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# taz.de -- Deutsche Wohnen und Co enteignen: Enteignung per Gesetz
> Das Volksbegehren legt einen Gesetzentwurf für die Vergesellschaftung der
> Wohnungskonzerne vor. Dieser enthält allerlei Überraschungen.
Bild: Ohne Gesetz läuft hier nichts
Berlin taz | Die Initiator*innen des [1][Volksbegehrens Deutsche Wohnen
& Co. enteignen] haben einen Gesetzentwurf für die Vergesellschaftung der
Bestände der großen privaten Wohnungskonzerne vorgelegt. Obwohl nach einem
erfolgreichen Volksentscheid letztendlich der Senat aufgefordert ist, ein
entsprechendes Gesetz zu erlassen, soll mit dem Vorschlag bereits jetzt die
„öffentliche und juristische Fachdebatte“ angestoßen werden, wie Sprecher…
Agnes Schober bei der Vorstellung am Montag sagte. Zudem biete der Entwurf
die Möglichkeit, nach einem erfolgreichen Entscheid „direkt mit der
Umsetzung starten“ zu können.
Der Kernsatz des 11 Paragraphen umfassenden Gesetzentwurfes befindet sich
in Paragraph 1 unter dem Titel „Vergesellschaftung“. Dort heißt es: „Der
Bestand an Wohnimmobilien vergesellschaftungsreifer Unternehmen wird in
Gemeineigentum überführt.“ Die etwa 240.000 Wohnungen, die von einer
Vergesellschaftung betroffen wären, sollen in eine Anstalt öffentlichen
Rechts namens „Gemeingut Wohnen“ überführt werden.
Vergesellschaftet werden sollen nicht die Unternehmen selbst, sondern die
ihnen gehörenden zu Wohnzwecken dienenden Grundstücke. Ziel der
Vergesellschaftung sind privatrechtliche Unternehmen, die zum Stichtag 26.
September, dem Tag der möglichen Volksabstimmung, 3.000 und mehr Wohnungen
in der Stadt besitzen. Bei der Erfassung der Bestände sollen die Konzerne
unter Androhung von hohen Strafen bei Zuwiderhandlung mitwirken.
Ausgenommen sind Genossenschaften und landeseigene Wohnungsunternehmen.
Laut dem Juristen Sebastian Schneider, der für die Initiative maßgeblich
den Gesetzentwurf erarbeitet hat, soll mit der Stichtagsregelung verhindert
werden, „dass sich Unternehmen durch Umstrukturieren und andere Tricks der
Vergesellschaftung entziehen“. Spätere Verkäufe, um unter die 3.000er Marke
zu fallen, wären damit nicht mehr zielführend.
Auch gegen die Aufsplitterung eines Konzerns in kleine Untereinheiten
wappnet sich das Gesetz, in dem es all jene Unternehmen zu einem Konzern
rechnet, auf die dieser einen „bedeutenden Einfluss“ ausübt“, also
mindestens 20 Prozent der Anteile oder Stimmrechte hält. Konzerne sollen
sich somit nicht hinter „verschachtelten Unternehmenskonstruktionen“
verstecken können, wie Schneider sagt.
## Entschädigung ohne Geld
Deutsche Wohnen & Co enteignen legt auch eine neue Idee zur Frage der
Entschädigung auf den Tisch. Anders als bislang angedacht, sollen die
Konzerne nicht auf einen Schlag und durch Geldzahlungen entschädigt werden,
sondern durch übertragbare Schuldverschreibungen, die sie
Entschädigungsbonds nennt. Die zu Beginn festgeschriebene
Gesamtentschädigungssumme soll gestreckt über 40 Jahre getilgt werden.
Unternehmen können die Bonds jedoch handeln und weiterverkaufen, um sich
frühzeitig die gesamte Summe zu sichern.
In diesem Modell würde die Anstalt öffentlichen Rechts die Entschädigungen
aus den jährlichen Mieteinnahmen begleichen ohne Kredite aufzunehmen.
Auswirkungen auf den Landeshaushalt und damit auch auf die Kapazitäten für
Wohnungsneubau ergäben sich nicht. Die Kampagne reagiert damit auf die weit
verbreitetsten Gegenargumente: Die Vergesellschaftung sei zu teuer und
würde nicht zu mehr Wohnungsneubau führen. Letzteres ist dabei jedoch auch
gar nicht Ziel des Unterfangens.
Die Initiatoren rechnen mit einer Entschädigungshöhe von etwa zehn
Milliarden Euro. Der Senat war in seiner Kostenschätzung dagegen von 28
Milliarden ausgegangen. Kritiker*innen nennen auch immer wieder die
Summe von 36 Milliarden Euro, die dem Marktwert der Wohnungen entspricht.
Laut dem Grundgesetz jedoch ergibt sich keine Notwendigkeit in dieser Höhe
zu entschädigen, stattdessen solle diese „unter gerechter Abwägung der
Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ erfolgen.
Die Idee der Initiative, die laut Schneider den „Spielraum für möglichst
niedrige Entschädigung nutzen“ will: Die Unternehmen sollen über 40 Jahre
die Erträge erhalten, die nicht für die Bewirtschaftung der Wohnungen
erforderlich sind – „bei fairen Mieten“. Als solche definiert die Kampagne
Mieten, die für armutsgefährdete Haushalte 30 Prozent ihres Einkommens
nicht überschreiten. Daraus ergebe sich eine Kaltmiete von 4,04 Euro netto
pro Quadratmeter, mit Abschlägen bei einfachen und mittleren Wohnlagen und
Zuschlägen bei guten Wohnlagen und guter Ausstattung. Von diesen sollen
Bewirtschaftungskosten von 2,76 Euro pro Quadratmeter abgezogen werden. Der
Überschuss, der dann noch bleibt, ist die Entschädigungssumme.
Bei Gewerbeflächen soll die Entschädigung das 15-fache der
Jahresnettokaltmiete betragen, allerdings gedeckelt auf maximal 21,48 Euro
je Quadratmeter. Summa summarum ergibt sich eine Entschädigungssumme, die
deutlich unter dem Marktwert liegt.
Unterstützung für das Modell kam von Rainer Tietzsch vom Berliner
Mieterverein, der den Entwurf auf der Online-Pressekonferenz der Kampagne
kommentierte. Die Idee der Schuldverschreibungen, bezeichnete er als
„tragbar“, das Modell der Entschädigung als „gut vertretbar“. Für Tie…
werden die Ziele der Kampagne, unabhängig von einem Erfolg, die Berliner
Mietenpolitik auf Jahre hinaus prägen.
Ein besonderer Clou des Gesetzentwurfes: Die vergesellschafteten Wohnungen
sollen nie wieder privatisiert werden dürfen. Auch soll die
Vergesellschaftung alle drei Jahre wiederholt werden, um der Entstehung
neuer privater Marktmacht vorzubeugen.
10 May 2021
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## AUTOREN
Erik Peter
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