# taz.de -- Klimaschutz durch Zertifikat-Kauf: Hamburg betreibt Ablasshandel | |
> Die Stadt Hamburg hat Emissionshandelszertifikate erworben, um ihr | |
> Klimaziel zu erreichen. Das Geld fließt unter anderem in Öfen in Nigeria. | |
Bild: Spart 80 Prozent Brennstoff: Ofen aus Edelstahl | |
Hamburg taz | Der rot-grüne Hamburger Senat hat mit Steuergeld | |
CO2-Emissionszertifikate gekauft. Er hat also anderswo Klimaschutzprojekte | |
finanziert, statt auf seinem eigenen Gebiet den Ausstoß an Klimagas zu | |
verringern. Für den Landesvorsitzenden des Naturschutzbundes (Nabu), Malte | |
Siegert, hat das „etwas mit Ablasshandel zu tun“. Und dem | |
CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Sandro Kappe drängt sich der Verdacht auf, | |
„dass die abmontierten [1][Klimaschutzziele nur durch Emissionshandel] | |
erreicht werden konnten“. | |
Die Projekte zur Verringerung des Ausstoßes an Treibhausgasen stehen im | |
Zwischenbericht des Senats zur Umsetzung seines Klimaplans. Darin | |
bescheinigte er sich, dass er das Zwischenziel einer Verringerung des | |
CO2-Ausstoßes von 2012 bis 2021 mit 2,05 Millionen Tonnen leicht | |
übererfüllt habe. Einen Teil dieser Menge hat der Senat durch | |
„Zertifikateerwerb“ eingespart. Über die Klimaschutzorganisation Atmosfair | |
finanziert er hocheffiziente Holzöfen in Nigeria. | |
[2][Das Projekt ist im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) der | |
UN-Klimakonferenz registriert worden]. Dieser Mechanismus, der bei der | |
1997er-Klimakonferenz in Kyoto vereinbart wurde, erlaubt es | |
Industrieländern, ihre Emissionziele dadurch zu erreichen, dass sie | |
CO2-sparende Projekte in Entwicklungsländern bezahlen. Für Industrieländer | |
ist das ein billiger Weg, ihren Klimaschutzplichten nachzukommen, während | |
die Zielländer vom Technologietransfer profitieren. | |
Wie die CDM-Geschäftsstelle in der Beschreibung des Projekts ausführt, ist | |
der Brennholzverbrauch eine der [3][Hauptursachen für die veränderte | |
Landnutzung und Entwaldung Nigerias und damit dessen wachsenden | |
CO2-Ausstoß]. Weil zu wenig aufgeforstet werde, schwänden die Wälder und es | |
wachse die Wüste. Eine effizientere Holzverbrennung sei dafür ein | |
entscheidendes Gegenmittel. | |
## CO2-Reduktion „vergleichsweise hoch“ | |
Das von Hamburg finanzierte Projekt umfasst den Zusammenbau, den Vertrieb, | |
die Nutzung und Wartung der Öfen sowie das Monitoring des Projekts selbst. | |
Bei den Öfen aus Edelstahl sollen 250 Gramm Zweige ausreichen, um sechs | |
Liter Wasser zu erhitzen – 80 Prozent weniger als bei einer traditionellen | |
Feuerstelle. Zu dem System gehören auch Töpfe und Pfannen sowie eine | |
Warmhaltekiste zum Nachgaren, die zusätzlich Energie spart. | |
Dem Abgeordneten Kappe gegenüber rechtfertigte der Senat das Projekt damit, | |
dass die CO2-Reduktion „vergleichsweise hoch“ sei und die nachhaltige | |
Entwicklung in Nigeria gefördert werde. „Mit dieser nicht nachvollziehbaren | |
Begründung müssten wir in Hamburg keine teuren Maßnahmen mehr ergreifen. | |
Schließlich sei es ja billiger, CO2 in Afrika einzusparen“, kritisiert der | |
CDU-Mann. | |
In seiner Antwort an Kappe kündigte der Senat aber auch an, keine weiteren | |
Zertifikate mehr kaufen zu wollen. „Da der Erwerb von Emissionszertifikaten | |
keinen Einfluss auf die Hamburger Klimaziele hat, ist die Umsetzung | |
weiterer Maßnahmen dieser Art derzeit nicht geplant.“ Grund dafür sei, dass | |
sich das aktuelle CO2-Reduktionsziel auf die Hamburger Verursacherbilanz | |
und somit in erster Linie auf Maßnahmen in Hamburg beziehe. | |
Bis dato hat der Senat die Zertifikate jedoch eingerechnet. Er veranschlagt | |
aus dem Projekt eine CO2-Einsparung von 75.000 Tonnen über die Jahre 2018 | |
bis 2020 – im Schnitt 25.000 Tonnen pro Jahr. Sie sind Teil einer | |
durchschnittlichen jährlichen Gesamteinsparung von 205.000 Tonnen. | |
Gekostet haben die Zertifikate knapp eine Million Euro. Dem stehen knapp 36 | |
Millionen Euro gegenüber, die Hamburg 2019 und 2020 insgesamt für Maßnahmen | |
seines Klimaplans ausgegeben hat. | |
Dazu kommt noch ein weiteres, [4][ähnliches Geschäft mit Atmosfair]: | |
[5][Der Senat hat die Flugreisen seiner Beschäftigten mit Zahlungen an | |
Atmosfair kompensiert,] so wie es viele Privatleute tun. 20.000 Tonnen | |
weniger CO2 schreibt er sich auf diese Weise gut. Für das Geld würde unter | |
anderem in den Moorschutz investiert. | |
Für den Nabu-Landesvorsitzenden Siegert klingt das ein bisschen wie Hohn. | |
Emissionszertifikate zu kaufen, hielte der durchaus für denkbar, „wenn sich | |
die Stadt hinreichend bemühen würde, selbst Schäden zu vermeiden“. | |
Tatsächlich aber genehmige sie Bauvorhaben gerade auch im Moorgürtel. | |
Siegert gesteht dem rot-grünen Senat durchaus zu, dass er einiges bewegt | |
hat im Klimaschutz. Angesichts der Größe der Herausforderung sei das aber | |
zu wenig. Gerade in dem Bereich, in dem er den größten Handlungsspielraum | |
habe, agiere der Senat zu vorsichtig: beim Verkehr. Nach wie vor werde eine | |
Autobahn durch Hamburgs Süden geplant, es gebe keine Umweltzone, kein | |
scharfes Tempolimit, das Parken sei zu billig, der öffentliche Nahverkehr | |
immer noch nicht gut genug. Ziel müsse es sein, die Zahl der zugelassenen | |
Autos von 800.000 auf 200.000 zu senken. | |
16 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /CO2-Abgabe-fuer-Einfuhren/!5899087 | |
[2] /Feilschen-bei-der-Klimakonferenz/!5814460 | |
[3] /Staatschefs-auf-der-COP-26/!5809267 | |
[4] /Flugabgabe/!5102262 | |
[5] https://www.atmosfair.de/de/ueber_uns/wir_ueber_uns/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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