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# taz.de -- Deutsche Klimapolitik: Zu Hause klotzen, weltweit kleckern
> Das neue Klimagesetz bringt praktisch den Kohleausstieg bis 2030. Aber
> mehr Geld für arme Länder verspricht Kanzlerin Merkel nicht.
Bild: Manche Kraftwerke sollen schneller vom Netz (rechts), andere dafür verme…
Berlin taz | Bei ihrem letzten Auftritt als Gastgeberin des internationalen
„Petersberger Klimadialogs“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag
das ehrgeizige neue deutsche Ziel vorgestellt, Klimaneutralität schon bis
2045 zu erreichen. Mehr Geld für den internationalen Klimaschutz, wie von
vielen Seiten eingefordert, legte die Kanzlerin allerdings nicht auf den
Tisch.
Für Fortschritte zur globalen Klimaneutralität brauche es „nationale
Ambition und internationale Solidarität“, erklärte Merkel bei dem
virtuellen Gipfeltreffen, das Donnerstag und Freitag stattfindet. Bei der
Ambition konnte sie punkten: Das EU-Klimaziel, die Treibhausgase bis 2030
im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren, werde Deutschland mit
minus 65 Prozent umsetzen, das Netto-Null-Ziel von 2050 auf 2045 vorziehen.
Bei der öffentlichen Finanzierung habe Deutschland schon 2019 mit 4,3
Milliarden Euro sein Ziel von 4 Milliarden „übererfüllt“. Zusammen mit
Krediten und privaten Investitionen trage Deutschland so 7,6 Milliarden zum
globalen Klimaschutz bei. Auf Nachfrage erklärte sie, ein weltweiter
CO2-Preis sei wichtig und Hilfsprojekte müssten effizienter werden. Sie
warnte aber auch, nach der Pandemie drohten große Haushaltslöcher in vielen
Industriestaaten.
Ein „schweres Versäumnis“ nannte diese Entscheidung die Hilfsorganisation
Oxfam. Eine Verdopplung der deutschen Hilfen müsse nun auf dem G7-Gipfel im
Juni angekündigt werden. Ähnliches fordert auch UN-Generalsekretär Antonio
Guterres. Er konnte sein Grußwort wegen technischer Probleme nicht
übermitteln, aber sein Redemanuskript forderte von den reichen Ländern,
viel mehr für die Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel in armen
Weltregionen zu tun: „Ich bin tief beunruhigt darüber, wie wenig es
vorangeht“, erklärte Guterres. Jährlich stünden dafür nur etwa 17
Milliarden Dollar zur Verfügung, obwohl schon jetzt mindestens 70
Milliarden gebraucht würden.
Für Merkel war der „Petersberger Klimadialog“, den sie 2010 nach dem
Scheitern des UN-Gipfels in Kopenhagen ins Leben gerufen hatte, immer ein
wichtiger Termin. Während hinter den Kulissen die KlimadiplomatInnen aus
der ganzen Welt im vertrauten Kreis Verhandlungsspielräume ausloteten,
nutzte Merkel diese Bühne für spektakuläre Ansagen ins In- und Ausland: So
verkündete sie 2014, Deutschland werde seine internationale
Klimafinanzierung verdoppeln, [1][gab 2019 das deutsche Ziel
Klimaneutralität bis 2050 bekannt] und 2020 stellte die Kanzlerin dort die
Weichen für das nun erhöhte EU-Klimaziel.
Um das umzusetzen und dem Urteil des Verfassungsgerichts von letzter Woche
nachzukommen, will Merkels Regierung nun minus 65 Prozent Treibhausgase bis
2030 und einen konkreten Pfad bis zur Null im Jahr 2045 beschreiben. Das
sieht der Entwurf für das überarbeitete „Klimaschutzgesetz“ (KSG) des
Bundes vor, der in der Regierung derzeit abgestimmt wird und der der taz
vorliegt.
Demnach trägt die größte Last wieder einmal die Energiewirtschaft: Ihre
zulässigen Emissionsmengen sollen im Jahr 2030 mit 108 Millionen Tonnen CO2
noch einmal 38 Prozent niedriger liegen als bisher im KSG vorgesehen; im
Vergleich zum Ausgangswert von 1990 entspricht das einem Rückgang um 77
Prozent.
## Kohleausstieg muss schneller kommen
Erreicht werden dürfte dies primär durch einen höheren Preis im
EU-Emissionshandel. Und das neue Ziel für den Energiesektor hat
weitreichende Folgen – vor allem für die Kohleverstromung, [2][die nach
bisherigen Plänen erst 2038 enden soll]. „Im Kern heißt das, dass der
Kohleausstieg bis 2030 sehr weitgehend vollzogen worden muss“, sagte
Energieexperte Felix Matthes vom Öko-Institut der taz.
An zweiter Stelle bei den nötigen Einschnitten steht die Industrie, deren
Emissionen 2030 noch einmal 15 Prozent niedriger liegen sollen als bisher
vorgesehen. Im Verkehrssektor ist im Vergleich zu den bisherigen Vorgaben
ein zusätzlicher Rückgang um 11 Prozent geplant, in der Landwirtschaft von
7 Prozent und bei Gebäuden von 4 Prozent; dort sind kurzfristige Änderungen
sehr viel schwieriger zu erreichen als bei Kraftwerken und Industrie.
Auch für die Zeit nach 2030 werden nun, [3][wie vom
Bundesverfassungsgericht gefordert], detaillierte Vorgaben gemacht: 2040
sollen die Emissionen 88 Prozent niedriger liegen als 1990. Spätestens 2045
soll Deutschland dem Entwurf zufolge klimaneutral sein. Dafür soll auch
sorgen, dass die CO2-Aufnahme von Wäldern und Böden angerechnet wird. Das
ist umstritten, weil es Rechentricks begünstigen kann. Und ob es gelingt,
ist fraglich: Derzeit gehen viele ExpertInnen davon aus, dass der Wald in
den nächsten Jahrzehnten so unter dem Klimawandel leiden wird, dass er mehr
CO2 freisetzt, als er binden kann.
6 May 2021
## LINKS
[1] /Klimastreit-in-der-Koalition/!5591579
[2] /Ausstiegsplan-nimmt-letzte-Huerde/!5693720
[3] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
## AUTOREN
Bernhard Pötter
Malte Kreutzfeldt
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