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# taz.de -- UN-Klimakonferenz in Madrid: CO2-Handel ist kompliziert
> Wie können Emissionen künftig weltweit gehandelt werden? Vor allem
> Lizenz-Deals zwischen Staaten, Städten und Firmen stellen eine Hürde dar.
Bild: Dieser Industriesmog stört selbst den Vogel
Berlin taz | Ruhe werden die Klima-Diplomaten auf der COP25 nur in der
ersten Woche haben. Dann [1][segelt die schwedische Klimaaktivistin Greta
Thunberg] noch nach Spanien. Wenn sie nach Madrid kommt – wohl so rund um
das Wochenende des 7./8. Dezember –, werden Druck und Lärmpegel auf dem
UN-Klimagipfel steigen. Dann werden die Proteste der traditionellen
Umweltgruppen und der relativ neuen Fridays-for-Future-Aktivisten auf
Delegierte treffen, die ohnehin gestress sind.
Denn sie stehen vor extrem komplexen Sachfragen, die immer schneller zu
spürenden Auswirkungen des Klimawandels erhöhen den Druck – und dann müssen
die Konferenzteilnehmer auch noch mit einer wieder aufgekommenen Spaltung
der UN-Staaten beim Klima klarkommen.
Ihren vielleicht größten Erfolg feiert die 25. UN-Klimakonferenz (COP für
Conference of the Parties) allerdings bereits am 2. Dezember bei der
Eröffnung: Sie findet statt.
Denn als Chile die COP Ende Oktober wegen der sozialen Unruhen im Land für
Santiago absagte, war es fraglich, ob es 2019 überhaupt ein Treffen geben
würde. Spaniens Regierung rettete die Konferenz mit ihrer [2][Einladung der
etwa 25.000 Teilnehmer nach Madrid]. Dennoch wird die COP25 von Chile
geleitet. „Wir lassen es nicht zu, dass die Trumps und Bolsonaros dieser
Welt es genießen, wie das Pariser Abkommen entgleist“, heißt es aus der
Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez.
Donald Trump arbeitet genau daran. Nur drei Tage nach dem chaotischen
Ortswechsel der Konferenz nutzte der US-Präsident den erstmöglichen Termin,
um den Ausstieg des historisch größten CO2-Verschmutzers aus dem Pariser
Abkommen zu starten: Am 4. November 2020, einen Tag nach der Wahl, werden
die USA nach den Regeln aus dem Abkommen austreten. Ein neuer Präsident
könnte allerdings innerhalb von 30 Tagen wieder beitreten.
## Brasilien braucht Aufmerksamkeit
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat zwar vorerst seine Pläne auf Eis
gelegt, das Abkommen ebenfalls zu verlassen. Aber dafür hat er sich für die
COP25 als neuer böser Bube der Klimapolitik positioniert. Bolsonaro
verantwortet nach seinem ersten Amtsjahr eine Rekordzerstörung des
Regenwalds; im August beschäftigten die riesigen Brände sogar das
G7-Treffen. Auch der Ärger um den Austragungsort nahm in Brasilien seinen
Anfang, denn das Land hatte sich ursprünglich angeboten, aber vor einem
Jahr zurückgezogen. Nicht zuletzt schießt Brasilien bei der wichtigsten
Frage der COP25 quer: Wie können CO2-Emissionen künftig weltweit gehandelt
werden?
An einer Lösung dieses Streits entscheidet sich der Gipfel von Madrid. Es
geht um Artikel 6 des [3][Pariser Abkommens]. Der sieht grundsätzlich vor,
dass Staaten oder andere Akteure (Firmen, Städte, Bundesstaaten) mit
anderen Staaten CO2-Lizenzen handeln können: Wenn die Türkei weniger CO2 in
die Luft bläst als geplant oder wenn in Marokko ein Windpark statt eines
Kohlekraftwerks gebaut wird, könnten die Staaten diese vermiedenen
Emissionen an Staaten oder Firmen verkaufen, die ihre eigene CO2-Schuld
nicht mindern können oder wollen.
Die Fragen dabei sind komplex: Wie wird das berechnet? Wer kontrolliert die
Standards? Wie wird vermieden, dass Emissionen doppelt verbucht werden,
beim Käufer und beim Verkäufer? Wie sollen die Fehler des Vorläufermodells,
des [4][„Clean Development Mechanismus“], vermieden werden? Können Staaten
wie Brasilien CO2-Lizenzen aus diesem alten System im neuen anrechnen – und
damit Milliarden Dollar verdienen?
## Artikel 6 ist der Knackpunkt
Die Regeln und die internationale Lage sind so kompliziert, dass an ihnen
fast die letztjährige COP im polnischen Katowice gescheitert wäre. Da wurde
praktisch das gesamte „Regelbuch“ fürs Pariser Abkommen erarbeitet, offen
blieb nur eben Artikel 6, die Kohlenstoffmärkte. Nun drängt die Zeit: Wenn
nicht bis Ende 2020 eine Regelung steht, kann das „Klimaschutzregime“ der
internationalen Luftfahrt, das ab 2021 auf genau solchen Handel abzielt,
nicht rechtzeitig in Kraft treten. Staaten wie Deutschland oder die EU, die
ebenfalls auf „internationale Marktmechanismen“ setzen, haben ein hohes
Interesse an einer Einigung. Allerdings auch nicht um jeden Preis: Regeln,
die „das Regime auf Dauer zerstören, machen wir nicht mit“, heißt es aus
Brüssel.
Dafür gibt es großen Beifall von Umweltorganisationen. „Wir brauchen
robuste Regeln für Artikel 6 für mehr Klimaschutz“, sagt Rixa Schwarz,
Teamleiterin der Umweltorganisation Germanwatch. Die Gruppen drängen neben
diesen umstrittenen „Marktmechanismen“ aber auch auf eine Regelung, die den
armen Staaten bei Klimaschäden hilft. Seit 2013 reden die Verhandler unter
der Überschrift „Verlust und Schaden“ darüber, wie Ländern verlässlich
geholfen werden kann, wenn der Klimawandel ihre Ernten zerstört, ihre
Städte verwüstet oder teure Deiche und neue Ackerpflanzen gebraucht werden.
Nach einer Bilanz dieses „Warschau-Mechanismus“ brauche es nun einen
regelmäßigen Fonds für solche Zahlungen, fordert Sabine Minninger von der
Hilfsorganisation Brot für die Welt: „Wir schätzen, dass gegen Verluste und
Schäden ab 2020 jedes Jahr 50 Milliarden Dollar gebraucht werden“. Das käme
noch oben drauf auf die Summe, die die Industriestaaten ab 2020 jährlich
versprochen haben: 100 Milliarden Dollar, aber bisher nur für Minderung von
Emissionen und Anpassung an den Klimawandel.
## Herausforderung für Europa
Das dritte große Thema in Madrid wird eine Steigerung der weltweiten
Ambitionen beim Klimaschutz sein. 2020 müssen die Staaten neue und
verbesserte Klimapläne vorlegen. Bisher ist davon wenig zu sehen. Zwar
haben 66 Staaten beim Climate-Action-Gipfel im September in New York
verbesserte Pläne angekündigt – aber dabei handelt es sich fast nur um bei
den Emissionen unbedeutende Länder. Von den großen Verschmutzern USA,
China, Indien, Japan, Russland, Brasilien oder Südafrika bewegt sich bisher
niemand.
Nur Europa ist zu mehr bereit: Die neue Kommissionschefin Ursula von der
Leyen hat versprochen, den Ausstoß von Treibhausgasen in der EU bis 2030
von minus 40 auf minus 50 oder 55 Prozent zu senken. Ihre Truppe wird in
Madrid noch ganz frisch im Amt sein, der zuständige Kommissar Frans
Timmermans hat keinen leichten Job: die COPs auf europäischem Boden (2020
ist Glasgow dran) zum Erfolg machen, widerspenstige Osteuropäer bei der
Stange halten – und gleichzeitig hinter den Kulissen mit China an einer
neuen Achse der Klimaschützer basteln. Ob es dafür eine Chance gibt, wird
die COP in Madrid zeigen.
2 Dec 2019
## LINKS
[1] /Auf-dem-Weg-zu-UN-Klimakonferenz/!5638180
[2] /UN-Klimakonferenz-in-Madrid/!5640269
[3] https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/generalassembly…
[4] https://unfccc.int/process-and-meetings/the-kyoto-protocol/mechanisms-under…
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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