Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verkehrspolitik in Madrid: Ein Parkplatz für saubere Luft
> Tiefgarage an einem Park, Verkleinerung der Umweltzone: Wie der
> Bürgermeister von Madrid die Verkehrspolitik seiner Vorgängerin
> zurückdreht.
Bild: Soll bald von einem riesigen Parkhaus untergraben werden: der Madrider Re…
Madrid taz | Der Madrider Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida hat ein
Lieblingsthema. Er möchte die spanische Hauptstadt und vor allem den
Verkehr „nachhaltiger“ gestalten. Doch die Taten hinter den Worten des
Konservativen, der mit einer Koalition seiner Partido Popular und den
rechtsliberalen Ciudadanos und dank der Unterstützung durch die
rechtsextreme Vox regiert, [1][sprechen eine ganz andere Sprache.] Almeida
lässt Fahrradwege schließen, nimmt Teile der Umweltzone, die seine
linksalternative Vorgängerin eingeführt hat, zurück.
Sein neuester Plan: Ein unterirdisches Parkhaus mit 1.000 Stellplätzen
direkt neben dem größten innerstädtischen Park aus dem 17. Jahrhundert, dem
Parque del Buen Retiro – „Park der guten Erholung“ – kurz Retiro. Das w…
„den Verkehr mindern“ und somit „die Luftverschmutzung verringern“; es
mache die Innenstadt „nachhaltiger“.
Anwohner, Umweltschützer und Opposition sehen das ganz anders. „Ein
Parkhaus zieht zusätzlichen Verkehr an“, ist sich Felix Sánchez, Sprecher
des Anwohnervereins, sicher. „Die Luftbelastung ist hier so hoch wie sonst
nirgendwo in der Innenstadt. Sie liegt deutlich über den europäischen
Grenzwerten“, beschwert sich der 51-Jährige. Die Grenzwertüberschreitung
rief schon den Unmut der EU-Kommission in Brüssel hervor. Doch Drohungen
millionenschwerer Bußgelder dürften Almeida wenig stören. Denn diese zahlen
nicht die Gemeinden, sondern die spanische Regierung.
In dem betroffenen Gebiet in Madrid liegen drei Krankenhäuser, darunter die
größte Kinderklinik Spaniens. Sánchez macht sich auch Sorgen um den 118
Hektar großen Park. „Ein Parkhaus stellt eine riesige unterirdische
Staumauer dar. Der Grundwasserzufluss wird unterbrochen, die Jahrhunderte
alten Bäume könnten Schaden nehmen“, fürchtet der Biologe. Fünf Karrees
lang soll das Parkhaus werden.
## Ein neuer Plan für die Umweltzone
Rita Maestre ist Sprecherin von Más Madrid, der Partei, die im vergangenen
Jahr zwar erneut die Wahlen gewann, aber nicht genug Stadträte erzielte, um
das Rechtsbündnis verhindern zu können. Sie wirft Almeida vor, „die
Anwohner hinters Licht führen“ zu wollen. So spreche der Bürgermeister
immer wieder von einer hohen Nachfrage nach Anwohnerstellplätzen.
Tatsächlich stehen gerade einmal 156 Pkw-Besitzer auf einer Warteliste.
„Über 800 Parkplätze bleiben für den Durchgangsverkehr“, rechnet Maestre
vor.
Der Verkehr nimmt vor allem am Wochenende zu. Nicht nur die Parkbesucher
kommen im eigenen Auto. Im Gebiet entlang des Retiros machen immer mehr
gehobene Tapas-Bars und Restaurants auf. Maestre fürchtet außerdem um eines
der Lieblingsprojekte der einstigen linksalternativen Stadtregierung, der
sie als rechte Hand der Bürgermeisterin Manuela Carmena angehörte. Der
Retiro und die nahe Museumsstraße Paseo del Prado sollen zum
Unesco-Kulturerbe werden. Das Parkhaus könnte jetzt „diese Kandidatur
endgültig zunichte machen“, beschwert sich Maestre.
Für Paco Segura, Sprecher der Umweltschutzorganisationen Ecologistas en
Acción, ist das Parkhaus ein Beweis mehr, dass Almeida alles nur mögliche
tut, um „zusätzliche Anreize für die Nutzung des Autos zu schaffen“. Kaum
im Amt, wollte er das von den Linksalternativen erlassene weitgehende
Fahrverbot in die Innenstadt aussetzen. Ecologistas en Acción erzielte eine
einstweilige Verfügung dagegen.
## Fahrzeuge ohne Umweltplakette dürfen in Innenstadt
Jetzt hat Almeida einen neuen Plan. „Madrid Central“, wie die bisherige
Umweltzone heißt, soll „Madrid 360“ weichen. Fahrzeuge ohne Umweltplakette
dürfen dann wieder in die Innenstadt, wenn sie mit zwei oder mehr
Passagieren unterwegs sind. Umweltauflagen für Lkws und Lieferwagen werden
zurückgenommen. „Sobald die neue Normen vom Stadtrat angenommen werden,
ziehen wir erneut vor Gericht“, sagt Segura.
[2][Almeida schwimmt gegen den Strom der Zeit]. Die spanische
Umweltministerin Teresa Ribera hat noch für dieses Frühjahr ein neues
Umweltgesetz angekündigt. Darin sollen alle Gemeinden mit mehr als 50.000
Einwohnern verpflichtet werden, eine Umweltzone einzurichten. Vorbild ist
ebenjenes „Madrid Central“, das Almeida abschaffen möchte.
Da sich Protest gegen sein Parkhaus rührt, hat Almeida mittlerweile neue
Maßnahmen nachgeschoben, die die „Nachhaltigkeit“ seines Projekts unter
Beweis stellen soll. So sollen über der Erde zwei Busspuren sowie ein
Fahrradweg entstehen. Im Parkhaus selbst will er Ladestationen für E-Autos
installieren.
Und um zu zeigen, dass die Anwohner ein Parkhaus brauchen, schickt er ein
Umfrageteam von Tür zu Tür. Sie sollen mögliche Kunden suchen, die sich mit
Namen und Adresse in eine Warteliste eintragen. Was dabei herauskommt, ist
unklar. Nur so viel steht fest: Eine Onlinepetition gegen das
„Makro-Parkhaus Retiro“ wurde mittlerweile von über 45.000 Anwohnern
unterzeichnet.
25 Feb 2020
## LINKS
[1] /Konservativer-oeffnet-Umweltzone/!5630731&s=Wandler/
[2] /Kampf-um-autoarme-Innenstadt/!5610467&s=Ecologistas+en+Acci%C3%B3n/
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Madrid
Spanien
Verkehr
Stickoxide
Schwerpunkt Klimawandel
Spanien
Verkehrswende
Energie
Spanien
Autoverkehr
## ARTIKEL ZUM THEMA
Stickoxid in Europas Metropolen: Madrids Luft ist am tödlichsten
In keinem europäischen Ballungsraum sterben mehr Menschen wegen Stickoxiden
als in der spanischen Hauptstadt. Das zeigt eine neue Studie.
Verkehrspolitik in Spaniens Hauptstadt: Madrider Umweltzone gekippt
Die Maßnahme verbesserte die Luft in Spaniens Hauptstadt spürbar – doch nun
kassierte sie ein Gericht. Für den Bürgermeister ist das ein Problem.
Abwrackprämie in Spanien: Milliarden für Diesel- und Benziner
Spaniens Autoindustrie bekommt, was die deutschen Autobauer gern hätten:
Prämien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Kampf für neue Verkehrspolitik: Zu viel Autofahrer-Perspektive
Ein Hamburger Vater bittet die Polizei, gefährliche Situationen auf dem
Schulweg zu entschärfen. Weil nichts passiert, wendet er sich an die
Politik.
Weihnachtsbeleuchtung in Madrid: Viva la Christbaumkugel
Der rechte Bürgermeister Madrids zankt sich mit der Stadt Vigo um die
geilste Festbeleuchtung. Und fährt eine sieben Tonnen schwere Kugel auf.
UN-Klimakonferenz in Madrid: Klimagipfel unter spanischer Sonne
Dürre, knappe Wasserressourcen, Wüstenbildung: In Spanien sind die
Auswirkungen des Klimawandels bereits heute deutlich spürbar.
Konservativer öffnet Umweltzone: Madrid kehrt zurück zum Autowahn
Der neue konservative Bürgermeister macht der autofreien Umweltzone in der
spanischen Hauptstadt den Garaus. Umweltschützer sind empört.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.