| # taz.de -- Kritik an Wasserstoffstrategie: Schneller, höher, näher! | |
| > Stiftung Klimaneutraltität und Öko-Institut kritisieren die Politik der | |
| > Regierung: Für Öko-Wasserstoff brauche es viel mehr Geld und neue Regeln. | |
| Bild: Wo soll der ganze Wasserstoff her kommen? Wasserstofftankstelle in Wupper… | |
| Berlin taz | Die „Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung gibt es erst | |
| seit einem knappen Jahr, sie gilt aber bei Kritikern und Experten schon als | |
| altes Eisen. Mit einer „Wasserstoffstategie 2.0“ müsse deutlich mehr Geld | |
| für lange Zeit planungssicher investiert werden, um den Umbau vor allem der | |
| deutschen Chemie- und Stahlindustrie zur klimafreundlichen | |
| Wasserstoff-Technik voranzubringen. Das hat am Mittwoch Rainer Baake, | |
| Direktor [1][der „Stiftung Klimaneutralität“, gefordert und dafür ein | |
| umfassendes Gutachten des Öko-Instituts vorgelegt.] | |
| Für den wirksamen Ausbau des „grünen Wasserstoffs“ brauche es viel mehr | |
| Erneuerbare als geplant, mehr Produktion im Inland und in Europa und | |
| weniger Hoffnung auf den Import großer Mengen billigen grünen Wasserstoffs, | |
| wie ihn die Bundesregierung derzeit plant, hieß es. Selbst bei allen | |
| Fortschritten bei billiger Produktion in Afrika und Australien werde | |
| klimaneutral hergestellter Wasserstoff „auf absehbare Zeit ein knappes und | |
| teures Gut sein“, so Baake. | |
| ## Ökoenergie aus Europa, nicht importiert aus Afrika | |
| [2][Erst im Juni 2020 hat die Bundesregierung nach langen internen Kämpfen | |
| ihre „Wasserstoffstrategie“ verabschiedet], die Wasserstoff (H2) aus | |
| Ökostrom als zentralen Punkt für Klimaschutz und Energiewende beschreibt. | |
| Bis 2030 sollen in Deutschland demnach 5 Gigawatt Kapazität von | |
| H2-Produktion entstehen, wofür etwa 14 Terawattstunden von zusätzlichem | |
| grünen Strom gebraucht werden. Dafür sieht die Regierung Hilfen von | |
| insgesamt 9 Milliarden Euro für Produktion und Import vor. Die Strategie | |
| war von Industrie und Umweltverbänden grundsätzlich gelobt worden. | |
| Baake und dem Öko-Institut reicht sie aber bei weitem nicht aus. Sie | |
| fordern 10 Gigawatt Leistung und 30 Terawattstunden zusätzlichen Grünstrom | |
| für 2030. Die Förderung solle „weniger mit der Gießkanne“ erfolgen und s… | |
| auf einen „Technologiewechsel“ in der Industrie etwa zu grünem Stahl oder | |
| anderem Güterverkehr konzentrieren. | |
| Die Gesamtkosten dafür bezifferte Felix Matthes vom Öko-Institut bis 2035 | |
| auf etwa 10 Milliarden Euro für den Technologiewechsel und etwa 50 | |
| Milliarden Euro für höhere Betriebskosten. Nur mit einem verlässlichen | |
| Rahmen werde die Industrie im großen Stil umplanen. Auch müssten „sehr | |
| viele kleine und mittlere Bremsen“ beseitigt werden, so Matthes: Es fehle | |
| bislang an einer Zertifizierung für grünen Wasserstoff, an Infrastruktur | |
| wie Netzen, Pipelines und Tankstellen und besseren Bedingungen etwa im | |
| EU-Emissionshandel, so der Energieexperte. | |
| ## Die Kosten: Eher 60 als die geplanten 9 Milliarden Euro | |
| Eine neue Bundesregierung mit möglicher grüner Beteiligung wäre da offen, | |
| signalisierte die Energieexpertin der Fraktion, Ingrid Nestle. Sie begrüßte | |
| den „geforderten priorisierten Einsatz von Fördermitteln“ für Industrie, | |
| Stromerzeugung und Langstreckenverkehr. Da werde mehr | |
| Investitionssicherheit gebraucht. | |
| Der Vorschlag der Stiftung Klimaneutralität sieht auch vor, grünen | |
| Wasserstoff erst einmal nicht zum Heizen oder für den Pkw-Verkehr | |
| verwenden. Das gehe mit Strom besser und billiger, heißt es. Für Baake, den | |
| ehemaligen grünen Staatssekretär für Umwelt und Energie, ist auch klar, | |
| dass der grüne H2 aus Deutschland, aus der dänischen und niederländischen | |
| Nordsee und auch aus Spanien und Portugal kommen soll. Importe aus Afrika | |
| oder Australien per Schiff hält er für zu teuer. | |
| Dagegen hatte erst vorige Woche Bundesforschungsministerin Anja Karliczek | |
| (CDU) noch geschwärmt, Westafrika könne zum „klimafreundlichen Powerhouse | |
| der Welt werden“. [3][Sie stellte den „Potenzialatlas Grüner Wasserstoff�… | |
| vor, an dem ihr Haus und deutsche und afrikanische Forschungsinstitute | |
| arbeiten, um die „immensen Potenziale einer Partnerschaft“ von Deutschland | |
| und Westafrika zu untermauern; dies könne die Wirtschaft in den | |
| Herkunftsländern entwickeln und zugleich Deutschland saubere Energie | |
| liefern. | |
| Nach diesen Zahlen ergibt sich allein in Westafrika ein Potenzial für | |
| 165.000 Terawattstunden Grünen Wasserstoffs, die Preise für Strom aus Wind | |
| und Sonne lägen 30 Prozent unter den deutschen Kosten. Allerdings gibt auch | |
| der Atlas zu, dass der Bedarf an Süßwasser für die H2-Produktion das | |
| Potenzial um 80 Prozent reduziert und die Transportfrage ungeklärt ist. | |
| Dazu kommen politische Unwägbarkeiten. In Mali, einem der Länder im „Atlas�… | |
| hat gerade wieder einmal das Militär geputscht. Und Marokko ist im Atlas | |
| gar nicht aufgeführt, obwohl es dort bereits eine Kooperation von deutschen | |
| Stellen zu Grünstrom und Wasserstoff gibt. Aber alle diese Projekte liegen | |
| gerade auf Eis, bestätigt die Bundesregierung. Marokko hat wegen des | |
| Streits um die Westsahara im Frühjahr die diplomatischen Beziehungen zu | |
| Deutschland abgebrochen. | |
| 26 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.stiftung-klima.de/de/themen/wasserstoff/wasserstoffstrategie-2-… | |
| [2] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/die-nationale-wasser… | |
| [3] https://www.bmbf.de/de/potenzialatlas-wasserstoff-afrika-koennte-energiever… | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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