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# taz.de -- Abstimmung über Enteignung in Berlin: Die große E-Frage
> Am 26. September wird auch über den Enteignungs-Volksentscheid
> abgestimmt. Ist ein Erfolg realistisch? Antworten auf die wichtigsten
> Fragen.
Bild: Auf der Straße ist DW enteignen recht präsent
Enteignung? Kann das überhaupt mehrheitsfähig sein?
Ja. In einer am Freitag veröffentlichten Meinungsumfrage von Infratest
Dimap finden 47 Prozent der wahlberechtigten Berliner*innen die
[1][Vergesellschaftung privater Immobilienkonzerne] mit mehr als 3.000
Wohnungen in der Stadt eher gut. 43 Prozent denken, dies sei eher schlecht.
Im letzten Berlin-Trend zu dieser Frage Ende April, kurz nach dem Aus des
Mietendeckels, war das Ergebnis exakt dasselbe.
Könnte der Entscheid noch am Quorum scheitern?
Das ist unwahrscheinlich. Erfolgreich ist der Volksentscheid, wenn eine
Mehrheit der Abstimmenden dafür stimmt und mindestens ein Viertel der 2,5
Million Stimmberechtigten, also etwa 627.000 das „Ja“ auf dem Stimmzettel
ankreuzen. Angesichts der parallel stattfindenden Wahlen zu Bundestag,
Abgeordnetenhaus und Bezirksparlamenten wird Letzteres kein Problem sein.
Und wer will die Enteignung?
90 Prozent der Linken-Anhänger*innen sind dafür, noch einmal acht Prozent
mehr als vor vier Monaten. Unter den potenziellen Wähler*innen der
Grünen, die als Partei [2][eher unentschieden sind], haben 64 Prozent
Sympathien für die Vergesellschaftung (plus 3 Prozentpunkte). Dass sich die
Stimmung polarisiert, zeigt sich auch darin, dass die Ablehnung unter
CDU-Anhängern auf 74 Prozent gewachsen ist (plus 12 Prozentpunkte). Etwas
aus der Reihe fallen die FDP-Wähler*innen, die sich zwar zu 69 Prozent
gegen die Enteignung aussprechen, aber inzwischen auch mehr
Befürworter*innen in ihren Reihen haben: 28 Prozent (plus 19
Prozentpunkte).
Was ist mit der SPD?
Spitzenkandidatin Franziska Giffey versucht alles, um [3][einen Erfolg des
Volksentscheids zu verhindern]. Zuletzt erklärte sie, Enteignungen seien
für sie eine „rote Linie“ für Koalitionsverhandlungen und stellte damit
eine hohe Hürde für die Fortsetzung eines rot-rot-grünen
Regierungsbündnisses auf. Allerdings: Bei ihren potenziellen
Wähler*innen verfängt Giffeys Stimmungsmache nicht. Im Gegenteil: Die
Stimmung ist gekippt. Sprachen sich im April noch 55 Prozent der
SPD-Anhänger*innen gegen die Enteignung aus, sind es nun nur noch 41
Prozent. Eine knappe Mehrheit von 43 Prozent findet die Vergesellschaftung
dagegen gut.
Darf Giffey überhaupt ein solches Gesetz kategorisch ausschließen?
Die Ankündigung, sich über einen demokratischen Mehrheitsentscheid
hinwegsetzen zu wollen, ist ein Affront. Das Problem: Abgestimmt wird nicht
über einen konkreten Gesetzentwurf, sondern über eine Aufforderung an den
Senat, ein Vergesellschaftungsgesetz zu verabschieden. Für die kommende
Landesregierung ist dies rechtlich nicht bindend. Giffey würde wohl
versuchen, rechtliche Bedenken vorzuschieben, um ihr Nichthandeln zu
legitimieren.
Schwächt das die Kampagne?
Für DWE-Sprecher Rouzbeh Taheri spricht aus Giffeys Aussage „die Verachtung
für die Bevölkerung“. Sie berge die Gefahr, „demobilisierend“ zu wirken…
allem bei jenen, die überlegen, ob sie überhaupt zur Wahl zu gehen, ganz
nach dem Motto: Das bringt ja eh alles nichts.
Mit welchem Gegenwind haben die Enteigner*innen noch zu kämpfen?
Die erwartete große Kampagne der Immobilienlobby gegen das Begehren ist
bislang ausgeblieben, dennoch gibt es viele kleine Nadelstiche. Mehrere
Wohnungsbaugenossenschaften lobbyieren gegen den Volksentscheid mit der
Unterstellung, auch sie könnten betroffen sein – dabei sind sie als
nichtprivate Akteure von dem Vorhaben explizit ausgenommen. Die CDU nährt
dieses Lügenmärchen. Am Freitag haben 13 Verbände aus der Berliner
Wirtschaft ihre Ablehnung erklärt. Unter dem Titel „Weiterdenken statt
Enteignen“ heißt es, es gehe „um eine echte Weichenstellung: Für soziale
Marktwirtschaft oder für Enteignung. Für gutes Miteinander oder für
Polarisierung. Für Rechtssicherheit oder für Willkür.“
Gibt es eine Debatte über die Entschädigungshöhe?
Eine holzschnittartige. Die Gegner*innen verweisen auf die
Kostenschätzung des Senats mit 28 bis 39 Milliarden Euro, ohne ins Detail
zu gehen. Eine [4][wissenschaftliche Analyse der verschiedenen
Möglichkeiten der Vergesellschaftung] von 240.000 Wohnungen, die vergangene
Woche von einer Arbeitsgruppe um den Stadtsoziologen Andrej Holm vorgelegt
wurde, fand wenig Beachtung – lediglich zwei Journalisten waren vor Ort.
Dabei sind die von der Gruppe berechneten Entschädigungskosten von auf 14,5
bis 22,8 Milliarden Euro die solidesten Zahlen, die es bislang gibt.
Immerhin die Rosa-Luxemburg-Stiftung versucht nächste Woche mit einer
breiteren Fachöffentlichkeit ins Gespräch zu kommen und lädt zu einer
[5][Konferenz über „Machbarkeit, Entschädigungshöhe und haushaltsneutrale
Finanzierbarkeit“ der Vergesellschaftung].
Was macht die Kampagne, um erfolgreich zu sein?
Alle Aktiven befinden sich im Wahlkampf und konzentrieren sich dabei auf
die Außenbezirke. Hier ist die Zustimmung für ihr Vorhaben geringer und es
wurden wesentlich weniger Unterschriften während des Volksbegehrens
gesammelt. Gesetzt wird auf Haustürgespräche und Informationsmaterial.
300.000 Wahlkampfzeitungen und ebenso viele Flyer werden verteilt. Ab dem
nächsten Wochenende fährt ein Bus mit dem Kampagnenlogo durch die Stadt und
läuft der Werbespot auf Social Media und in einigen Kinos. Am Samstag
beteiligt sich die Kampagne am Umverteilen-Block der Unteilbar-Demo, am 11.
September an der großen Mietendemo.
31 Aug 2021
## LINKS
[1] /Volksbegehren-fuer-Vergesellschaftung/!5750674
[2] /Gruene-Jarasch-ueber-Berliner-Wahlkampf/!5794582
[3] /Wahlkampf-in-Berlin/!5792550
[4] /Entschaedigung-der-Wohnungskonzerne/!5794682
[5] https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/7KH2N/enteignung---das-geht?…
## AUTOREN
Erik Peter
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