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# taz.de -- UN-Klimakonferenz in Madrid: Klimagipfel unter spanischer Sonne
> Dürre, knappe Wasserressourcen, Wüstenbildung: In Spanien sind die
> Auswirkungen des Klimawandels bereits heute deutlich spürbar.
Bild: Hitze in Ronda, juni 2017: Touristinnen schützen sich vor der Sonne
Madrid taz | Fünf Wochen länger als noch vor 80 Jahren dauert die
Sommerhitze. Das hat der spanische Wetterdienst gemessen und das klingt für
Urlauber aus Nordeuropa wie ein Traum. Ist es aber nicht, denn die
steigenden Temperaturen gehen mit sinkenden Niederschlägen einher. Die Zahl
langanhaltender Trockenperioden wächst ebenso wie die plötzlicher Unwetter.
Die Waldbrandgefahr steigt und die Brände werden größer. Der Klimawandel
trifft Spanien, wo vom 2. bis 13. Dezember [1][die Weltklimakonferenz COP25
stattfinden wird], stark.
Regierungsstellen gehen davon aus, dass bis 2040 die Menge des zur
Verfügung stehenden Wassers um 3 bis 7 Prozent abnehmen wird. Die
Auswirkungen lassen nicht auf sich warten. Bereits jetzt sind 20 Prozent
der Fläche Spaniens „so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass eine
natürliche Erholung dieser Böden kaum vorstellbar ist“, erklärt Miguel
Ángel Ortega, Chef der Vereinigung für Wiederaufforstung.
Die Landwirtschaft leidet nicht nur dort, wo bewässert werden muss. Auch
Pflanzen, die wie die Olivenbäume eigentlich ohne zusätzliches Wasser
auskommen, bringen weniger Erträge. Die steigenden Temperaturen führen zu
einem höherem Zuckergehalt in den Trauben und verändern damit die Weine des
Landes – und das nicht zum Guten.
## Vielerorts sinkt der Grundwasserspiegel stetig
Angesichts des bevorstehenden Klimagipfels melden sich die Umweltverbände
zu Wort. „Die Behörden müssen einen radikalen Wandel einleiten, was die
Wasserwirtschaft angeht“, verlangt etwa Rafael Seiz, Wasserspezialist bei
der spanischen Sektion des World Wide Fund for Nature (WWF). Über 1.200
Stauseen fangen das Wasser der spanischen Flüsse und Bäche auf. 80 Prozent
gehen in die Landwirtschaft. Traditionell trockene Regionen, wie etwa das
südostspanische Murcia, werden über Kanäle aus Zentralspanien versorgt. Die
bewässerten Anbauflächen weiten sich aus und das trotz abnehmender
Regenfälle.
Viele derer, die in Regionen wie Murcia oder Andalusien nicht an das
Bewässerungssystem angeschlossen sind, helfen sich selbst. Sie bohren nach
Grundwasser. Eine Million Brunnen ohne behördliche Genehmigung soll es im
Land geben. Vielerorts sinkt der Grundwasserspiegel stetig. Die Behörden
greifen nur selten ein. Regionalregierungen und Bürgermeister wollen es
sich mit ihren Wählern nicht verscherzen.
Ohne Umdenken in der Wasserpolitik könnten bis Mitte des Jahrhunderts 74
Prozent des Landes von Wüstenbildung betroffen sein, warnt WWF in einer
Studie. „Anstatt den Raubbau am Wasser anzugehen, sind wir zu Experten für
Dringlichkeitsmaßnahmen geworden“, heißt es. Um den Landwirten in Zeiten
der Trockenheit unter die Arme zu greifen, werden etwa die Kosten für
Wasserüberführung aus anderen Regionen nicht auf sie umgelegt. „Dies trägt
dazu bei, dass die Nachfrage nach Wasser konstant bleibt, und das in einem
Sektor, der von chronischen Mangelerscheinungen betroffen ist“, erklären
die Umweltschützer.
## Bauboom und zunehmender Privatverkehr
„Spaniens Ambitionen in Sachen Klimapolitik sind viel zu niedrig
angesetzt“, richtet sich der Direktor von Greenpeace Spanien, Mario
Rodríguez, an den sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez, der den
COP25 nach Madrid einlud, nachdem die anhaltenden sozialen Unruhen in Chile
eine Austragung in dem südamerikanischen Land erschwerten. „Spanien muss
seine nationalen Klimabestrebungen erhöhen und seine Emissionen bis 2030 um
55 Prozent gegenüber 1990 senken“, fordert Rodríguez.
In Sachen CO2-Ausstoß – der Hauptursache des Klimawandels – versagt die
spanische Politik bisher. In keinem anderen europäisches Land hat in
absoluten Zahlen der CO2-Ausstoß so zugenommen wie in Spanien. 2017 sind es
51,7 Millionen Tonnen mehr als im Referenzjahr 1990, das ist ein Anstieg um
17,9 Prozent. Im europäischen Durchschnitt nahm der CO2-Ausstoß dagegen um
23,5 Prozent ab, während das BIP um 58 Prozent stieg. Spanien ist eines der
wenigen Länder der EU, die es nicht geschafft haben, Wirtschaftswachstum
und CO2-Ausstoß zu entkoppeln.
Schuld am schlechten Abschneiden Spaniens ist die Zunahme des
Privatverkehrs sowie der Bauboom. Zement- und Backsteinherstellung haben
ihren umweltpolitischen Preis. Außerdem wurde in den Jahren der spanischen
Wirtschaftskrise die Förderung für den Ausbau erneuerbarer Energien
eingestellt. Wer eine Solaranlage auf sein Dach baute, wurde gar dafür
bestraft, indem er mehr Gebühren für seinen Anschluss ans Stromnetz
abführen musste. Erst vor wenigen Monaten wurde diese „Sonnensteuer“,
abgeschafft. Seit drei Jahren werden wieder Kapazitäten für neue Solar- und
Windanlagen versteigert.
Ausgerechnet der COP-Austragungsort Madrid macht dieser Tage durch
Maßnahmen von sich reden, die den Pkw-Verkehr fördern. Bürgermeister José
Luis Martínez-Almeida, der seit vergangenem Sommer mit Unterstützung der
rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox die Geschicke Madrids
lenkt, hat die von seiner linksalternativen Vorgängerin eingeführten
Verkehrsbeschränkungen in der Innenstadt teilweise zurückgenommen und lässt
sogar Fahrradspuren wieder für Pkws öffnen.
## Das traditionelle Tourismusgeschäft ist gefährdet
Der Klimawandel bedroht neben der Landwirtschaft eine andere wichtige
Branche, den Tourismus. Denn die besagte Studie des staatlichen
Wetterdienstes zeigt: Die Sommer werden nicht nur länger, sondern auch
heißer. Immer öfter steigen die Thermometer auf über 40 Grad. Was vor
Jahrzehnten noch Hitzewellen waren, sind längst sommerliche
Normaltemperaturen. Eine Studie über „Tourismus und Klimawandel“ im Auftrag
des spanischen Umweltministeriums geht davon aus, dass die klassischen
Urlaubsziele, wie die Strände im Osten und Süden des Landes oder
Sehenswürdigkeiten im Landesinneren, deshalb Besucher einbüßen werden,
während die bisher als regnerisch und kalt geltenden nordostspanischen
Regionen profitieren könnten.
Nicht nur der Temperaturanstieg gefährde das traditionelle
Tourismusgeschäft entlang der Mittelmeerküste. Die Strände drohen zu
verschwinden. Bis Mitte des Jahrhunderts wird der Meeresspiegel in Spanien
zwischen 17 und 25 Zentimeter ansteigen. Das ist – so eine Studie der
Universität Cantabria im Auftrag des Madrider Umweltministeriums – nicht
mehr aufzuhalten. Sollten die beim Klimagipfel in Paris gesteckten Ziele
tatsächlich umgesetzt werden, werden es am Ende des Jahrhunderts um die 50
Zentimeter sein. Ansonsten droht ein Anstieg von bis zu 80 Zentimetern.
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, der in seiner Rolle als
COP25-Gastgeber beteuert, eine „Vorreiterrolle in der Klimapolitik
einnehmen“ zu wollen, geht dieser Tage mit dem Klingelbeutel herum. Er will
ausgerechnet bei den spanischen Großunternehmen Gelder für die Austragung
des Klimagipfels eintreiben.
Währenddessen macht einmal mehr die Umweltbewegung mobil. Sie will Sánchez
zum Auftakt des COP25 daran erinnern, dass er nicht auf beiden Hochzeiten
tanzen kann, der des Klimaschutzes und der des ungezügelten Wachstums. Die
Umweltaktivisten hoffen ihren Erfolg vom internationalen Klimastreik im
September zu wiederholen. Damals gingen spanienweit Hunderttausende,
angeführt von der Juventud por el clima, der spanischen Version der
freitags Streikenden, auf die Straße.
26 Nov 2019
## LINKS
[1] /COP25-in-Spanien/!5635392
## AUTOREN
Reiner Wandler
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