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# taz.de -- Klimaschutz auf EU-Ebene: Schwarzer Tag in Straßburg
> Das Europaparlament scheitert an der Reform des Emissionshandels.
> Immerhin kommt ein Verbot des Verbrenners.
Bild: Der Klimanotstand reicht nicht mehr, um die parteipolitischen Gräben zu …
Brüssel taz | Es sollte eine Sternstunde des Europaparlaments werden.
Gleich acht Gesetzestexte zum Klimaschutz standen am Mittwoch in Straßburg
zur Entscheidung. „Das werden historische Abstimmungen“, sagte Pascal
Canfin, Vorsitzender des Umweltausschusses. Doch dann ging alles schief.
Erst [1][platzte die geplante Ausweitung des Emissionshandels]. Nach der
Industrie sollten künftig auch Gebäude und Verkehr in den Handel mit
Verschmutzungsrechten einbezogen werden. 340 Europaabgeordnete stimmten
gegen den Vorschlag, den Berichterstatter Peter Liese (CDU) vorgelegt
hatte. Nur 265 waren dafür.
Dann wurden weitere wichtige Abstimmungen verschoben. Die geplante
CO2-Grenzabgabe – ein Sonderzoll für nicht klimagerecht produzierte
Importprodukte (siehe unten) – muss nun ebenso auf bessere Zeiten warten
wie der neue Klimasozialfonds, von dem einkommensschwache Bürger
profitieren sollen.
Die Vorhaben sind Teil des „Fit for 55“-Klimapakets. Es zielt darauf ab,
klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55
Prozent zu senken. Die Abgeordneten wollten zum Teil noch über die
Vorschläge der EU-Kommission hinausgehen – und sind gescheitert.
## Ein „schwarzer Tag für den Klimaschutz“
Wer hat’s verbockt? Die schlechte Nachricht war kaum in der Welt, da
hagelte es schon Schuldzuweisungen. „Ich halte das für eine Schande“, sagte
CDU-Mann Peter Liese, dessen Kompromiss im Parlament durchgefallen ist.
„Wie bei vielen anderen Gelegenheiten haben die extreme Rechte, die
Sozialdemokraten und die Grünen zusammengestimmt.“
Völlig anders sieht es der grüne Klimapolitiker Michael Bloss. Liese habe
den Vorschlag der EU-Kommission verwässert und dann versucht, mit
Nationalkonservativen und Rechtsextremen eine Mehrheit zu organisieren.
„Liese ist eine Allianz mit der Rechten eingegangen, danach gab es keine
Mehrheit für gar nichts mehr“, so Bloss.
Nun steht das Parlament vor einem Scherbenhaufen. Die sonst übliche
proeuropäische Allianz aus Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und
Liberalen ist ausgerechnet in der Klimapolitik zerbrochen. [2][Der
Klimanotstand], den die Abgeordneten 2019 ausgerufen hatten, reicht nicht
mehr, um die parteipolitischen Gräben zu überbrücken.
„Heute ist ein schwarzer Tag für den Klimaschutz“, klagte Rasmus Andresen,
Sprecher der deutschen Grünen. Die Konservativen müssten sich jetzt
entscheiden, „ob sie ein ambitionierteres Gesetz mit Grünen und
Sozialdemokraten auf den Weg bringen wollen“. Nach einer kurzen Denkpause
könne man in zwei oder drei Wochen erneut abstimmen.
## Der Krieg als Vorwand
Doch Liese will sich nicht unter Druck setzen lassen. Grüne und
Sozialdemokraten wollten eine Verschärfung des Klimaschutzes „ausgerechnet
in der Zeit, in der wir durch die Krise in Russland und die Notwendigkeit,
von russischem Gas unabhängiger werden zu müssen, herausgefordert sind“,
sagte er. Das sei unrealistisch.
Ganz ähnlich sehen das die Lobbyisten aus Industrie, Transportgewerbe und
Gewerkschaften, die seit Wochen Sturm gegen die geplante Verschärfung und
Ausweitung des Emissionshandels laufen. Für sie sind der Krieg in der
Ukraine und die Krise auf dem Energiemarkt ein willkommener Vorwand, um die
Ambitionen der EU zurechtzustutzen.
Dabei liegt der Teufel, wie so oft, im Detail. Soll der Emissionshandel zu
einer Reduktion der Treibhausgase um 61, 63 oder 67 Prozent führen? Sollen
kostenlose Verschmutzungsrechte für die Industrie schon 2030 wegfallen,
oder erst später, wenn die geplante CO2-Grenzabgabe wirkt? Braucht es
Ausnahmen und Übergangsfristen?
Über diese Fragen konnten sich nicht einmal die beiden federführenden
Ausschüsse – Umwelt und Industrie – im Europaparlament einigen. Dies führ…
wohl auch zu dem Abstimmungsdebakel im Plenum. Doch nun sind die
Abgeordneten zum Erfolg verdammt. Sie müssen möglichst schnell Kompromisse
finden, wenn sie nicht ihren Ruf als Vorreiter beim Klimaschutz verlieren
wollen.
Bei einem entscheidenden Thema ist dies allerdings nicht gelungen: Am
Mittwochabend stimmte das Europaparlament für einen Ausstieg aus dem
Verbrennungsmotor für PKW und Lieferwagen im Jahr 2035. Dann soll ein
sogenannter Flottenzielwert greifen, der eine Reduzierung der Treibhausgase
um 100 Prozent vorsieht – also auf Null.
„Jetzt ist klar, dass die Zukunft in der Elektromobilität liegt“,
kommentierte der Grünen-Politiker Bloss. Am Ende des Tages sei doch noch
eine „Zeitenwende“ beschlossen worden. Allerdings war die Mehrheit knapp,
die Gegner des Verbrennerverbots wollen weiter Widerstand leisten. Nach dem
Europaparlament müssen nämlich auch noch die 27 EU-Staaten zustimmen – der
Kampf ums Klima geht weiter.
8 Jun 2022
## LINKS
[1] /Paket-der-EU-Kommission/!5853603
[2] /Von-der-Leyens-European-Green-Deal/!5645137
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Green Deal
Emissionshandel
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Schlagloch
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Kolumne Poetical Correctness
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