# taz.de -- Sozialer Klimagipfel in Madrid: Gegen den CO2lonialismus | |
> Beim Gegengipfel zur UN-Klimakonferenz in Madrid kritisieren Indigene | |
> mangelnde Teilhabe. Sie fordern eine gleichberechtigte Vertretung. | |
Bild: Indigene protestieren vor der Zentrale des Erdölkonzerns Repsol während… | |
MADRID taz | Tom Goldtooth bringt auf den Punkt, was auf dem „Sozialen | |
Klimagipfel“ in Madrid viele denken. „Wir müssen die fossilen Brennstoffe | |
in der Erde lassen, wenn der Temperaturanstieg nicht weitergehen soll“, | |
erklärt der 66-jährige Vertreter des Dakota-Stammes aus Minnesota in den | |
USA. Goldtooth gehört zu einer Abordnung von indigenen Völkern, die | |
anlässlich der UN-[1][Klimakonferenz COP25] zu einem [2][Gegengipfel nach | |
Spanien] gekommen sind. Im Norden der Vereinigten Staaten protestierte er | |
gegen den Bau einer Pipeline durch das Reservat Standing Rock. | |
„CO2lonialismus“ nennt Goldtooth das, was ihn hierher gebracht hat. Neben | |
dem Pipelinebau meint er damit das [3][Fracking]. „1.700 Bohrlöcher gibt es | |
allein auf unserem Gebiet an der Grenze zu Kanada“, berichtet der Mann in | |
traditioneller Tracht und mit dünnen Zöpfen. Das kapitalistische | |
Wirtschaftssystem zerstöre den Planeten, sagt er. | |
Goldtooth’ Dakota-Stamm gehört zur Minga Indígena, einem Verbund von 45 | |
Nationen der Ureinwohner Nord- und Südamerikas. Die Minga ist eine von über | |
500 Organisationen von dies- und jenseits des Atlantiks, die den | |
Gegengipfel bestreiten. Hunderte von Klimaaktivisten und Interessierten | |
füllen seit Samstagnachmittag über 50 Hör- und Seminarsäle der Madrider | |
Universität Complutense. | |
Für Großveranstaltungen wurde ein Zelt auf einem Parkplatz errichtet. Über | |
350 Seminare und Vorträge werden bis kommenden Freitag, dem Ende der COP25, | |
stattfinden. Neben Themen wie Energieversorgung, Ernährung, Wohnen oder | |
Widerstandsaktionen gegen konkrete umweltschädliche Projekte überall auf | |
dieser Welt sind es immer wieder die Probleme der indigenen Völker, die | |
debattiert werden. | |
Das kommt nicht von ungefähr. Eigentlich sollte die COP25 und damit | |
natürlich auch der Gegengipfel in Santiago de Chile stattfinden. Es sollte | |
die Konferenz der Klimagerechtigkeit und des Südens werden. Doch die COP25 | |
wurde [4][im letzten Moment von der chilenischen Regierung abgesagt] und | |
nach Madrid verlegt. „Angesichts der brutalen Repression in Chile haben wir | |
uns genötigt gesehen, den Klagen gegen die soziale Ungerechtigkeit einen | |
Raum zu geben“, erklärt die Sprecherin des Sozialen Klimagipfels, Marta | |
García Pallarés. | |
## Wer entscheidet über Schürfrechte | |
Zwar hat die Minga ihr Treffen, das parallel zum Sozialen Klimagipfel | |
geplant war, in Santiago de Chile beibehalten, jedoch kamen gleichzeitig | |
namhafte Vertreter nach Spanien. „Wir werden nicht gehört“, beschwert sich | |
Calfin Lafkenche. Der 39-Jährige im dunkelblauen Poncho aus dem Süden | |
Chiles fordert, dass die indigenen Nationen gleichberechtigt bei UN-Treffen | |
vertreten sind. „Sie verhandeln über unsere Zukunft, ohne uns“, beschwert | |
sich der Mapuche. „Zwar haben wir vielerorts das Recht auf unser Land, aber | |
nur über den Boden, was darunter liegt, Minerale, Wasservorkommen oder | |
fossile Brennstoffe, gehören uns nicht. Die Regierungen vergeben | |
Schürfrechte, ohne uns anzuhören“, erklärt er. | |
Lafkenche macht nicht nur die CO2-intensive Wirtschaft als Feind der | |
traditionellen Lebensweise aus, sondern auch Überfischung, Abholzung und | |
selbst saubere Energieformen. So hat der größte Energieversorger | |
Lateinamerikas, das spanische Unternehmen Endesa, auf dem Mapuche-Gebiet | |
einen riesigen Stausee errichtet. „Heilige Gebiete und Friedhöfe versanken | |
im Wasser. Natürlich sind wir für saubere Energieformen, aber wir wollen | |
gehört werden“, sagt Lafkenche. „85 Prozent der in Chile erzeugten Energie | |
sind für die Großindustrie, während viele indigenen Siedlungen noch immer | |
nicht ans Stromnetz angeschlossen sind“, erklärt er und macht damit | |
deutlich, was er unter mangelnder Klimagerechtigkeit versteht. | |
Claudia Campero, 40, von No Fracking Mexico hat sich vorgenommen, die | |
vielfältigen Umweltproteste und sozialen Konflikte zusammenzuführen: „Egal | |
ob es um Fracking, Wasser, Land, Luft oder Gesundheit geht, die meisten | |
Probleme lassen sich auf die Klimafrage zurückführen.“ Ihre Organisation | |
hat einen „Community-Leitfaden zum Klimanotfall“ ausgearbeitet. „Wir woll… | |
den Diskurs der Bewegungen stärken, damit sie gemeinsam einen radikalen | |
Wandel des Wirtschaftsmodells einfordern“, sagt Campero. Mehr | |
Landwirtschaft, Diversifizierung der Ernährung, lokales Wirtschaften statt | |
transportintensivem Freihandel sind dabei nur einige Schwerpunkte. | |
9 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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