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# taz.de -- Koloniale Strukturen in der Bewegung: Wir müssen keine Stimme „l…
> Wenn die Klimabewegung Menschen aus dem Globalen Süden in den Fokus
> nimmt, ist das oft gut gemeint. Es spiegelt aber womöglich koloniales
> Wohlwollen.
Bild: Fridays for Future 2019 auf der Klimakonferenz in Madrid: „Jetzt rede i…
Geht es um Klimagerechtigkeit, wird häufig hervorgehoben, dass der Globale
Süden mehr unter den Folgen der Klimakrise leide als der Globale Norden. Es
ist wichtig und notwendig, dieses Ungleichgewicht zu betonen, um der
Klimakrise angemessen und gerecht zu begegnen.
Dennoch verfängt sich eine solche Darstellung des Globalen Südens oft in
dem historisch gewachsenen Stereotyp der passiven und hilflosen „Dritten
Welt“. Neben den Ländern bekommen auch die Menschen dieser Regionen eine
passive Rolle ohne Handlungsmacht zugeschrieben, aus der sie sich nur mit
Hilfe von außen befreien können. Und wer käme dafür besser in Frage als
weiße Retter*innen aus dem Globalen Norden.
Ein leichter Weg sich als weiße*r Retter*in darzustellen, ist das
vermeintliche „Geben einer Stimme“. Es wird angenommen, Menschen des
Globalen Südens hätten ihre Geschichten noch nicht erzählt. Deshalb sei es
ein ehrenhafter Schritt auf Veranstaltungen, bei Interviews oder an anderen
öffentlichen Orten nicht selbst zu sprechen, sondern die Stimme an Menschen
des Globalen Südens zu „verleihen“.
So leitete auch Greta Thunberg letztes Jahr auf der COP 25, der
[1][Weltklimakonferenz 2019], die Pressekonferenz von Fridays for Future
mit folgenden Worten ein: „Luisa und ich wollen unsere Plattform nutzen, um
unsere Stimmen an diejenigen zu verleihen, die ihre Geschichten (noch)
erzählen müssen.“ Die Intention war sicherlich gut. Sie wollten ihre
Reichweite nutzen, um sechs Aktivist*innen aus dem Globalen Süden Gehör zu
verschaffen.
## Verrutschter Fokus
Dass dieses Konzept jedoch nicht aufgegangen ist, macht das Medienecho am
besten deutlich: Die Süddeutsche Zeitung titelte „Hartes Ringen bei
UN-Klimagipfel – Thunberg nutzt Medienhype“ und in den Artikeln der SZ,
Zeit und Welt wurde Greta mit ihrer kurzen Einleitung mehr zitiert, als die
darauffolgenden Reden der sechs Aktivist*innen aus dem globalen Süden. Der
Fokus der Berichte verrutschte – und so handelten sie mehr von der
Gutmütigkeit Gretas als von den Erfahrungen und Geschichten der
Aktivist*innen. Gretas koloniales Wohlwollen bringt somit letztendlich die
Menschen zum Schweigen, denen sie eigentlich eine Stimme geben möchte.
Die ewige Geschichte des „Stimmen-Verleihens“ hebt besonders eins hervor:
Macht. Man leiht etwas immer nur für eine gewisse Zeit. Die Kontrolle
darüber, was wie gesagt und wann es zu viel wird, liegt immer bei der
Person, die ihre Stimme verleiht. Bei der Pressekonferenz hat Greta die
Kontrolle und gibt den Aktivist*innen einen inhaltlichen Rahmen vor, in dem
sie ihre Geschichte zu erzählen haben. So bleibt die Kontrolle bei einer
Aktivistin des Globalen Nordens.
## Wer hat die Deutungshoheit?
Diese unsichtbare Macht wird auch durch Luisas Moderation deutlich. Die
Aussagen der sechs Aktivist*innen können nicht für sich selbst stehen,
sondern werden durch Sätze wie „Das ist so wichtig zu hören“ Oder „Bitte
denkt über ihre Worte nach“ bewertet. Damit beansprucht Luisa eine
Deutungshoheit. Es entsteht das Gefühl, die Worte der sechs Aktivist*innen
würden erst in dem Moment an Bedeutung gewinnen, in dem Luisa sie auch als
wichtig bewertet.
Aber es braucht keine Absegnung weißer Aktivist*innen, um zu betonen, dass
die Anliegen von Menschen des Globalen Südens wichtig sind! Genauso wenig
nützt es, marginalisierten Gruppen eine Stimme geben zu wollen. Sie haben
schon eine Stimme, sie reden seit Jahrzehnten – es geht darum, zuzuhören
und Strukturen wirklich zu verändern. Eine klimagerechte Welt und ein gutes
Leben für Alle erreichen wir nur, wenn wir dekolonial kämpfen. In diesem
Sinne endete auch Rose Whipples Rede auf der Pressekonferenz mit: „Destroy
White Supremacy!“
25 Sep 2020
## LINKS
[1] /Greta-Thunberg-beim-UN-Klimagipfel/!5645085
## AUTOREN
Shayli Kartal
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit
Schwerpunkt Klimawandel
wochentaz
Kommunikation
Pariser Abkommen
Datteln
Klimakonferenz COP23
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