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# taz.de -- Greta Thunberg beim UN-Klimagipfel: Aktivismus trifft Realpolitik
> Greta Thunberg kommt zur UN-Klimakonferenz nach Madrid. Doch sie will,
> dass andere Personen im Vordergrund stehen.
Bild: Aktivistin Greta Thunberg im Interview während des Klimagipfels in Madrid
MADRID taz | Vor dem Saal „Mocha“ in Halle 4 auf dem Messegelände von
Madrid wird gedrängelt und geschubst. Dutzende JournalistInnen wollen durch
eine kleine Tür, die von zwei kräftigen UN-Polizisten in blauer Uniform
abgeriegelt wird. „Only Media“, ruft der bullige Ordnungshüter immer
wieder. Neben dem Saal ist eine Sicherheitszone abgesperrt, drinnen
herrscht ein striktes Regime: Nur so viele Besucher wie Stühle, Stehen ist
verboten.
Dabei ist es eigentlich nur eine normale Pressekonferenz, wie sie hier rund
um die Uhr im Halbstundentakt stattfindet. Aber für die UNO, die Verhandler
auf der [1][Klimakonferenz] und für die Journalisten ist dieser
Montagmorgen viel mehr: Die UN fürchtet Chaos, weil Greta Thunberg
auftritt.
Die Realpolitiker der [2][Klimaverhandlungen] fühlen den Druck, den die
junge Aktivistin und ihre Fans von Fridays for Future mit ihren Forderungen
nach drastischen Reduktionsschritten aufbauen. Und die JournalistInnen
wittern eine Geschichte. Denn schließlich redet Thunberg.
Das heißt: Thunberg redet eigentlich nicht. Das wird sie erst am Mittwoch
tun, wenn alle vor dem Plenum die nächste [3][„Wie könnt ihr es
wagen!“-Standpauke] erwarten. Vor einem Jahr bei der Konferenz in Kattowitz
war sie noch das schwedische Mädchen, das mit dem E-Auto nach Polen
chauffiert wurde, um vor den Delegierten zu sprechen. Nach einem Jahr
voller Klimaproteste rund um den Globus, nach Auftritten beim Papst, dem
EU-Parlament und der UNO in New York und nach i[4][hrem Segeltörn über den
Atlantik] und zurück ist die 16-Jährige ein Klima-Superstar.
## Die Fans vor sich schützen
Das hat Folgen. Neben ihren eigenen Sicherheitsleuten hat die UN Thunberg
ein ganzes Team von Bodyguards an die Seite gestellt. „Sicherheitsstufe wie
bei Staatsoberhäupern“, heißt es. Die Angst sei weniger, dass jemand die
Teenagerin angreift, sondern vielmehr, dass ihre Fans sich gegenseitig
niedertrampeln. Diese Furcht ist nicht unbegründet: Als Thunberg mit dem
Zug in Madrid ankam, sorgte der Andrang für Chaos, bei der Demonstration am
Freitag konnte sie aus Sicherheitsgründen nicht richtig mitlaufen. Einen
Sit-in am Freitag auf der COP mussten die UN-Behörden abbrechen, weil sie
Verletzte befürchteten.
Great Thunberg lenkt von sich ab: „Die Klimakrise wird uns nicht nur in der
Zukunft treffen, sie betrifft schon jetzt unzählige Menschen, die leiden
und sterben.“ Dann übergibt sie an die deutsche
Fridays-for-Future-Aktivistin [5][Luisa Neubauer], die das Podium
moderiert. „Wir haben bemerkt, dass wir einige Medienaufmerkamkeit
bekommen“, sagt Thunberg, „deshalb ist es unsere moralische Pflicht, unsere
Stimmen denen zu leihen, die ihre Geschichte erzählen müssen.“
Es sind Geschichten der Opfer von Klimawandel und Unterdrückung: Carlon
Zackhras von den Marshallinseln beschreibt den Anstieg des Meeresspiegels,
der seine Heimat bedroht. Arshak Makichyuan aus Moskau erzählt, dass auch
Klimaproteste in Russland schnell mit Verhaftungen enden können.
Rose Whipple protestiert als Angehörige der indigenen Dakota in den USA
gegen die Öl- und Gas-Pipelines auf dem Land ihrer Ahnen und gegen „weiße
Vorherrschafft“. Nakabuye Hilda Flavia aus Uganda fragt: „Wie viel
Untericht müssen wir noch verpassen, bis die Welt aufwacht?“ Angela
Valenzuela aus Chile beschwert sich: „Die Länder diskutieren auf dieser
Konferenz über die falschen Themen. Sie reden über einen Kohlenstoffmarkt,
aber nicht darüber, wie wir aus den fossilen Energien aussteigen.“
## Zäh, diplomatisch und erfolglos
Das tun die Länder natürlich auch, aber so zäh, diplomatisch und erfolglos
wie seit Jahrzehnten. Deshalb prallen die radikalen Forderungen der jungen
Leute hier auf der COP direkt auf die traurige Tagespolitik. Die Diskrepanz
wird noch größer, weil der offizielle Titel der COP25 „Zeit zum Handeln“
heißt, davon aber alle weit entfernt sind.
Am Beginn der entscheidenden zweiten Konferenzwoche sieht es wieder einmal
so aus, dass das übliche Drohen, Feilschen und Beleidigtsein wohl erst am
Wochenende in einem Minimalkompromiss enden wird.
Viele Verhandler begrüßen die Aufmerksamkeit für das Thema. Aber Jochen
Flasbarth, deutscher Umweltstaatssekretär, mahnt auch: „Wenn die Aktivisten
erwarten, dass wir hier etwas entscheiden, das erst für nächstes Jahr
geplant ist, muss man sagen: Das geht nicht“.
Wenn das „für Frust sorgt, müssen sie ihre Erwartungshaltung überdenken“.
Er warnte vor „Frustschleifen, aus denen man nicht mehr rauskommt“. Mit
Frust bei Klimaverhandlungen kennt sich Flasbarth aus. Seit sechs Jahren
verhandelt er auf diesen Konferenzen.
9 Dec 2019
## LINKS
[1] /Klimakonferenz-in-Dubai/!t5018328
[2] /Sozialer-Klimagipfel-in-Madrid/!5644385
[3] /Greta-Thunbergs-How-dare-you/!5627066
[4] /Greta-Thunbergs-Atlantik-Ueberquerung/!5621788
[5] /Streitgespraech-Aktivistin-vs-Energieboss/!5626906
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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