| # taz.de -- CO2-Abgabe für Einfuhren: EU einigt sich auf Klimazoll | |
| > EU-Staaten haben sich auf einen CO2-Zoll für importierte Produkte wie | |
| > Zement und Stahl geeinigt. Das könnte zu Konflikten mit Handelspartnern | |
| > führen. | |
| Bild: Wären sie in Zukunft klimazollpflichtig? Aluminium-Barren aus den USA | |
| Berlin taz | Er ist ein zentraler Baustein der europäischen Anstrengungen, | |
| bis 2050 klimaneutral zu sein. Und er ist eine Art Abwehrmechanismus gegen | |
| klimaschädliche Waren aus Drittländern: Der Grenzausgleichsmechanismus CBAM | |
| (Carbon Border Adjustment Mechanism, sprich Cibäm) soll verhindern, dass | |
| Europa zwar auf Klimaschutz setzt, dafür aber Jobs in wichtigen Industrien | |
| verliert. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Regierungen der | |
| EU-Staaten einigten sich am Dienstagmorgen kurz vor 5 Uhr auf eine Abgabe | |
| für importierte Produkte wie Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, | |
| Düngemittel sowie Strom und Wasserstoff, bei deren Produktion im Ausland | |
| Kohlendioxid (CO2) entstanden ist. | |
| „Endlich kommt ein CO2-Zoll“, sagte der grüne EU-Parlamentarier Michael | |
| Bloss. Er sprach von einer „Ökologisierung der Handelspolitik“. Der CBAM | |
| schützt „Unternehmen vor Ökodumping aus Drittstaaten und ist ein | |
| Katalysator für die Dekarbonisierung in Europa und weltweit“. Von „guten | |
| Nachrichten für den Produktionsstandort Europa“, sprach auch EU-Abgeordnete | |
| Delara Burkhardt (SPD). Der CBAM schütze Europas Industrie auf ihrem Weg | |
| zur Klimaneutralität vor Klimadumping. | |
| Die EU will das Prinzip „Wer verschmutzt, zahlt drauf“ auf ihre | |
| Handelspartner ausweiten. Konkret sollen Importeure künftig für die Einfuhr | |
| von bestimmten Produkten Verschmutzungszertifikate kaufen. Diese sollen dem | |
| CO2-Preis entsprechen, der gezahlt worden wäre, wenn die Waren nach den | |
| EU-Regeln für die Bepreisung von CO2-Emissionen hergestellt worden wären. | |
| Nur wenn ein Nicht-EU-Hersteller nachweisen kann, dass er bereits einen | |
| Preis für das bei der Produktion entstandene CO2 bezahlt hat, kann der | |
| EU-Importeur sich die entsprechenden Kosten voll anrechnen lassen. | |
| Das soll zu vergleichbaren Kosten für Importgüter und in der EU | |
| hergestellte Produkte führen. EU-Hersteller müssen nämlich durch das 2005 | |
| eingeführte Emissionshandelssystem (ETS) bereits für den Ausstoß | |
| klimaschädlicher Gase wie CO2 mit Zertifikaten bezahlen. Der CBAM ist Teil | |
| des Klimapakets „Fit for 55“, mit dem die EU ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um | |
| mindestens 55 Prozent verringern will. | |
| ## Umweltverband WWF begrüßt den CBAM-Deal | |
| Ab kommenden Jahr soll es mit ersten CBAM-Berichtspflichten für Importeure | |
| losgehen. Die genaue Einführung des Systems ist noch nicht klar und hängt | |
| mit der Reform des EU-Emissionshandels zusammen, auf die sich Parlament und | |
| Ministerrat am kommenden Wochenende einigen wollen. Der Kommission schwebt | |
| vor, dass der Klimazoll von 2026 an greift. | |
| Die großen Fragen bei diesem weltweit bislang einmaligen Projekt: Betreibt | |
| die EU mit ihrem CBAM eine Art Klimaprotektionismus? Und: Werden die | |
| Nationen, deren Exportgüter Richtung EU mit dem Klimazoll belegt werden, | |
| deshalb Gegenmaßnahmen ergreifen? Laut den EU-Unterhändlern ist der | |
| Klimazoll von den Regeln der Welthandelsorganisation WTO gedeckt. | |
| Das wären sie, wenn die mit dem Klimazoll verbundenen Einnahmen daran | |
| gebunden wären, [1][klimapolitische Maßnahmen im In- und Ausland zu | |
| finanzieren]. Außerdem braucht es Sonderregeln für Entwicklungsländer – | |
| ihnen müssten geringere Beiträge zum Klimaschutz abverlangt werden als den | |
| Industrieländern. Allerdings sind die Staaten des Globalen Südens bislang | |
| nicht in der Regelung enthalten. [2][Fachleute halten auch deshalb eine | |
| Klage gegen die EU vor der WTO wegen CBAM für unvermeidlich]. | |
| Auch die Industrie bremst schon: „Die Gefahr ist groß, dass die europäische | |
| Chemieproduktion gegenüber den USA, aber auch den Golfstaaten oder China | |
| weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert“, warnte am Dienstag der Verband | |
| der Chemischen Industrie (VCI). Zum Glück seien anfangs nur wenige Produkte | |
| der Branche wie Ammoniak und Wasserstoff vom Klimazoll betroffen. „CBAM und | |
| Chemie – das passt nicht“, urteilt der VCI. | |
| Weiter müsse „die Frage gelöst werden, wie Exporte aus der EU auf dem | |
| Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben können.“ Der Umweltverband WWF dagegen | |
| begrüßte den CBAM-Deal. Es sei gut, dass in den Verhandlungen Wasserstoff | |
| und indirekte Emissionen dazugekommen seien. Allerdings sei ein Ende der | |
| Gratiszertifikate im Emissionshandel „immer noch nicht absehbar“. | |
| 13 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.swp-berlin.org/en/publication/ein-co2-grenzausgleich-fuer-den-g… | |
| [2] https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/grenzausgleich-co2-unterne… | |
| ## AUTOREN | |
| Kai Schöneberg | |
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