# taz.de -- Sachverständige zu Wasserstoff-Strategie: „Eindeutig falsche Ric… | |
> „Grüner“ Wasserstoff gilt als Zukunftshoffnung. Er ist aber noch knapp. | |
> Wie sinnvoll ist es, fossil erzeugten Wasserstoff als Brücke zu nutzen? | |
Bild: Dafür braucht es H2 aus erneuerbaren Energien: Herstellung von „grüne… | |
BERLIN taz | Noch gibt es ihn praktisch gar nicht, aber schon sorgt er für | |
Kontroversen: [1][grüner Wasserstoff (H2), der aus erneuerbaren Energien | |
hergestellt wird, soll als Brennstoff und Energiespeicher Kohle und Erdgas | |
ersetzen] und so den Weg zur Klimaneutralität ebnen. Das sagen | |
Bundesregierung, Unternehmen und Umweltverbände einstimmig. Aber was tun, | |
wenn der Bedarf an Wasserstoff bald schon groß ist, aber noch nicht genug | |
davon ökologisch hergestellt werden kann, weil die erneuerbaren Energien | |
dafür fehlen? Sollte man fossil erzeugtes H2 als „Brückentechnik“ | |
einsetzen, bis es genügend grünen Brennstoff gibt? | |
Nein, meint der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die | |
Bundesregierung berät, [2][in einer aktuellen Stellungnahme]. „Auch | |
übergangsweise sollte die Politik nicht auf fossil erzeugten Wasserstoff | |
setzen“, erklärte das Gremium am Mittwoch. Es empfiehlt, „alle | |
Anstrengungen auf den Markthochlauf von grünem Wasserstoff aus Wind und | |
Sonne zu konzentrieren“. Es drohten „falsche Weichenstellungen“, wenn jet… | |
diskutiert werde, „massiv in Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zu | |
investieren“. | |
In ihrer „nationalen Wasserstoffstrategie“ hat die Bundesregierung vor | |
einem Jahr beschlossen, dass bis 2030 in Deutschland insgesamt 5 Gigawatt | |
Kapazitäten für ökologisch erzeugten Wasserstoff geschaffen werden sollen. | |
Das Problem: Industrie und Verkehr fragen dringend nach grünem Wasserstoff, | |
aber es gibt praktisch noch keine Anlagen dafür in Deutschland. | |
Importe sollen deshalb gefördert werden; und heimische Unternehmen werden | |
dabei unterstützt, Infrastruktur und Forschungsanlagen für eine | |
„Wasserstoffwirtschaft“ zu errichten. Dafür stellt die Regierung über die | |
nächsten Jahre insgesamt 9 Milliarden Euro bereit. Sie betont, nur grünen | |
H2 zu fördern, will und kann aber die Nutzung und den Import von anders | |
erzeugtem H2 nicht unterbinden. | |
## H2-Farbenlehre: bunt, aber nicht nachhaltig | |
Der SRU sieht diese Aktivitäten kritisch. Die Herstellung etwa von H2 | |
mithilfe von Erdgas („grauer Wasserstoff“, bei dem pro Tonne H2 10 Tonnen | |
Treibhausgas CO2 entstehen), die Produktion mit Abscheidung und Speicherung | |
des anfallenden CO2 („blauer H2“) oder auch „türkiser“ Wasserstoff, be… | |
fester Kohlenstoff anfällt, seien alles keine nachhaltigen Lösungen. | |
Diese [3][Techniken lösten Investitionen] aus, die in einer | |
„treibhausgasfreien und umweltfreundlichen Wirtschaft keinen Platz mehr | |
haben“, sagt Claudia Kemfert, die Vizevorsitzende des SRU und | |
Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist. Auch | |
die Deutsche Umwelthilfe sieht das ähnlich: Die deutsche | |
Wasserstoffstrategie „basiert ganz wesentlich auf dem Import fossil | |
erzeugten Wasserstoffs“, sagt Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „D… | |
geht eindeutig in die falsche Richtung.“ | |
## Andere Experten halten „Dogma“ für falsch | |
Zu mehr Flexibilität rät dagegen Felix Matthes, Energieexperte des | |
Öko-Instituts. „Wir diskutieren gerade [4][mit mehreren Stahlwerken, für | |
die sich jetzt die Frage der Modernisierung der Hochöfen stellt]“, sagte er | |
auf einer Konferenz am Montag. Jetzt falle die Entscheidung, ob die neue | |
Anlage mit Wasserstoff betrieben werde, der „grün“ erst in etwa zehn bis | |
zwanzig Jahren ausreichend zur Verfügung stehe – oder ob eine Anlage mit | |
der alten Technik auf Basis von Koks und Kohle modernisiert werde, „die | |
dann wiederum zwei Dekaden in Betrieb ist, bis sie abgeschrieben ist, wenn | |
Deutschland längst klimaneutral sein muss“. Wer darauf beharre, von Anfang | |
an nur grünen Wasserstoff zu nutzen, der riskiere „gestrandete | |
Investitionen“, die noch Jahrzehnte CO2 produzierten oder irgendwann für | |
viel öffentliches Geld abgeschaltet werden müssten. „Dieses Dogma, ab | |
Beginn nur grünen Wasserstoff zuzulassen, killt die Klimaneutralität“, | |
warnt Matthes. | |
Einig sind sich SRU und andere Experten, dass grüner Wasserstoff noch | |
lange „knapp und kostbar“ bleibt. Deshalb sei es eine „Fehlentwicklung bei | |
der Nutzung“, wenn der „Champagner der Energiewende“ für E-Autos oder in | |
der Heizung von Gebäuden verplant werde – das fordern Teile der CDU/CSU und | |
der FDP, die an der (H2)-Verbrennertechnik festhalten wollen. | |
Dem widerspricht der SRU deutlich. Autos und Heizungen seien preiswerter | |
und umweltfreundlicher mit Ökostrom über Elektromotoren oder Wärmepumpen zu | |
betreiben, heißt es. „Sinnvoll ist es, den Wasserstoff in Teilen der | |
Industrie sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr einzusetzen. | |
24 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Energiewende-in-der-Industrie/!5774953 | |
[2] https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_202… | |
[3] /Archiv-Suche/!5723131&s=grauer+wasserstoff&SuchRahmen=Print/ | |
[4] /Stahlwerk-Umbau-in-Richtung-Klimaschutz/!5761954 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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