# taz.de -- Entschädigung der Wohnungskonzerne: Das kann doch nicht die Welt k… | |
> Eine Studie berechnet die Höhe der Entschädigung bei einem erfolgreichen | |
> Volksentscheid. Alle Modelle liegen deutlich unter der Summe des Senats. | |
Bild: Wahlkampfplakat der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
BERLIN taz | Die Höhe der Entschädigungszahlungen bei einer | |
Vergesellschaftung der großen privaten Wohnungsbestände fällt womöglich | |
deutlich geringer aus, als es sich der Senat bislang vorstellt – und höher | |
als die Initiative [1][Deutsche Wohnen & Co enteignen] hofft. Das zumindest | |
geht aus einer ersten umfassenden, datenbasierten Analyse der verschiedenen | |
Möglichkeiten der angestrebten Vergesellschaftung von 240.000 Wohnungen | |
hervor, die am Donnerstag von der AG Sozialisierung vorgestellt wurden, | |
einem Expertengremium, das mehr als ein Jahr an seiner Studie gearbeitet | |
hat. | |
Vier Modelle zur Berechnung der Entschädigungshöhe haben sich die | |
Autor*innen um den Sozialwissenschaftler Andrej Holm und Sebastian | |
Gerhardt von der Initiative für einen neuen kommunalen Wohnungsbau | |
angeschaut – sie alle folgen dem grundgesetzlich definierten Anspruch, dass | |
eine Entschädigung unter „gerechter Abwägung der Interessen der | |
Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen“ ist. Die berechneten | |
Entschädigungskosten belaufen sich dabei auf 14,5 bis 22,8 Milliarden Euro. | |
Der Senat ging dagegen in seiner [2][Kostenschätzung von 29 bis zu 39 | |
Milliarden Euro aus], die [3][Enteignungsinitiative von 8 Milliarden]. | |
Am teuersten wäre die Sozialisierung laut der Studie, wenn die bestehenden | |
Verbindlichkeiten der Wohnungskonzerne entschädigt werden würden. Ausgehend | |
von der Analyse der Zahlungsverbindlichkeiten der Deutsche Wohnen und | |
hochgerechnet auf alle betroffenen Konzerne müssten etwa 23 Milliarden Euro | |
in die Hand genommen werden. Möglich und mit 16 Milliarden deutlich | |
günstiger sei eine Entschädigung auf Basis der Eigenleistung der | |
Wohnungskonzerne, also ihren Ausgaben für den Erwerb der Immobilien, die | |
Instandsetzung samt Zinseinnahmen. Beide Modelle sind aus Sicht der | |
Konzerne und einer möglichen Untergrenze der Entschädigung gedacht, wie | |
Holm bei der Vorstellung sagte. | |
Zwei weitere Varianten gehen vom Sozialisierungsziel aus. Etwa 17 | |
Milliarden Euro wären bei einer vereinfachten Ertragswertberechnung fällig. | |
Dabei werden die Einnahmen der für vergleichbare Bestände üblichen | |
Miethöhen für 15 Jahre summiert. Im vierten Modell berechnet sich die | |
Entschädigung aus einer zukünftigen sozialen Bewirtschaftung mit Miethöhen | |
von durchschnittlich 5 Euro pro Quadratmeter – Kosten: 14,5 Milliarden. | |
Eine Bewertung oder Priorisierung der Modelle nimmt die Studie nicht vor; | |
dies sei letztlich eine „politische Entscheidung“. | |
## Kein Problem bei 17 Milliarden | |
Die Autor*innen legen sich derweil fest: Nur bis zu einer | |
Entschädigungshöhe von 17 Milliarden Euro „ist eine Refinanzierung (ohne | |
Mieterhöhungen und zusätzliche Finanzierungsmittel) aus den laufenden | |
Mieteinnahmen möglich.“ Eine neu zu gründende Gesellschaft, die die | |
Bestände übernimmt, braucht eine Eigenkapitalausstattung durch die Stadt | |
und würde dann selbst die Kredite für die Entschädigung aufnehmen und über | |
einen langen Zeitraum aus den Mieteinnahmen abbezahlen. | |
Eine Entschädigung unter dem Marktwert halten die Autor*innen neben den | |
Ansprüchen aus dem Grundgesetz aus drei weiteren Gründen für geboten: | |
Spekulationsgewinne dürfen nicht entschädigt werden, die Sozialisierung | |
muss eine dauerhafte soziale Mietentwicklung ermöglichen und sie darf kein | |
dauerhaftes Zuschussgeschäft werden. | |
In einem zweiten Teil beschäftigt sich die Studie mit dem Zustand der | |
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die als Vergleichsmaßstab für eine | |
zukünftige Gesellschaft mit den zu sozialisierenden Wohnungen herhalten. | |
Der Anspruch, dass diese eine soziale Vermietungspolitik verfolgen und ein | |
umfangreiches Neubauprogramm stemmen, sei nicht ohne eine stärkere | |
staatliche Finanzierung haltbar. Dem Ziel bis 2030, 100.000 neue | |
preisgebundene Wohnungen zu bauen, hinken die Gesellschaften hinterher. | |
Momentan fehlten in Berlin etwa 330.000 Wohnungen mit günstigen Mietpreisen | |
bis zu 6 Euro pro Quadratmeter. Diese Lücke sei weder mit 100.000 | |
Neubauwohnungen, noch mit 240.000 sozialisierten Wohnungen zu schließen so | |
Holm. Dass die Zahlen zusammengenommen dem Ziel aber nahe kommen, sei | |
„vielleicht ein Zufall“, fügte er schmunzelnd hinzu. Womöglich ein | |
wegweisender. | |
19 Aug 2021 | |
## LINKS | |
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[2] /Stellungnahme-des-Senats-zu-DW-Enteignen/!5781760 | |
[3] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!5728757 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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