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# taz.de -- Verkehrspolitik in Spaniens Hauptstadt: Madrider Umweltzone gekippt
> Die Maßnahme verbesserte die Luft in Spaniens Hauptstadt spürbar – doch
> nun kassierte sie ein Gericht. Für den Bürgermeister ist das ein Problem.
Bild: Juristisches Hickhack um den Verkehr: die viel befahrene Gran Via in Madr…
Madrid taz | Einen Schuss in den Fuß nennen die Spanier das, was Madrids
Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida passiert ist. Auf Deutsch: Der
Konservative hat sich mit seiner Umweltpolitik einen klassischen Schuss ins
Knie eingefangen. Almeida klagte 2018, damals noch als Oppositionschef,
gegen die Verkehrsberuhigung der Innenstadt durch seine linksalternative
Vorgängerin Manuela Carmena. [1][Nun lenkt er seit zwei Jahren dank eines
Bündnisses mit den rechtsliberalen Cuidadanos (Cs) und der Unterstützung
der rechtsextremen Vox die Geschicke der spanischen Hauptstadt.]
Am Dienstag fällte die höchste Instanz, der Oberste Gerichtshof Spaniens,
sein Urteil. [2][Madrid Central – so der Name der 472 Hektar großen
Umweltzone, in die nur Anwohner sowie Fahrzeuge von außerhalb ab
Euro-3-Technik bei Benziner und Euro-4 bei Dieselfahrzeugen einfahren
dürfen, wenn sie ins Parkhaus gehen, ist rechtswidrig.]
Das Urteil fiel nicht etwa wegen der Verkehrsbeschränkungen, sondern weil
die Ausgaben für Madrid Central nicht den strengen Sparauflagen durch das
damalige Finanzministerium genügen würden. Die Kosten für Madrid Central
beliefen sich auf 0,2 Prozent des städtischen Haushaltes. Außerdem hatte
Madrid zum damaligen Zeitpunkt einen Haushaltsüberschuss und zahlte die
Schulden, verursacht durch die frühere Rechtsregierung, ab. Gegen das
Urteil ist kein Widerspruch mehr möglich. Nach einer Frist von zwei Monaten
tritt es endgültig in Kraft.
Der Konservative Almeida hatte 2019 gegen Madrid Central Wahlkampf gemacht.
Seine Vorgängerin Carmena verpasste knapp die Mehrheit. Das nun regierende
Rechts-Rechts-Rechtsaußen-Bündnis hat seither drei Stadträte mehr als die
einstige Koalition von Carmenas Más Madrid (Mehr Madrid) und den
Sozialisten.
## Drohung aus Brüssel
In einem ersten Schritt ließ Almeida im Sommer 2019 die Kameras an den
Zufahrten zur Innenstadt abschalten. Damit konnten wieder alle Autos ohne
Beschränkung in die Innenstadt fahren. Die [3][Umweltorganisation
Ecologistas en Acción] erreichte allerdings eine einstweilige Verfügung
dagegen, Madrid Central war wieder in Kraft. Das hatte Auswirkungen auf die
Schadstoffe in der Luft. [4][Die Stickoxidbelastung ging tatsächlich um 20
Prozent zurück. Die Umweltzone in Madrid ist damit eine der erfolgreichsten
in Europa.]
Die Drohung aus Brüssel, Spanien mit einem millionenschweren Bußgeld zu
belegen, falls die Luftverschmutzung in den Städten nicht zurückgehe und
einem Gesetz der spanischen Regierung, nach dem ab 2023 alle Gemeinden über
50.000 Einwohner eine Umweltzone brauchen, ließen Almeida umdenken. Auch
sein Koalitionspartner Cs drängte auf eine Umweltzone. Die Stadtverwaltung
arbeitet nun seit Monaten an einer neuen Norm. Diese entspricht in etwa
Madrid Central, bis auf die drei kostenlosen Buslinien und ein paar
Erleichterungen für Besitzer von Geschäften und Kneipen in der Innenstadt.
Bewohner der Innenstadt und Umweltverbände befürchten jetzt eine enorme
Zunahme des Verkehrs. Denn während Bürgermeister Almeida erklärt, dass das
Einfahrverbot in die City weiterhin gelte und weiter Bußgeldbescheide
verschickt würden, bestehen Anwaltskanzleien, die von Widerspruchsverfahren
gegen Knöllchen leben, darauf, dass die seit 2019 ausgestellten 1,4
Millionen Bußgeldbescheide illegal seien. Sollte das Rathaus diese
tatsächlich zurückzahlen müssen, werden über 100 Millionen Euro fällig.
Almeida kündigte nach dem Urteil an, dass seine neue Norm im Juli in Kraft
treten werde. Seine rechtsliberale Stellvertreterin Begoña Villacís fordert
derweil die Bürger auf „so zu tun, als wäre Madrid Central weiterhin in
Kraft“.
12 May 2021
## LINKS
[1] /Verkehrspolitik-in-Madrid/!5664628
[2] https://elpais.com/espana/madrid/2021-05-12/madrid-central-queda-completame…
[3] https://www.ecologistasenaccion.org/
[4] https://www.lavanguardia.com/local/madrid/20190911/47302847653/estudio-madr…
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Madrid
Verkehr
Verkehrspolitik
Umweltzonen
Stickoxide
Umweltverschmutzung
Spanien
Madrid
Energie
Autoverkehr
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