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# taz.de -- Karlsruher Beschluss zum Klimaschutz: Freiheit statt Fossilismus!
> Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ist ein
> Paukenschlag. Es ergreift Partei für künftige Generationen.
Bild: Fridays-for-Future: Klimastreik am 20. September 2019 in Berlin
Berlin taz | „Politik ist das, was möglich ist“, sagte Bundeskanzlerin
Angela Merkel am 20. September 2019, als sie [1][das „Klimaschutzgesetz“
der Bundesregierung] vorstellte. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe sie korrigiert: Politik muss sein, was nötig ist. In dieser
Formel lässt sich der „epochale“ Beschluss der obersten Richter
zusammenfassen. Es ist eine Entscheidung, die Deutschland nachhaltig
verändern wird.
Denn nicht nur wird die Regierung vom Verfassungsgericht ordentlich
abgewatscht. Das passiert immer mal wieder und gehört zur Gewaltenteilung.
Aber hier ist das Gericht, das sich in der Vergangenheit geweigert hat,
grundlegende Klimafragen zu entscheiden, über seinen Schatten gesprungen.
Es hat nicht wie bisher der Politik einen möglichst großen Spielraum
eingeräumt, um sich nur zu melden, wenn Regierung und Parlament untätig
bleiben.
Nein, Karlsruhe hat sich richtig engagiert: Das Gericht hat die
Anforderungen des Klimaschutzgesetzes im Detail kritisiert, den
umstrittenen „Budget-Ansatz“ für die Berechnung der CO2-Emissionen zum
Maßstab geadelt und der aktuell herrschenden Generation verboten, sich
weiter auf Kosten ihrer Kinder und Enkel zu amüsieren. Vor allem aber haben
Deutschlands oberste RichterInnen die Klimakrise als eine Frage der
Freiheit definiert: Jede Tonne CO2, die wir heute ausstoßen, schränkt den
„CO2-relevanten Freiheitsgebrauch“ der künftigen Generationen ein. Von
diesem Konzept werden wir noch viel hören.
Das ist ein großer Erfolg für die Klimabewegung, die sich seit Jahren auch
auf den juristischen Weg begeben hat. Es zeigt, wie viel Wirkung eine
Allianz aus Öko-Verbänden, Fridays for Future, Initiativen und engagierten
JuristInnen haben kann, die den langen Marsch durch die Gerichtssäle
antreten. Es zeigt auch, wie gut sich das oberste deutsche Gericht in einer
aktuellen Grundsatzfrage positionieren kann. Vielleicht debattieren ja auch
die Roten Roben mit ihren Kindern am Frühstückstisch über das
[2][Schuleschwänzen am Freitag].
## Eine Gesetz wie Pfusch am Bau
Für die Politik ist die Entscheidung Gegenwind und Rückenwind zugleich.
Natürlich ist es nicht angenehm, sich als amtierende MinisterIn vorwerfen
zu lassen, man habe Pfusch am Bau abgeliefert und ein Gesetz sei
verfassungswidrig. Aber insgesamt stärkt der Beschluss der Politik den
Rücken: Denn niemand hat nun noch Argumente gegen eine Verschärfung der
Klimaziele und eine Verlängerung der Maßnahmen über 2030 hinaus.
Nötig wird ein konsequentes Schrauben am CO2-Preis, am Emissionshandel, an
einem früheren Kohleausstieg, ein Verbot für Verbrennungsmotoren und andere
Maßnahmen. Wer sich davor fürchtete, zu viel Klimaschutz zu machen, konnte
sich bisher hinter der EU verstecken, deren höhere Ziele umzusetzen sind.
Jetzt hat er auch noch das Bundesverfassungsgericht im Nacken und im
Rücken, wenn er mehr fordert.
Das aber muss der entscheidende Spieler in dieser Frage eben auch wollen.
Und der heißt Armin Laschet. Der ramponierte CDU-Chef und Spitzenkandidat
hat sich bisher [3][beim Thema Klimapolitik tatsächlich wie „Helmut Kohl
2.0“ verhalten]: Bloß nicht zu viel Klimaschutz, Umweltpolitik kostet Geld
und Jobs, das war sein Mantra, vielleicht auch, um sich vom schlagartig
ergrünten CSU-Chef Markus Söder abzusetzen.
Laschet hat ein „Modernisierungsjahrzehnt“ ausgerufen, aber wühlt beim
Thema Wirtschaftspolitik weiter in der Mottenkiste der Vergangenheit. Dass
Klimaschutz Modernisierung bedeuten kann, grünen Wohlstand, Innovation und
Umdenken, das ist bei weiten Teilen der CDU/CSU noch nicht angekommen. Und
trotzdem fragen sie sich, warum die WählerInnen ihnen weglaufen.
## Karlsruhe weist auch Laschet die Richtung
Da hilft der Spruch aus Karlsruhe. Denn er bindet jede Regierung, die Armin
Laschet führen will. Den Grünen als möglichen Regierungspartnern wird er
nützen, aber nicht allzu sehr. Denn er bestätigt nur, was sie als bislang
einzige Partei mit dem Klimaschutz-Gen ohnehin tagein, tagaus sagen. Aber
die Union könnte dieser Donnerschlag aus Karlsruhe aufwecken.
Welcher Kanzler will sich schon höchstrichterlich vorwerfen lassen, den
„nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast zu überlassen“ und
deren Leben „umfassenden Freiheitseinbußen auszusetzen“? Die Erzählung von
„Freiheit“ ist nirgends so wirkmächtig wie im konservativen und liberalen
Lager. Wenn die CDU/CSU klug und machtorientiert genug ist, definiert sie
nach diesem Richterspruch ihren alten Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger�…
in Zukunft ganz neu. Vielleicht so: Freiheit statt Fossilismus!
29 Apr 2021
## LINKS
[1] /Wirtschaftsminister-will-Klimaschutz-Vertrag/!5711027
[2] /Fridays-for-Future-und-die-Gruenen/!5727724
[3] /Braunkohle-Entscheidung-in-NRW/!5757215
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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