# taz.de -- Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen: Hochzeit der Miethaie | |
> Vonovia kauft ein, verspricht Mieten in Berlin zu begrenzen und Wohnungen | |
> an die Stadt zu verkaufen. Die SPD freut's, Mietervertreter finden das | |
> naiv. | |
Bild: Public Private Partnership: Stimmung! | |
BERLIN taz | „Wir deckeln, wir verkaufen, wir bauen.“ Es waren | |
ungewöhnliche Worte, mit denen [1][Vonovia]-Boss Ralf Buch auf einer | |
Pressekonferenz am Montagvormittag im Roten Rathaus in Berlin die geplante | |
Übernahme der Deutsche Wohnen anpries. Kurz zuvor war bekannt geworden, | |
dass das Bochumer Unternehmen – mit einem Bestand von 400.000 Wohnungen das | |
größte der Branche – die 150.000 Wohnungen seines nachfolgenden | |
Konkurrenten schlucken will – eine entsprechende Grundsatzvereinbarung ist | |
[2][bereits unterzeichnet]. | |
Buchs Botschaft aber richtete sich weder an die Aktionär*innen, noch | |
hob sie die ökonomische Bedeutung des 18-Milliarden-Euro-Deals hervor, sein | |
Auftritt galt allein als Signal an Berlin und seine geplagte | |
Mieter*innenschaft: Mit dem Geschäft einher gehe ein „Neuanfang“, der | |
„Angst von den Menschen nehmen“ solle, so Buch. | |
[3][„Bauen, kaufen, deckeln“] ist der Slogan, den Berlins Sozialdemokraten | |
in der im September zu Ende gehenden Legislaturperiode für ihre | |
Mietenpolitik ausgegeben hatten – im Einklang mit den Koalitionspartnern | |
Linke und Grüne. Ein Neubauprogramm für 20.000 Wohnungen jährlich – | |
[4][2020 erstmals fast erreicht] –, der stete Ankauf privater Bestände | |
zugunsten von Berlins landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die – | |
durch das [5][Urteil über den Mietendeckel] gescheiterte – Begrenzung der | |
Mieten sollten das Mietenproblem der Stadt lösen. Nun also mühte sich Buch | |
dieses sozialdemokratische Programm für sich in Anspruch zu nehmen und | |
machte drei Versprechen. | |
Das wichtigste: Die Bestandsmieten sollen in den kommenden drei Jahren nur | |
um 1 Prozent jährlich steigen, 2024/25 höchstens um die Höhe die Inflation. | |
Gesetzlich erlaubt sind 15 Prozent innerhalb von drei Jahren – bis zur | |
ortsüblichen Vergleichsmiete. Die ist laut dem jüngsten [6][Mietspiegel] | |
zuletzt aber auch nur um 1,1 Prozent gestiegen. Buch sprach von einem | |
privatwirtschaftlich organisierten Mietendeckel und sprach etwas aus, das | |
aus der Branche bislang eher nicht zu hören war: Mieten, die schneller | |
steigen als die Einkommen, würden „die Menschen überfordern“ und seien | |
„kein nachhaltiges Geschäftsmodell“. | |
Was er verschwieg: Mit genau jenem Geschäftsmodell haben Vonovia und | |
Deutsche Wohnen im vergangenen Jahrzehnt das Maximum aus Berlins | |
Wohnungsmarkt gepresst. Bei Wiedervermietungen haben beide die Preise zudem | |
in unbezahlbare Höhen getrieben. Hierbei wollen sie sich auch künftig nicht | |
einschränken. | |
## Verkauf an die Stadt | |
Die zweite Ankündigung: Der neue Großkonzern wolle nun, anders als Vonovia | |
und Deutsche Wohnen bislang, in wesentlichen Größenordnungen bauen. 13.000 | |
neue Wohnungen sind versprochen – ohne Nennung eines konkreten Zeitplans. | |
Das freute den Regierenden Müller, dessen SPD sich, vor allem unter | |
Spitzenkandidatin Franziska Giffey, zuletzt immer mehr auf die Forderungen | |
„Bauen, bauen, bauen“ verengt hatte. Müller: „Um unsere Wohnungsbauzahlen | |
zu erreichen brauchen wir auch privates Engagement.“ | |
Eine „herausragende Bedeutung“ gar erkannte Müller bei der dritten | |
Ankündigung. Im Zuge der Übernahme sollen 20.000 Wohnungen an städtische | |
Wohnungskonzerne verkauft werden. Diese kämen damit ihrem anvisierten Ziel | |
eines Bestands von 400.000 Wohnungen nahe. Finanzsenator Kollatz sprach von | |
einem Kaufvolumen, das über jenen 2,1 Milliarden Euro für die kürzlich | |
beschlossene [7][Rekommunalisierung des Stromnetzes] liege. Gekauft werden | |
sollen dabei besonders Sozialsiedlungen außerhalb des Innenstadtrings – | |
Bestände also, die für die Konzerne nicht zu den lukrativsten gehören. | |
Vonovias Übernahmeersuchen steht aller Voraussicht nach nichts im Wege. | |
[8][Anders als vor sechs Jahren handelt es sich nicht um einen feindlichen | |
Übernahmeversuch], sondern um einen gemeinsamen Plan, den auch die Deutsche | |
Wohnen seinen Aktionär*innen empfehlen wird. Dass dieser weit | |
fortgeschritten ist, machte Kollatz deutlich, der als Zeitrahmen für den | |
Ankauf der 20.000 Wohnungen die nächsten zwei bis drei Monate nannte. | |
Müller lobte das „Sozialpaket“ als Ergebnis gemeinsamer Gespräche, etwa | |
eines runden Tischs nach dem Scheitern des Mietendeckels und dem Ausloten, | |
wo „gemeinsame Interessen liegen“. | |
## Die Vergesellschaftung verhindern | |
Ein solches ist dabei ganz sicher das Ausbremsen des [9][Volksbegehrens | |
Deutsche Wohnen und Co. enteignen], das mit einem Volksentscheid die | |
Vergesellschaftung der privaten Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 | |
Wohnungen in der Stadt erreichen will. Erst vor dem Hintergrund des durch | |
die Kampagne erzeugten Drucks auf die Konzerne ist der Deal samt den | |
gemachten Zusagen erklärlich. Am Ziel der Initiative ändert die Fusion von | |
Vonovia und Deutsche Wohnen nichts. | |
Aber laut dem Volksentscheidgegner Müller seien nun „viele Sorgen, die sich | |
ausgedrückt haben im Volksbegehren, aufgenommen worden und können auch | |
entkräftet werden“. Sicher ist: Angesichts des Narrativs der nun endlich | |
einsichtigen, kooperativen Konzerne wird es für die Initiative nicht | |
einfacher, die Mehrheit der Berliner*innen zu überzeugen, warum der | |
weder einfache noch günstige Weg der Vergesellschaftung gegangen werden | |
sollte. | |
In einer Mitteilung schrieb sich die Initiative die angekündigte | |
Zurückhaltung ihrer Gegner als Erfolg auf ihre Fahnen: „Der Druck unserer | |
Kampagne wirkt.“ Gleichzeitig bezeichnete Sprecher Rouzbeh Taheri den Deal | |
als „Mogelpackung“: Weder sei es attraktiv für das Land, „Wohnungen zu | |
hochspekulierten Marktpreisen zu kaufen“, noch ändere das „kurzfristige | |
Begrenzen von Mietpreisen“ etwas daran, „dass die Mieten mittel- und | |
langfristig weiter gesteigert werden sollen“. | |
Der Berliner Mieterverein nannte den Pakt „mehr Blendwerk als Mieterschutz“ | |
und warnte vor der entstehenden „Marktmarkt“. Man sei überrascht, „mit | |
welcher Naivität der Regierende Bürgermeister Müller und Finanzsenator | |
Kollatz den Immobiliendeal begrüßen“. | |
25 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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