe Zahl neuer Wohnungen. 2020 seien erstmals | |
seit 14 Jahren weniger als im jeweiligen Vorjahr fertig geworden. | |
Grundsätzlich sieht der BBU in Berlin ein „konfrontatives Neubauklima“. | |
Laut Kern bauen als Reaktion darauf Unternehmen nun mehr in Brandenburg: | |
Dort gebe es „eine andere Neubau- und Willkommenskultur“. | |
Keine drei Stunden später lobte Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel | |
(Linkspartei) die Landesregierung bei einer Pressekonferenz dafür, dass es | |
im Jahr 2019 rund 19.000 neue Wohnungen gab – immer noch 1.000 weniger als | |
von Rot-Rot-Grün pro Jahr angestrebt. Dafür, dass die Zahl 2020 auf 16.337 | |
sank, machte er Corona und Lieferschwierigkeiten verantwortlich. BBU-Chefin | |
Kern hielt dem entgegen: Im [2][rot-grün regierten Hamburg], für sie | |
diesbezüglich „eine Vorzeigestadt“, sei 2020 die Zahl trotz der Pandemie | |
nicht gesunken, sondern um 15 Prozent gestiegen – „letztendlich sind | |
Weichen in Berlin wohnungspolitisch anders gestellt“. | |
Kern verwies auch auf deutlich höhere Baukosten, die pro Quadratmeter von | |
2.800 auf über 3.100 Euro gestiegen seien. Holz beispielsweise kostete | |
demnach über die Hälfte mehr als im Vorjahr, Betonstahl über 40 Prozent | |
mehr. Zudem seien pro Quadratmeter Bauland inzwischen mindestens 1.000 Euro | |
fällig, was auch Senator Scheel als großes Problem ausmachte – denn höhere | |
Kosten führen meist zu höheren Mieten. | |
Scheel stellte nach der Senatssitzung Journalisten passenderweise einen | |
Abschlussbericht zur Wohnungsbaubeschleunigung vor – Kern hatte früher am | |
Vormittag schnellere Verfahren als einen der größten Wünsche der | |
BBU-Mitglieder genannt. Dabei räumte der Senator einen Fehler aus der Zeit | |
seiner Vorgängerin Katrin Lompscher ein, ohne sie namentlich zu nennen: | |
Deren Senatsverwaltung hatte 2017 ein Rundschreiben auf den Weg gebracht, | |
das Dachgeschossausbau erschwerte. Das sei inzwischen zurückgenommen | |
worden, sagte Scheel, „weil es tatsächlich ein Hemmnis war“. | |
Zur BBU-Kritik am Senat sagte Scheel, dass er den Verdruss teilen würde, | |
dass sich Dinge nicht schnell genug bewegen. Aus seiner Sicht ist bei den | |
BBU-Unternehmen noch nicht komplett angekommen, dass es Ziel des Senats | |
sei, Wohnungsbau zu ermöglichen. | |
Beim Verband wünschte man sich mit Blick auf die parallel zum | |
Enteignungsvolksentscheid am 26. September anstehende Abgeordnetenhauswahl | |
„einen für Berlin erfolgreichen Ausgang“, ohne konkreter zu werden. Laut | |
BBU wären von Enteignung auch 29 der über 80 im Verband organisierten | |
Genossenschaften betroffen. „Die [3][Initiative] (Deutsche Wohnen & Co. | |
enteignen, d. taz) behauptet ja immer das Gegenteil – wir schätzen das | |
rechtlich anders ein“, sagte Verbandschefin Kern. | |
Für den Wohnungsexperten der oppositionellen CDU-Fraktion Christian Gräff | |
zeigen Umfrage und Äußerungen des BBU, „wie sehr das Vertrauen zu dieser | |
Koalition in der Wohnungswirtschaft gelitten hat“. Neues Vertrauen aufbauen | |
oder eine gemeinsame Kraftanstrengung gegen Berlins Wohnungsproblem – | |
„diese Chance hat der Senat nicht nur verpasst“, sagte Gräff, „er wollte | |
sie auch nie.“ | |
24 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://bbu.de/verband/mitgliedsunternehmen | |
[2] https://www.hamburg.de/senatoren/ | |
[3] https://www.dwenteignen.de/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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