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# taz.de -- UN-Klimakonferenz in Madrid: Druck von draußen
> Die UN-Klimakonferenz startet in die heiße Phase. Druck machen alle, die
> nicht direkt ins Gefeilsche um offizielle Erklärungen verstrickt sind.
Bild: Sie will, dass die Daten zur Klimakrise im Vordergrund stehen und nicht s…
Madrid taz | „Eigentlich sollte das hier eine technische COP werden“,
seufzt am Mittwoch morgen leicht genervt ein hochrangiger Verhandler bei
der [1][25. UN-Klimakonferenz] (COP). „Jetzt wird das mit immer mehr
politischen Erwartungen aufgeladen.“ Am 9. Tag des Treffens in Madrid
beginnen die ernsthaften politischen Verhandlungen. Die sollten sich vor
allem um Regeln für den weltweiten Handel mit Emissionen drehen. Jetzt geht
es aber immer mehr um das weltweite Nichthandeln.
Die chilenische Umweltministerin und COP-Präsidentin Carolina Schmidt hat
die Parole ausgegeben, es müsse „mehr Ehrgeiz“ in die Verhandlungen kommen.
Aufs Tempo drücken alle, die nicht direkt ins COP-Gefeilsche verstrickt
sind: Umweltgruppen, die Jugend, die UNO, Unternehmen, die Wissenschaft.
Ihre Angst: Draußen gerät der Klimawandel außer Kontrolle – und hier
drinnen wird endlos um Kommas und Prozente gestritten.
Das äußert sich am Mittwochmorgen auf einer gut gefüllten
All-Star-Veranstaltung der Klimaschützer, kurz bevor die versammelten
Ministerinnen und Minister ihre vorbereiteten Reden verlesen. Johan
Rockström, Chef des Potsdam-Instituts PIK, liefert eine drastische
Momentaufnahme des bedrohten Erdsystems: „Wir beginnen das entscheidende
Jahrzehnt, in dem wir die Emissionen halbieren müssen. 9 von 15 möglichen
Kipppunkten im Erdsystem sind in Bewegung.“
Jennifer Morgan, Chefin von Greenpeace, erhöht den Druck. Nach 25
Klimakonferenzen habe sie „genug von Delegationen, die nur sagen, was sie
nicht tun können“. Das Herz des Pariser Abkommens „schlägt noch, aber nur
langsam“, ruft sie. „Wo sind die Anführer, die Champions, die Erwachsenen?…
## Ganzheitliche Lösungen finden
Das ist das Stichwort für [2][Greta Thunberg]. Die 16-jährige Aktivistin
hält keine Wutrede, wie im September vor den UN-Staatschefs. Sie ruft dazu
auf, sich auf die Daten zu konzentrieren, nicht auf ihre Person. „Wie könnt
ihr auf diese Fakten nicht mit Panik und Wut reagieren, wenn nichts getan
wird?“, fragt die junge Schwedin. „Wie soll man das kommunizieren, ohne
alarmistisch zu klingen? Das wüsste ich wirklich gern.“
Thunberg wird von den Delegierten immer wieder mit Applaus unterbrochen. Es
solle doch bei der COP darum gehen, „ganzheitliche Lösungen zu finden, aber
den Ländern geht es nur darum, Schlupflöcher zu finden“, meint sie. Die
wirkliche Gefahr, so Thunberg, „liegt nicht im Handeln, sondern darin, dass
Politiker und Unternehmenschefs so tun, als würde etwas passieren, aber
außer cleverer Buchhaltung und Werbesprüchen nichts geschieht.“
## Konzerne wollen klimaneutral werden
Die Präsidentschaft hat sich Hilfe besorgt, um ein mageres Ergebnis zu
verhindern: UN-Generalsekretär Antonio Guterres redet den Verhandlern ins
Gewissen reden: Wieder einmal mahnt er, weltweit aus der Kohle
auszusteigen, die Ärmsten der Armen zu schützen und schnell die nationalen
Klimapläne zu erhöhen. „2020 müssen wir liefern, was die Wissenschaft als
Muss festgeschrieben hat, oder wir und alle folgenden Generationen werden
einen unerträglichen Preis zahlen“, sagte der UN-Generalsekretär.
## DemonstrantInnen von UN-Polizei abgedrängt
Während Guterres redet, machen vor dem Saal einige hundert AktivistInnen
aus Umweltgruppen, indigenen Organisationen und JugendvertreterInnen Lärm:
sie schlagen auf Töpfe und fordern in einer nicht genehmigten Demonstration
Klimagerechtigkeit und schnelle Schritte beim Klimaschutz. Die
Sicherheitskräfte von UN und Veranstalter drängen die Demonstrierenden aus
den Messehallen ins Freie und verweisen sie des Geländes.
Auf Twitter machen Filme und Proteste die Runde, die schreiende und
singende Menschen zeigen. Draußen ist es kalt, als die Menschen ohne Jacken
eingekesselt werden. Vorerst dürfen sie nicht zurück aufs Messegelände. Der
Klimaexperte der Linken-Fraktion Lorenz Gösta Beutin, der vor Ort war,
spricht von einer „nie dagewesenen Einschüchterung der Zivilgesellschaft“.
Das Happening hat ernste Konsequenzen: Von etwa 320 AktivistInnen kassiert
die UNO nach Angaben von Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ die
Akkreditierung. Eine offizielle Aussage und Entscheidung über den Status
der als „Beobachter“ angemeldeten AktivistInnen gab es bis
Redaktionsschluss nicht. Möglicherweise bleiben sie von dieser und weiteren
Klimakonferenzen ausgeschlossen. Die UNO verteidigt ihre drastischen
Maßnahmen mit ihren Regeln, die die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf
der Konferenzen sicherstellen sollen.
„Das wäre unbegreiflich, wenn man die Stimmen ausschließt, die zurecht mehr
Ambitionen einfordern, und das Spielfeld der fossilen Industrie überlässt“,
sagte Martin Kaiser von Greenpeace der dpa.
Schon am Vortag hatte es Spannungen zwischen dem Klimanetzwerk „Climate
Action Network“ und der UNO gegeben. Angeblich aus Sicherheitsgründen
wollte das UN-Klimasekretariat die allabendliche Verleihung des „Fossil des
Tages“ untersagen: Mit dem Spott-Preis zeichnen Umweltgruppen jeden Tag
einen der Bremser im Klimaprozess aus. Nach der Drohung, dem UN-Sekretariat
selbst diesen Preis zu verleihen, erlaubte die UNO schließlich doch die
Veranstaltung. „Ausgezeichnet“ wurde Australien.
Der Druck auf die Konferenz, zu einem Ergebnis zu kommen, stammt aber auch
aus der Wirtschaft. Gleichzeitig mit dem Appell von Guterres verkündeten
177 Konzerne wie Beiersdorf, Henkel und Iberia mit einem Marktwert von 2,5
Billionen Euro und CO2-Emissionen wie Frankreich, sie wollten bis 2050
klimaneutral sein. Schließlich soll der „Europäische Green Deal“ in Brüs…
Rückenwind für Madrid bringen.
Der ist auch dringend nötig. Am Dienstagabend versammelten die
Marshallinseln die „[3][High Ambition Coalition]“, eine Gruppe
fortschrittlicher Länder, die in Paris auf den letzten Metern das
Klimaabkommen durchgeboxt haben. Die diesjährige Koalition aber ist
schwach, dabei sind Costa Rica, Bhutan, Grenada und Norwegen. Spanien,
Schweden und Deutschland unterstützen sie, können aber keine höheren Ziele
versprechen, weil sie auf den neuen EU-Klimaplan im Sommer 2020 warten.
2015 in Paris gehörten Schwergewichte wie die USA, die EU, Mexiko und
Kanada zur Allianz. Die sind heute ruhig – oder bremsen.
11 Dec 2019
## LINKS
[1] /Kaum-Fortschritte-bei-der-Klimakonferenz/!5645138
[2] /Greta-Thunberg-beim-UN-Klimagipfel/!5645085
[3] /Kommentar-UN-Klimakonferenz-COP24/!5556548
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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