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# taz.de -- Deutsche Wohnen und Co. enteignen: Was kostet der Enteignungsspaß?
> Die Initiative eröffnet die Debatte ums Geld. Sie rechnet vor: Eine
> Vergesellschaftung der Wohnungsbestände muss nicht teuer sein.
Bild: Deutsche Wohnen und Co. enteignen hat noch Überzeugungsarbeit vor sich
Berlin taz | Wenn ab Ende Februar das [1][Volksbegehren Deutsche Wohnen und
Co. enteignen] mit der Sammlung von 170.000 Unterschriften startet, wird
eine Frage die öffentliche Debatte bis zum möglichen Volksentscheid im
September bestimmen: Wie teuer ist der ganze Enteignungsspaß eigentlich und
wer soll das bezahlen?
Die Initiative ist also gut beraten, sich für diese Auseinandersetzung, die
von der Immobilienlobby mit großem Mitteleinsatz geführt werden wird, zu
wappnen. Und das tut sie schon jetzt. Auf einer digitalen Pressekonferenz
präsentierten die Wohnraumaktivist*innen am Montag ihre Antworten auf
die zentralen Fragen. Demnach wäre eine Vergesellschaftung aller Bestände
von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin schon für
acht Milliarden Euro zu haben – und würde den Haushalt nicht belasten.
Was sich wie ein „Wünsch dir was“ durchgeknallter Kommunist*innen anhört,
präsentiert DW enteignen in einer detaillierten 20-seitigen
[2][Ausarbeitung und zwei animierten Filmen]. Monatelang habe ein Team
daran gearbeitet, so [3][Kampagnensprecher Rouzbeh Taheri].
Durch die Vergesellschaftung der Wohnungsbestände werde Berlin „reicher und
nicht ärmer“, erklärt sein Mitstreiter Ralf Hoffrogge. Zum einen kann
Berlin eine Entschädigung unter Wert zahlen, zum anderen würden mit den
Wohnungen „bleibende Werte“ erworben und über die Mieteinnahmen „laufende
hohe Einnahmen“ erzielt. Dass sich das lohne, zeigten die großen
Immobilienkonzerne, die massenhaft Wohnungen kaufen. Gegenargumente seien,
so Hoffrogge, nur ideologisch motiviert: Weder der Schutz der Konzerne sei
ein ausschlaggebendes Argument, noch dass der Staat ein schlechter
Unternehmer sei. Dies widerlegten die landeseigenen Wohnungsgesellschaften.
## Finanzierung über Kredite
Anders als der Senat, der nach seinem bisherigen Modell einen Kredit über
20 Prozent der Entschädigungssumme auf den Haushalt umlegen will, möchte
die Initiative sämtliche Kosten, die auf einen Schlag zu entrichten wären,
über externe Kredite finanzieren. Die sollen innerhalb von 43,5 Jahren aus
Mieteinnahmen zurückbezahlt werden – und zwar aus jenem Teil, der nicht für
die Bewirtschaftung benötigt wird und bisher in den Taschen von
Privatinvestor*innen landet.
Entscheidend für das Ziel der Initiative, einen großen Sektor bezahlbarer
Wohnungen zu schaffen – von 243.000 zu enteignenden Wohnungen geht der
Senat derzeit aus –, sind die Entschädigungen an die Konzerne. Je höher sie
ausfallen, desto höher sind im Anschluss die Mieten, mit denen die Kredite
getilgt werden sollen. Die Entschädigungszahlung jedoch ist keine
Mathematik, für die es konkrete Vorgaben gäbe, sondern eine politische
Frage. Das Grundgesetz formuliert, dass eine Entschädigung „unter gerechter
Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ erfolgen
solle. Nicht mehr.
„Es geht um die Interessenabwägung zwischen finanzgetriebenen
Wohnungskonzernen und der Allgemeinheit, also allen Menschen, die in Berlin
zur Miete wohnen“, sagt Initiativensprecherin Joanna Kusiak. Das Interesse
Ersterer sei, selbst die erhofften Gewinne erstattet zu bekommen. Das
Maximalinteresse der Allgemeinheit wäre nur eine symbolische Entschädigung.
Die Spannbreite beläuft sich also zwischen einer und 36 Milliarden Euro.
## Allgemeininteresse faire Mieten
Die Initiative hat versucht, das Interesse der Allgemeinheit mit einem
„Faire-Mieten-Modell“ in konkrete Zahlen zu fassen – ausgehend von den
erwünschten Mieten. Im Idealmodell sollen diese maximal 30 Prozent des
Einkommens an der Armutsgrenze betragen – 3,70 Euro kalt pro Quadratmeter.
Um mit diesen Mieteinnahmen die Schulden zu den vom Senat in seiner
Kostenschätzung festgelegten Konditionen zurückzuzahlen, müsste die
Entschädigungssumme acht Milliarden Euro betragen.
Der [4][Senat selbst war von knapp 29 Milliarden Euro ausgegangen], was zu
Mieten von 7,53 Euro führen würde. Die Initiative kritisiert diese
Entschädigung als viel zu hoch: „Sie würde den Zweck der
Vergesellschaftung, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, verhindern.“
Sie bemängelt, dass die Senatsrechnung vom derzeitigen Wert der Wohnungen –
36 Milliarden Euro – lediglich die spekulativen Wertzuwächse des
Bodenwertes abzieht. Dabei habe es bei den Gebäuden selbst ebenso
„leistungslose Wertsteigerungen“ gegeben. Wieso diese – mit denen man auf
einen Wert von 18 Milliarden Euro kommen würde – nicht mit eingerechnet
wurden, sei „unklar“.
Für Taheri ist klar, dass nach einem erfolgreichen Volksentscheid Jahre bis
zur Umsetzung vergehen würden, doch der Prozess, „Spekulanten ein
Stoppzeichen zu setzen“, wäre in Gang gebracht. Montagabend traf sich die
Initiative mit den Fraktionsspitzen von R2G, um auszuloten, ob das Anliegen
direkt vom Parlament beschlossen werden könnte. Eine Einigung stand nicht
zu befürchten. Linken-Fraktionschefin Anne Helm sagte der taz: „Wir wollen
einen erfolgreichen Volksentscheid, keine verwässerte Übernahme.“
30 Nov 2020
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
[2] https://www.dwenteignen.de/was-vergesellschaftung-kostet/#1-warum-werden-ve…
[3] /Interview-mit-Mietenaktivist-Taheri/!5626981
[4] /Enteignungs-Volksbegehren-in-Berlin/!5715386
## AUTOREN
Erik Peter
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