| # taz.de -- Industrie und Klimaschutz: Zollmauer gegen Ökodumping | |
| > Ein wichtiger Baustein des Grünen Deals ist der Klimaschutz-Zoll CBAM. | |
| > Doch wie funktioniert der? | |
| Bild: Die Produktion von Aluminium verbraucht viel Energie und fossile Rohstoffe | |
| Was ist CBAM? | |
| Das europäische Parlament wollte in dem großen Paket zum [1][Green Deal] | |
| auch eine Bestimmung über den „Klimaschutz-Zoll“ CBAM verabschieden. Das | |
| steht für „Carbon Border Adjustment Mechanism“ und ist die bürokratische | |
| Umschreibung für den Schutz der europäischen Industrie gegen Ökodumping und | |
| die Abwanderung der energieintensiven Industrie. Am Mittwoch entschied das | |
| Europaparlament jedoch, dass eine Entscheidung über einen solchen Zoll | |
| vertagt würde. Die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Gebäude | |
| und Verkehr wurde sogar abgelehnt. | |
| Was steckt dahinter? | |
| Mit dem Green Deal und wegen der Klimakrise muss sich ganz Europa bis 2050 | |
| von Öl, Gas und Kohle verabschieden. Das ist bei der Stromherstellung, bei | |
| Gebäuden und Autos kompliziert genug – in der Industrie wird das richtig | |
| schwierig. Denn wer zum Beispiel Stahl, Zement, Wasserstoff, Düngemittel, | |
| Plastik, Chemikalien oder Aluminium herstellt, braucht nicht nur sehr viel | |
| Energie, sondern auch teilweise fossile Rohstoffe. Das treibt die Preise | |
| dieser „grünen“ Produkte in die Höhe. | |
| Stahl, der mit Wasserstoff statt mit Koks hergestellt wird, ist also teurer | |
| als das traditionelle Produkt. Ohne eine Regelung hätten damit die „grünen�… | |
| Produkte der Europäer keine Chance gegen Importe etwa aus China, das sich | |
| mit der Dekarbonisierung seiner Industrie noch Zeit lassen will. Unter | |
| diesem Konkurrenzdruck könnte die Industrie aus Europa abwandern und die | |
| Emissionen anderswo ausstoßen – von 5 bis 30 Prozent des CO2 aus der | |
| Industrie ist die Rede. Dem Klima wäre damit nicht gedient, wenn das CO2 | |
| statt in Europa in China entsteht. | |
| Wie soll der Klimaschutz-Zoll wirken? | |
| „Wir wollen eine Dekarbonisierung, keine Deindustrialisierung Europas“, | |
| sagt der CDU-Umweltpolitiker Peter Liese. Importe in diesen Branchen, die | |
| aus Gegenden ohne CO2-Preis oder Emissionshandel kommen (was in den meisten | |
| Teilen der Welt der Fall ist), müssen an der EU-Grenze diesen Unterschied | |
| ausgleichen. Sie müssen so viel bezahlen, wie die EU-Unternehmen für die | |
| CO2-Zertifikate im Emissionshandel ausgeben, im Augenblick also um die 90 | |
| Euro pro Tonne. | |
| Das wird ein kompliziertes Verfahren, weil theoretisch für jedes Produkt | |
| aus jedem Land erhoben werden muss, wie hoch dessen CO2-Ausstoß ist. Das | |
| soll eine neue EU-Behörde regeln. CBAM soll ab 2023 schrittweise bis 2030 | |
| in Kraft treten, so will es das Parlament. Das eingenommene Geld – die | |
| Kommission rechnet mit 1 Milliarde Euro pro Jahr ab 2026 – soll für | |
| Klimaschutz in der europäischen Industrie verwendet werden. Denn viele | |
| Unternehmen verlieren bis 2030/2032 ihre Subventionen in Form von | |
| kostenlosen CO2-Zertifikaten. Gleichzeitig wird debattiert, EU-Unternehmen | |
| durch kostenlose CO2-Zertifikate finanziell zu entlasten, wenn sie ihre | |
| teuer in der EU produzierten Waren in Billigmärkte exportieren. | |
| Ist CBAM ein Beitrag [2][zum Klimaschutz]? | |
| Wenn er funktioniert, könnte das klappen: Die europäische Industrie | |
| verabschiedet sich von den fossilen Energien, entwickelt neue Verfahren und | |
| macht grüne Technik dadurch für alle erschwinglich, wie es etwa bei | |
| erneuerbaren Energien geklappt hat. Eine Verlagerung der CO2-intensiven | |
| Produktion (Carbon Leakage) etwa von Stahl ins Ausland belastet dagegen das | |
| Klima stärker: Ältere Anlagen, niedrigere Sozial- und Umweltstandards sowie | |
| der Transport rund um den Globus treiben die CO2-Bilanz von importierten | |
| Gütern in die Höhe. | |
| Ist das nicht Protektionismus in Grün? | |
| Dieser Vorwurf kommt von vielen Schwellenländern, die bisher mit ihren | |
| niedrigeren Löhnen und Energiekosten ihre Wettbewerbsvorteile (teilweise | |
| verzerrt durch staatliche Subventionen) nutzen. Die EU streitet den Vorwurf | |
| ab. Sie schütze nur ihre Unternehmen in dieser schwierigen Transformation. | |
| Und hofft, dass die anderen Länder mit ähnlichen Methoden nachziehen. Das | |
| beginnt offenbar schon: „Noch vor einem halben Jahr habe ich wütende Briefe | |
| von US-Abgeordneten zu CBAM bekommen“, berichtet Mohammed Chahim | |
| (Sozialdemokraten), Berichterstatter des Parlaments zu CBAM, „Inzwischen | |
| sehen sie, dass es für sie eine Möglichkeit ist, ihre Industrie zu | |
| schützen. Jetzt wollen sie über gemeinsame Standards reden.“ | |
| Die endgültige Entscheidung wird wohl die Welthandelsorganisation WTO | |
| treffen, wenn ein Importland gegen CBAM klagt. Bei einem solchen Verfahren | |
| könnte ein Vorschlag der Grünen helfen: die Einnahmen aus CBAM teilweise | |
| dafür zu verwenden, den Schwelleländern zu helfen, ebenfalls grüne und | |
| saubere Industrien aufzubauen. Aber die Idee hat sich bislang nicht | |
| durchgesetzt. | |
| 8 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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