# taz.de -- Entscheidung über Emissionshandel: Klimageschäfte aus dem Hinterz… | |
> Wie geht es weiter mit dem Emissionshandel? Schon bald könnte dazu eine | |
> Entscheidung fallen, die alles andere als gut für das Klima wäre. | |
Bild: Emissionen, die etwas kosten. Für manche wäre das eine Lösung des Klim… | |
Berlin taz | Es ist ein häufiges Missverständnis, dass auf | |
[1][Klimakonferenzen der Vereinten Nationen] über Klimaschutz gesprochen | |
wird. Also über Klimaschutz im praktischen Sinne. | |
Wo ein Windrad auf- oder ein Kohlekraftwerk abgestellt wird – das sind | |
keine Fragen, die Gegenstand der Verhandlungen sind. Nur eine Option wird | |
dort heiß debattiert: wie es wieder möglich sein soll, Klimaschutz | |
einzukaufen. Länder, in denen Klimaschutz nicht an Geld, sondern an Wille | |
scheitert, bezahlen für Klimaschutz in Ländern, bei denen es andersherum | |
ist. Die Treibhausgas-Einsparung darf sich dann das Land anrechnen, das | |
gezahlt hat. | |
Große Teile der Klimabewegung lehnen so ein Vorgehen grundlegend ab. Sie | |
befürchten einen unwirksamen und ungerechten Ablasshandel. Bei den | |
UN-Klimagipfeln versuchen die Diplomat:innen seit Jahren, Regeln für den im | |
Paris-Abkommen vereinbarten Handel zu finden, die genau das verhindern | |
sollen. | |
[2][Das Thema wird von Gipfel zu Gipfel geschoben], weil manche Regierungen | |
die Regeln gezielt verwässern wollen. Unter anderem wollen Länder wie | |
Brasilien, China und Australien im neuen System weiter die sehr alten und | |
sehr billigen Zertifikate aus dem bisherigen Klimaschutzhandel nutzen, dem | |
Clean Development Mechanism (CDM). Der läuft dieses Jahr eigentlich aus. | |
## Ramschpapiere im Portfolio | |
Das Problem: [3][Der Nutzen gilt als sehr gering]. Die Berliner Denkfabrik | |
New Climate Institute hat in einer Studie ermittelt, dass 82 Prozent der | |
CDM-Projekte einfach weiterlaufen würden, selbst wenn kein Geld mehr durch | |
die übrigen Zertifikate hereinkommt. Wenn Länder sich die Ramschpapiere | |
noch anrechnen dürften, stünde zwar Klimaschutz auf dem Papier, wäre aber | |
kaum real. Die Verhandlungen darüber gehen auf der nächsten Klimakonferenz | |
im schottischen Glasgow weiter, die durch Corona von diesem auf den | |
kommenden Herbst verschoben wurde. | |
Plot Twist: Statt auf der Klimakonferenz, wo alle Staaten mit am Tisch | |
sitzen, könnte die bedeutsame Entscheidung quasi im Hinterzimmer fallen. | |
Der Vorstand des CDM hat auf das Drängen des Lobbyverbands International | |
Emissions Trading Association angekündigt: Man wolle auf einer Sitzung im | |
Dezember vielleicht beschließen, nach 2020 einfach weitere Zertifikate | |
auszugeben. Ob der Vorstand das überhaupt darf, ist umstritten. Außerdem | |
wird im Dezember noch nicht klar sein, ob der Handel unter dem | |
Paris-Abkommen anerkannt wird. | |
Fließt aber einmal Geld, dürfte das Fakten schaffen. Wenn Australien | |
beispielsweise schon entsprechende Zertifikate von Brasilien gekauft hat, | |
dann werden beide Regierungen bei der Konferenz in Glasgow noch mehr darauf | |
beharren, dass der angebliche Klimaschutz zählt. „So gut wie alle damit | |
befassten Experten sind sehr besorgt“, sagt der Umweltökonom Reimund | |
Schwarze vom Umweltforschungszentrum Leipzig, der selbst einer dieser | |
Expert:innen ist. „Dieser Vorstoß kam wirklich unerwartet.“ | |
11 Oct 2020 | |
## LINKS | |
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[2] /UN-Klimakonferenz-in-Madrid/!5642986 | |
[3] /Klimaforscherin-ueber-Zertifikatehandel/!5384372 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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