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# taz.de -- Fossile Energie und Klimaschutz: Bloß keinen Preis für CO2
> Die deutsche Politik setzt auf CO2-Preise, doch das wird nicht
> funktionieren. Man muss direkt festlegen, wie teuer Öl oder Kohle sein
> sollen.
Bild: Nur wenn fossile Energie stetig und planbar teurer wird, lohnt sich z.B. …
Ob Union, SPD oder Grüne: Sie alle setzen auf den CO2-Preis, um
„marktkonform“ den Klimaschutz voranzutreiben. Gestritten wird nur noch,
wie hoch die Abgabe sein soll. Die Grünen sind am radikalsten und fordern,
dass die Emission von einer Tonne CO2 60 Euro ab 2023 kosten soll. Trotzdem
ist es die [1][falsche Strategie], auf steigende CO2-Preise zu setzen.
Auf den ersten Blick wirkt die Idee vom CO2-Preis überzeugend. Nur wenn
fossile Energie immer teurer wird, lohnt es sich für BürgerInnen und
Unternehmen, Energie zu sparen und auf Ökostrom umzustellen. Denn die
Energiewende erfordert gewaltige Investitionen und wird Milliardensummen
kosten.
Gebraucht werden unter anderem Millionen Wärmepumpen, Photovoltaik auf fast
allen Dächern, enorme Kapazitäten an Stromspeichern, ein transeuropäisches
Schienennetz, ein ausgebauter Nahverkehr, Elektroautos, grüner Wasserstoff
für die Industrie und für Lastwagen, Stromleitungen durch ganz Europa sowie
viele neue Windräder.
Damit diese Mega-Investitionen getätigt werden, braucht es
Planungssicherheit und Rentabilität. Beides ist jedoch nur dann
gewährleistet, wenn alle Akteure wissen: Die Preise fossiler Energie
steigen in den nächsten 30 Jahren stetig an. Denn die [2][Investitionen zur
Emissionsvermeidung] sind ja nur profitabel, falls es deutlich
kostspieliger gewesen wäre, fossile Energie zu verbrennen.
Wenn zum Beispiel alle BürgerInnen damit rechnen müssen, dass Treibstoff
oder Heizöl stetig um etwa fünf Prozent pro Jahr teurer werden, können sie
mühelos ermitteln, wie viel Geld sie in Zukunft sparen werden, wenn sie
heute schon ihre Wohnung energetisch sanieren oder ein Elektroauto kaufen.
Genau diese Planbarkeit wird es jedoch nicht geben, wenn die Politik
weiterhin auf CO2-Preise oder den Emissionshandel setzt. Denn die
tatsächlichen Kosten für die fossile Energie ergeben sich ja erst aus dem
Weltmarktpreis von Erdöl, Kohle und Erdgas plus den Zusatzbelastungen, die
durch eine CO2-Steuer oder den CO2-Zertifikatpreis entstehen. Da aber die
Weltmarktpreise für Öl, Kohle und Gas enorm schwanken, wird es immer wieder
vorkommen, dass die Kosten für fossile Energie nicht etwa steigen, sondern
sinken – trotz der CO2-Steuer.
Dieses Phänomen lässt sich schon jetzt ganz konkret beobachten, denn
Energie wird ja längst besteuert – beispielsweise durch die Diesel- oder
Benzinsteuer. In Deutschland beträgt die Dieselsteuer derzeit 47 Cent pro
Liter. Da ein Liter Diesel 2,65 kg CO2 emittiert, belastet die Steuer eine
Tonne „Diesel-CO2“ also mit rund 180 Euro. Das ist schon jetzt viel mehr,
als die geplanten CO2-Steuern bisher vorsehen. Trotzdem schwankte der
Dieselpreis an der Tankstelle in den vergangenen zwanzig Jahren zwischen 80
Cent und 1,50 Euro pro Liter.
Denn der Erdölpreis schwankte auf den Weltmärkten noch viel stärker,
nämlich zwischen 20 und 100 Euro pro Barrel (159 Liter). Das bedeutet: Ein
„Bullenmarkt“ an den Ölbörsen lässt ökologische Investitionen rentabel
erscheinen, ein „Bärenmarkt“ macht sie wieder unrentabel. Seit 2008 ist der
Dieselpreis drei Mal um jeweils etwa 30 Prozent gesunken. Umweltschädliche
Investitionen wie die Anschaffung treibstofffressender SUVs wurden dadurch
wieder attraktiv.
## EU muss Preise für fossile Brennstoffe festlegen
Die gleiche Problematik prägt den EU-Emissionshandel seit seiner Einführung
2005: Die Preise für eine Tonne CO2 schwankten zwischen 3 und 48 Euro.
Aktuell sind CO2-Emissionen zwar teuer, was klimaneutrale Investitionen
anregen könnte, wüssten die Akteure nicht, dass die Preise für
CO2-Zertifikate schon vier Mal um mehr als 50 Prozent gefallen sind.
Diese enormen Schwankungen der Energiepreise machen Investitionen in den
Klimaschutz zu einem Glücksspiel. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die
Ölpreise auf den Weltmärkten werden vor allem von Spekulanten bestimmt, die
mit Derivaten auf die Kurse wetten. Das gleiche Spiel findet auch bei
Aktien, Anleihen oder Kryptowährungen statt.
Was wäre nun die Lösung? Theoretisch ist sie einfach: Die EU muss die
Preise für Erdöl, Kohle und Erdgas direkt festlegen und dafür sorgen, dass
die Kosten für fossile Energie stetig steigen. Ein Beispiel: Die EU könnte
etwa festlegen, dass ein Barrel Öl im Jahr 2025 genau 100 Euro kostet und
ein Jahr später 105 Euro. Liegt der Weltmarktpreis darunter, wird die
Differenz als Steuer abgeschöpft. Der definierte Preis steigt jährlich,
wobei diese Teuerungsrate gar nicht hoch sein muss. Ein jährliches Plus von
5 Prozent würde schon reichen.
Entscheidend ist die Planungssicherheit: Wenn fossile Brennstoffe stetig
teurer werden, sind Investitionen in die Energiewende verlässlich
profitabel. Die europäischen Unternehmen wären trotzdem konkurrenzfähig,
denn alle Importe würden an den EU-Außengrenzen mit einer entsprechenden
Energieabgabe belastet; gleichzeitig wären alle Exporte von der Steuer
befreit.
## Größtes Marktversagen der Menschheitsgeschichte
Durch diese Ausgleichssteuer würden die EU-Staaten mehrere hundert
Milliarden Euro einnehmen. Ein Teil könnte an einkommensschwache Haushalte
zurückgegeben werden, damit sie durch die Energiewende nicht zu stark
belastet werden. Der Rest sollte in öffentliche Umweltinvestitionen
fließen. Technisch ist es jedenfalls viel einfacher, flexible Mengensteuern
auf Kohle, Öl und Gas zu erheben, als punktgenau CO2-Steuern einzutreiben
oder den komplizierten Emissionshandel zu verwalten.
Gern wird der Einwand erhoben, dass das Konzept doch eine
planwirtschaftliche Preissteuerung sei. Das stimmt. Aber diese
Preissteuerung gäbe es nur für fossile Energie. Denn Märkte können die
Schäden, die durch die CO2-Emissionen entstehen, nicht von selbst
„einpreisen“. Der Klimawandel stellt das größte Marktversagen der
Menschheitsgeschichte dar.
11 May 2021
## LINKS
[1] /Entscheidung-ueber-Emissionshandel/!5717349
[2] /Holzarchitektur-gegen-die-Klimakrise/!5768977
## AUTOREN
Stephan Schulmeister
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