# taz.de -- Wahlkampf in Berlin: Wer lacht zuletzt? | |
> Vier Wochen vor den Wahlen liegt die SPD in Umfragen plötzlich vorne. Ist | |
> der Ausgang trotzdem offen? Antworten auf die wichtigsten Fragen. | |
Bild: Macht Wahlkampf auf Kosten von Rot-Rot-Grün: Franziska Giffey | |
Hat der Wahlkampf endlich begonnen? | |
Ja, und er ist sogar in die heiße Phase eingetreten. Am Freitag kam Olaf | |
Scholz zum Auftakt des Straßenwahlkampfs der SPD auf den Berliner | |
Bebelplatz und rief schon mal [1][Franziska Giffey zur Regierenden | |
Bürgermeisterin] aus. | |
Und die anderen Parteien? | |
Die haben sich lange von der SPD den Takt vorgeben lassen. Am Dienstag | |
vergangener Woche ließen die Sozialdemokraten die Verkehrswende platzen, | |
als sie ihre Zustimmung zu den letzten Teilen des Mobilitätsgesetzes | |
verweigerten. Das Ja der SPD zum Auto passt nicht zum geplanten Umbau von | |
Parkplätzen und Straßenland für Fußgänger und Radwege. | |
Insgesamt haben Grüne und Linke zu lange gehofft, gemeinsam mit der SPD | |
einen Lagerwahlkampf gegen CDU, FDP und auch AfD machen zu können. Dabei | |
posaunt Spitzenkandidatin Giffey ihre Liebe zum Auto schon seit Monaten | |
heraus. Hat sie jemand schon mal auf einem Fahrrad gesehen? Eben. | |
Giffey fährt damit ganz gut. | |
Und auf der Überholspur. Laut [2][der neuesten Umfrage] von Infratest dimap | |
liegt die SPD bei 23 Prozent, die Grünen sind auf 17 Prozent abgerutscht. | |
Das ist das Gegenteil von dem, was die Umfragen in den vergangenen Monaten | |
gesagt haben. Die SPD grüßt von ganz oben, die anderen müssen jetzt zu | |
Giffey hochschauen. | |
Obwohl die persönlichen Werte von Franziska Giffey gesunken sind. | |
Die sind in den Keller gegangen, das stimmt. Nur noch 37 Prozent sind mit | |
ihrer Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden. 47 Prozent dagegen sind weniger | |
oder gar nicht zufrieden. Gut möglich, dass ihr die Diskussionen um | |
Plagiate, die auch ihre Masterarbeit betreffen, schaden. Ihr Vorteil aber | |
ist ihre große Bekanntheit. Und der Genosse Bundestrend: Es ist kein | |
Zufall, dass Giffey am Freitag auf einer Bühne stand, bei der im | |
Hintergrund der Slogan stand: Scholz packt das an. | |
Wie bekannt ist die Konkurrenz? | |
Um Bekanntheit muss sich Giffey keine Sorgen machen. Nur 16 Prozent geben | |
beim Berlin-Trend von Infratest dimap an, sie nicht zu kennen. Bei der | |
grünen Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sind es 66 Prozent. Unbekannter | |
ist nur noch Kristin Brinkner (AfD) mit 82 Prozent. Kai Wegner (CDU) kennen | |
57 Prozent nicht, Sebastian Czaja (FDP) 48 Prozent. | |
Und Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer? | |
Macht die Ausnahme. Als Einziger hat er in der Beliebtheit zulegen können. | |
Und als Einziger halten sich bei ihm Zustimmung (31) und Ablehnung (33) in | |
etwa die Waage. Am Freitag erhielt Lederer zudem noch mal deutliche | |
Unterstützung: 100 Prominente aus dem Kulturbetrieb sprachen sich in einer | |
Zeitungsanzeige für ihn als Regierenden aus. Die Hilfe braucht Lederer aber | |
auch: Die Linke ist in Umfragen mit 12 bis 15 Prozent klar auf Platz vier | |
abgerutscht. Und gewählt wird am 26. September die Partei, nicht | |
Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat. | |
Welche Koalitionen wären bei diesem Wahlergebnis nach dem 26. September | |
möglich? | |
Zunächst einmal eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün, nur dass es dann | |
Rot-Grün-Rot heißen würde. Aber auch eine Koalition der SPD mit der CDU und | |
der FDP wäre möglich. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die Berliner | |
CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Wegner vom Bundestrend abkoppelt: Der zeigt | |
klar nach unten. | |
Grüne und Linke warnen vor dieser Deutschlandkoalition. Wie wahrscheinlich | |
ist sie? | |
Die Warnungen sind nicht unberechtigt. In vielen Fragen, etwa bei der | |
Verkehrspolitik, liegen die Positionen der SPD mit denen der CDU und FDP | |
näher beieinander als mit den Grünen. Und was die Mietenpolitik angeht, hat | |
Giffey klar gemacht, nicht mit einer Partei verhandeln zu wollen, die für | |
Enteignungen eintritt. Das war eine klare Ansage an die Linke. Außerdem | |
trug Giffey beim Wahlkampfauftakt mit Olaf Scholz ein schwarzes Kleid unter | |
dem roten Jackett. | |
Würde die SPD-Basis das mitmachen? | |
Hätte sie eine Alternative? Wenn die SPD mit Auto und innere Sicherheit die | |
Wahl gewinnt, wird sie auch eine Politik für Auto und innere Sicherheit | |
machen wollen. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass ein Parteitag ihrer | |
Spitzenkandidatin die Gefolgschaft verweigert. Die Berliner SPD hat sich | |
Franziska Giffey mit Gedeih und Verderb ausgeliefert. | |
Welche Unsicherheiten gibt es noch vor der Wahl? | |
Einige. Zum einen haben Umfragen einen gewissen Fehlertoleranz von | |
plus/minus 3 Prozent – und SPD, Grüne und CDU liegen immer noch relativ | |
nahe beieinander. Auch lagen die Demoskopen zuletzt bei der AfD oft nicht | |
richtig: In Berlin steht die Partei derzeit bei 10 bis 12 Prozent. | |
Zudem haben Grüne und Linke ihre Zurückhaltung gegenüber der SPD aufgegeben | |
und greifen sie und Giffey nun stärker an. Monika Herrmann, grüne | |
Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, sprach am Wochenende wegen | |
der Verkehrs- und Umweltpolitik gar von einer „Kriegserklärung der SPD | |
gegen uns Berliner*innen“. Allerdings ist unklar, wie viele Wählerinnen und | |
Wähler das noch beeinflusst: Denn Briefwahl ist bereits seit zwei Wochen | |
möglich. Angesichts von Corona wird damit gerechnet, dass die Zahl deren, | |
die ihre Entscheidung nicht erst am 26. September treffen, deutlich steigt. | |
In vier Wochen stimmen die Berlinerinnen und Berliner auch über den | |
Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen ab. Was bedeutet das für | |
die nächste Legislaturperiode? | |
Hängt vom Ausgang ab. Laut einer RBB-Umfrage ist eine leichte Mehrheit für | |
die Enteignung großer Immobilienkonzerne. Ein Sieg der Initiative würde | |
zwar nicht bedeuten, dass das Gesetz kommt – abgestimmt wird nur über einen | |
Appell. Aber der Druck auf die Politik und auch auf die SPD, Mieterinnen | |
und Mieter wirklich zu schützen, würde steigen. | |
30 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Droht-Berlin-die-Deutschland-Koalition/!5794026 | |
[2] /Abgeordnetenhauswahl-am-26-September/!5791462 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Bert Schulz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Wahlkampf | |
Bettina Jarasch | |
Franziska Giffey | |
SPD Berlin | |
Bettina Jarasch | |
Grüne Berlin | |
Briefwahl | |
Rot-Rot-Grün | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
Briefwahl | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Antje Kapek | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Umfrage für Berlin-Wahl: Grüne und SPD gleichauf | |
Die Forschungsgruppe Wahlen sieht die SPD bei 21 Prozent, die Grünen bei | |
20. Damit ist ein Sieg von Franziska Giffey nicht mehr sicher. | |
Berlins Grünenchef über den Wahlkampf: „Auspuff-Liberalismus der SPD“ | |
Der Noch-Koalitionspartner nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, sagt | |
Werner Graf. Die SPD versuche, die Stadt in die Betonzeit zurückführen. | |
Unvollständige Briefwahlunterlagen: Anfechtung unwahrscheinlich | |
In einigen Berliner Bezirken wurden unvollständige Briefwahlunterlagen | |
verschickt. Die Landeswahlleitung sorgt das bisher nicht. | |
Koalitionsmöglichkeiten der SPD: Nein zu R2G ist keine Option | |
Die Angst in deutschen Landen vor dem Kommunismus überwiegt bisweilen die | |
Sorge vor der Klimakrise. Dennoch sollte Scholz R2G vorerst nicht absagen. | |
taz-Talk Berlin-Wahl mit Klaus Lederer: „Der wähle mich“ | |
Klaus Lederer (Linke) gibt sich zum Start der taz-Talks zur Berlin-Wahl | |
kämpferisch: In der taz-Kantine warnt er vor „Stillstand“ unter der | |
Giffey-SPD. | |
Wahlkampf in Berlin: Giffey will es grau | |
Wieder wird ein Gesetz von Rot-Rot-Grün durch Giffey gestoppt. Doch in der | |
SPD erwacht die Kritik an ihrem Kurs Richtung CDU und FDP. | |
Abstimmung über Enteignung in Berlin: Die große E-Frage | |
Am 26. September wird auch über den Enteignungs-Volksentscheid abgestimmt. | |
Ist ein Erfolg realistisch? Antworten auf die wichtigsten Fragen. | |
Politologe über verstärkte Briefwahl: „Die Kampagne muss früher raus“ | |
Immer mehr Menschen wählen per Brief; Corona dürfte diesen Trend | |
verstärken. FU-Politologe Thorsten Faas erklärt, wie das den Wahlkampf | |
beeinflusst. | |
Droht Berlin die Deutschland-Koalition?: Wer SPD wählt, wählt CDU und FDP | |
Die Berliner SPD lässt unter anderem mit ihrem Bekenntnis zum Auto Rot-Grün | |
scheitern, mit ihrer Mietenpolitik stößt sie die Linken vor den Kopf. | |
Rot-rot-grüne Wohnungspolitik in Berlin: Die Verschnaufpause war kurz | |
In der Wohnungspolitik hat Rot-Rot-Grün viel versucht – und ist doch gegen | |
Wände gerannt. Es bleibt aber Hoffnung: Linke Wohnraumpolitik ist möglich. | |
Giffeys Liebe zum Auto: Wahlkampf statt Verkehrswende | |
Die Verhandlungen über die letzten Kapitel des Mobilitätsgesetzes sind | |
gescheitert. Nun zeichnet sich ein Lagerwahlkampf in Berlin ab. | |
Abgeordnetenhauswahl am 26. September: Wenn Berlin ganz grün wäre … | |
Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stellt vor dem Roten Rathaus | |
ihr Kurz-Regierungsprogramm mit zehn Punkten vor. |