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# taz.de -- Klimaproteste in Madrid: Groß, größer, unglaubwürdig
> 500.000 Menschen haben letzte Woche angeblich fürs Klima demonstriert:
> Mit so unrealistischen Zahlen tut sich die Bewegung keinen Gefallen.
Bild: Groß war die Demonstration in Madrid ohne Frage. Aber wie groß?
Die Begeisterung kannte keine Grenzen. „500.000 Menschen auf den Straßen in
Madrid! „Großartig – der Protest lebt!“, [1][twitterte] der
BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. „So etwas habe ich noch nie gesehen“,
[2][jubelte] die deutsche Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer.
Auch Greenpeace und die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn verkündeten die
gewaltige Zahl von Menschen, die aus Anlass der Weltklimakonferenz vor
einer Woche in der spanischen Hauptstadt [3][demonstriert haben sollen].
Wäre sie korrekt, wäre es die größte Klimademonstration die Europa jemals
erlebt hat.
Doch daran gab es schnell Zweifel: Die Polizei gab die Zahl der
TeilnehmerInnen mit nur 15.000 an. Nun weiß jeder, der sich schon mal mit
Demo-Zahlen beschäftigt hat, dass VeranstalterInnen und Polizei oft
deutlich auseinander liegen und die Wahrheit meistens dazwischen liegt: Die
Polizei schätzt die Teilnehmerzahl nach meiner Erfahrung oft zu einem sehr
frühen Zeitpunkt, wenn sich noch gar nicht alle eingefunden haben. Die
VeranstalterInnen sind beim Schätzen dagegen eher etwas großzügiger, um die
eigene Aktion möglichst erfolgreich wirken zu lassen – das weiß ich nicht
nur aus meinen zahlreichen Demo-Beobachtungen als Journalist, sondern auch
aus der Zeit, als ich noch selbst an der Organisation von Demonstrationen
mitgewirkt habe.
Ein Faktor von 2 bis 3 zwischen den verschiedenen Angaben kommt darum
durchaus häufiger vor. Ein Faktor von 33 ist dagegen sehr ungewöhnlich –
und lässt schon die Frage aufkommen, wer da so gewaltig danebenliegt. Und
dabei sieht es leider dieses Mal für die Veranstalter nicht gut aus.
Die Frage, wie die Zahl der angeblichen 500.000 TeilnehmerInnen ermittelt
wurde, beantwortet niemand von denen, die sie genannt haben. Den einzigen
konkreten Hinweis liefert Nick Heubeck, einer der deutschen FFF-Sprecher,
mit der [4][Angabe], dass der Demozug zwei Stunden gebraucht habe, um unter
der Brücke hindurch zu ziehen, auf der er stand. Das zeigt jedoch gerade,
wie überhöht die Zahl ist: Selbst wenn über den gesamten Zeitraum pro
Minute 1.000 Menschen vorbeigezogen sein sollten – was eigentlich nur bei
sehr breiten und dichten Demoblöcken der Fall ist – wären das in zwei
Stunden nur 120.000 Menschen.
Interessant war dabei übrigens, wie die verschiedenen Akteure auf die
Zweifel an den Zahlen reagierten. Während FFF-Sprecher Heubeck erklärte,
wer von zehn- statt hunderttausenden TeilnehmerInnen spreche, „hat die
Bilder nicht gesehen oder will diskreditieren“, ruderte Greenpeace
zumindest ein bisschen zurück: „Es scheint, dass hier eventuell übertrieben
wurde“, erklärte der Umweltverband.
Mit einer Überschätzung der Teilnehmerzahl um mindestens den Faktor 5 sind
die KlimaaktivistInnen zwar durchaus in guter Gesellschaft – bei der
Silvesterfeier am Brandenburger Tor etwa übertreibt die Stadt Berlin die
Besucherzahl stets in der gleichen Größenordnung. Doch eine gute Idee sind
solche Phantasiezahlen trotzdem nicht.
Selbst wenn sie geglaubt werden und einmalig schöne Schlagzeilen bescheren,
schaden sie einer Bewegung langfristig – denn jede folgende Aktion, bei der
ehrlicher gezählt wird, wirkt dagegen dann plötzlich winzig. Und wenn, wie
in diesem Fall, selbst sympathisierenden Beobachtern klar ist, dass die
Angaben völlig unrealistisch sind, gefährdet das die Glaubwürdigkeit der
Beteiligten. Gerade eine Bewegung, die sich sonst stets auf
Wissenschaftlichkeit beruft, sollte auch bei ihren eigenen Zahlen genau
sein.
14 Dec 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/Olaf_Bandt/status/1203063078973313024
[2] https://twitter.com/Luisamneubauer/status/1203030248004210695
[3] /Proteste-beim-Weltklimagipfel-in-Madrid/!5648111
[4] https://twitter.com/NickHeubeck/status/1203655729338556417
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
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