Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wasserstoff als Energiespeicher: Grüne Wasserstoffenergie
> In einem Pilotprojekt soll vor Helgoland Wasserstoff produziert werden.
> Die Energie liefern Windkrafträder von Offshore-Anlagen.
Bild: Umweltfreundlicher Strom, produziert auf hoher See, soll für Wasserstoff…
In der deutschen Wasserstoffforschung wird jetzt die „Bazooka“ eingesetzt.
Mit gigantischen 700 Millionen Euro bringt das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) drei Leitprojekte auf den Weg, aus denen
einmal eine international konkurrenzfähige Elektrolyse-Industrie zur
Produktion von [1][„Grünem“ Wasserstoff“] entstehen soll.
Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) verlässt ihr wissenschaftliches
Versuchsterrain und wagt sich auf das Feld der ökologischen
Industriepolitik. Wen kümmern administrative Ressortzuständigkeiten, wenn
es um die Rettung des Weltklimas geht?
Das neue Wasserstoff-Großprojekt, das in der vorigen Woche von Karliczek
zusammen mit dem „Innovationsbeauftragten“ ihres Hauses für das Thema
„Grüner Wasserstoff“, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann,
vorgestellt worden war, toppt im Umfang sogar die
[2][„Kopernikus“-Projekte] mit 400 Millionen Euro. Diese hatte
Karliczek-Vorgängerin Wanka aufgesetzt, um der Energiewende zentrale
Forschungsimpulse zu geben, etwa für eine CO2-freie Stahlproduktion.
Das entsprechende [3][Pilotprojekt mit dem Stahlkocher Thyssenkrupp] kommt
zwar technisch gut voran, nur ist der weltweite Stahlmarkt so volatil, dass
der Essener Konzern derzeit ums Überleben kämpft. Auch dies eine Lehre für
die Forschungsplaner des BMBF, dass für die erfolgreiche Ausrollung neuer
Technologien zugleich das industrielle Umfeld mitbedacht und beeinflusst
werden muss.
„Die Aufbruchsstimmung bei Grünem Wasserstoff ist weltweit enorm“, stellt
der Forschungspolitiker Kaufmann fest. Der internationale Wettbewerb bei
Forschung und Innovation ziehe spürbar an. „Hier gilt es, bei diesem
Marathonlauf in der weltweiten Spitzengruppe zu bleiben“, so der
Innovationsbeauftragte weiter. Die neuen Leitprojekte sollen dafür „die
wissenschaftliche Exzellenz des Innovationslands Deutschland in
Wissenschaft und Wirtschaft bei Grünem Wasserstoff bündeln“.
## Einstieg in die Serienfertigung
In einem ersten Schritt wurde im Juni 2020 der Ideenwettbewerb
„Wasserstoffrepublik Deutschland“ ausgerufen. Aus den Einreichungen formte
eine Gutachterkommission unter Leitung von Kirsten Westphal von der
Stiftung Wissenschaft und Politik drei Konsortien, an denen über 230
Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt sind. Aus der
Wissenschaft sind Universitäten und außeruniversitäre
Forschungseinrichtungen dabei, insbesondere Institute der
Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der
Leibniz-Gemeinschaft sowie der Fraunhofer-Gesellschaft.
Das Leitprojekt „H2Giga“ will mit 112 Beteiligten, darunter die Unternehmen
Thyssenkrupp, MAN und Sunfire, Technologien für eine serienmäßige
Herstellung von Wasser-Elektrolyseuren entwickeln. Bisher werden die
Geräte, die Wasser mittels Zufuhr von elektrischem Strom in die Gase
Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten, nur in Handarbeit gefertigt. Die
Nationale Wasserstoffstrategie will bis 2025 Erzeugungskapazitäten von bis
zu 5 Gigawatt aufbauen, was eine Serienfertigung verlangt.
Spektakulär ist das Leitprojekt „H2Mare“, das Grünen Wasserstoff direkt am
Ort der Entstehung von regenerativem Strom, nämlich durch
Offshore-Windräder auf hoher See produzieren will. 33 Partner um die
Industrieunternehmen Siemens Energy, RWE und Salzgitter-Mannesmann wollen
bis 2026 vor Helgoland eine Demonstrationsanlage für 120 Millionen Euro
errichten. Die Anlage soll den Wasserstoff vor Ort auch gleich
weiterverarbeiten, etwa zu synthetischen Kraftstoffen.
Das dritte Leitprojekt „TransHyDE“ widmet sich dem Transport des
Wasserstoffs. Für Deutschland ist dabei die Umnutzung des vorhandenen
Netzes von Gasleitungen von Bedeutung. International müssen der
Schiffstransport und die Hafeninfrastruktur für den Energieträger
entwickelt werden.
## Wasserstoffstrategie in Höhe von 7 Milliarden Euro
Bis zum Jahr 2025 sind die drei BMBF-Leitprojekte mit 700 Millionen Euro
ausgestattet, die aus dem Coronazukunftspaket vom Juni finanziert werden.
Die gesamte Wasserstoffstrategie ist dort mit 7 Milliarden Euro
verankert. „Die genaue Verteilung der Fördermittel auf die drei
Leitprojekte ist Gegenstand des laufenden Antrags- und
Bewilligungsverfahrens“, teilte das Ministerium der taz auf Anfrage mit.
Der Kuchen ist gebacken, aber noch nicht verteilt.
Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), hält die
Forschungsförderung für grünen Wasserstoff prinzipiell für sinnvoll.
Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass für seine Herstellung viel
Strom benötigt werde, der klimaneutral noch nicht ausreichend zur Verfügung
stehe.
„Mit den BMBF-Projekten wird der zweite Schritt vor dem ersten getan“,
sagte Quaschning, der auch zu den Gründern der Scientists for Future
gehört, gegenüber der taz. Prioriät müsse der massive Ausbau der
regenativen Energiegewinnung durch Photovoltaik und Windkraft haben. Bis
das nicht gewährleistet sei, mache es „eigentlich keinen Sinn, über Grünen
Wasserstoff nachzudenken“, so Quaschning. Aus seiner Sicht fehlt in der
Wasserstoffpolitik noch immer eine „Gesamtstrategie“.
Diese Skepsis ist auch in der Politik anzutreffen, zumindest auf den
Oppositionsbänken. Über ein halbes Jahr nach Verabschiedung der Nationalen
Wasserstoffstrategie durch die Bundesregierung fehle es „noch immer an
einer übergreifenden Ressortabstimmung zur Umsetzung“, kritisierte der
forschungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Mario
Brandenburg. „Wie bereits bei anderen Strategien zur Förderung von
Schlüsseltechnologien zeichnet sich mal wieder ein Gegeneinander innerhalb
der Bundesregierung ab – ein Ressort wildert im Revier des anderen“,
bemängelt der Liberale.
Tatsächlich ist von den Karliczek-Projekten mit ihrer starken
Wirtschaftsbeteiligung auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums
(BMWi) kein einziges Wort zu finden. Dafür umgeht das BMBF nonchalant die
europäische Netzwerkbildung im Wasserstoffbereich, die das BMWi im Dezember
mit einer großen EU-Konferenz geleistet hat. Im Gegenzug startete das
Wirtschaftsministerium – auch dort kann man Energieforschung – im gleichen
Monat die „Technologieoffensive Wasserstoff“ mit dem Ziel, „die
Energiewende mit Energieforschung und Innovationen voranzubringen“. Die
Rivalitäten zwischen den beiden Ministerien für Forschung und Wirtschaft
sind legendär – und haben nun auch den Wasserstoffsektor erreicht.
Dort sieht man die Lage, wen wundert’s, anders. „Die Maßnahmen der
Bundesregierung sind eng zwischen den Ressorts abgestimmt und greifen
ineinander“, verlautet aus dem BMBF. Entscheidend sei, dass „die gesamte
Wertschöpfungskette ohne Brüche adressiert“ werde. Und hoffentlich auch
ohne Knallgas-Explosion, den übelsten Effekt in der Wasserstoffchemie.
24 Jan 2021
## LINKS
[1] /Saubere-Energie-durch-Wasserstoff/!5723795
[2] /Umbau-der-staatlichen-Energieforschung/!5651368
[3] /Angeschlagener-Konzern-Thyssenkrupp/!5729939
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Wasserstoff
BMBF
Energie
Windkraft
Offshore
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Siemens
Wasserstoff
Energiewende
Wasserstoff
Auto
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kritik an Wasserstoffstrategie: Schneller, höher, näher!
Stiftung Klimaneutraltität und Öko-Institut kritisieren die Politik der
Regierung: Für Öko-Wasserstoff brauche es viel mehr Geld und neue Regeln.
Stellenabbau bei Siemens Energy: Auf Schrumpfkurs
Das Unternehmen will weltweit 7.800 Jobs, also jede zwölfte Stelle,
abbauen. Vor allem in der fossilen Sparte Gas and Power fallen
Arbeitsplätze weg.
Wasserstoff statt Kohle in Moorburg: Auferstehung der Investitionsruine
Auf dem Gelände des abgeschalteten Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg wollen
vier Firmen im großen Stil Wasserstoff aus Ökostrom erzeugen.
Flüssige Luft für die Energiewende: Außergewöhnlicher Stromspeicher
In Großbritannien entsteht eine riesige Batterie auf Basis von flüssiger
Luft. In Deutschland liegt die Arbeit an der Technologie brach.
Saubere Energie durch Wasserstoff: Der Stoff, aus dem die Träume sind
Mit der „Wasserstoffstrategie“ will die Bundesregierung die Energiewende
voranbringen. Aber vorher müssen noch eine Menge Probleme gelöst werden.
Zukunft des Autos: Der lange Abschied vom Ottomotor
Von Anfang an gab es beim Auto Alternativen zum Verbrennungsmotor. Nun
werden deren Stärken endlich wiederentdeckt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.