| # taz.de -- Klimaforscherin über Zertifikatehandel: „Der Emissionshandel ist… | |
| > Emissionszertifikate seien zu billig, weil die EU zu viele ausgebe, sagt | |
| > Antonella Battaglini. Ihr Verein Compensators kauft sie auf. | |
| Bild: Das Kohlekraftwerk Jänschwalde zählt zu den fünf größten CO2-Sünder… | |
| taz: Frau Battaglini, die EU-Minister verhandeln heute über die | |
| Emissionsvorgaben der Industrie. Es geht um Milliarden Tonnen CO2. Wieso | |
| sollte ich in diesen Handel einsteigen? | |
| Antonella Battaglini: Es ist immer leicht, seine Verantwortung zu | |
| delegieren. Aber wenn ich ein Flugzeug nutze und mir der Klimawandel nicht | |
| egal ist, dann will ich diese CO2-Verschmutzung persönlich kompensieren. | |
| Der Emissionshandel ist dafür der wesentliche Mechanismus. Wir vom | |
| Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung wollten jedem Bürger ermöglichen, | |
| an diesem Mechanismus teilzuhaben. Privatpersonen sollten für ihre eigenen | |
| Emissionen Zertifikate, sogenannte Allowances, kaufen und der Industrie | |
| entziehen können. | |
| Es gibt bereits viele Angebote, den eigenen Fußabdruck über Öko-Projekte in | |
| Entwicklungsländern zu kompensieren. Was macht „Compensators“ anders? | |
| Compensators ist neben der britischen Partnerorganisation Sandbag der | |
| einzige Verein, der Emissionen über den Aufkauf und das Löschen von | |
| Allowances abbaut. Andere NGOs nutzen den Clean Development Mechanism | |
| (CDM). Sie gleichen das in Europa produzierte CO2 durch nachhaltige | |
| Projekte in Entwicklungsländern aus. Für unsere Industrie stellt das eine | |
| Hintertür dar, weitere Emissionsrechte einzuschleusen. Je mehr Zertifikate | |
| durch solche Projekte generiert werden, desto niedriger fällt ihr Preis aus | |
| – ein Fehler im EU-Emissionshandel. | |
| Aber ist es nicht sinnvoll, kenianischen Bauern eine Minibiogasanlage bauen | |
| zu helfen? | |
| Doch natürlich, aber das darf nicht negativ auf die europäische | |
| Emissionsbilanz zurückschlagen. Einige NGOs bieten den Goldstandard, sie | |
| verkaufen ihre erworbenen Zertifikate nicht weiter. Für andere ist das | |
| Kompensationsgeschäft allerdings ein big business. Ihre CDM-Projekte sind | |
| häufig fragwürdig und unterliegen keiner Kontrolle. Unter Kritikern | |
| kursiert der CDM als „China Development Mechanism“, weil viele | |
| Spendengelder in dem finanzstarken Land investiert werden. | |
| Das Europäische Parlament sieht vor, 800 von 2.000 Millionen überschüssigen | |
| Zertifikaten aus dem Markt zu nehmen. Ein Quantensprung? | |
| Der Preis pro Zertifikat, also pro Tonne CO2, ist seit Jahren deutlich zu | |
| niedrig. Um die Karbonisierung aufzuhalten, müsste er mindestens bei 30 | |
| Euro liegen, nicht wie heute bei 5. Der Vorschlag des Europäischen | |
| Parlaments verknappt gerade mal den Überschuss. Auch das Banking wird nicht | |
| abgeschafft. Es erlaubt Unternehmen, ihre überschüssigen Zertifikate in die | |
| nächste Handelsperiode zu übernehmen – sie sollten automatisch gelöscht | |
| werden, sonst gibt es eine CO2-Inflation aus der Vergangenheit. Außerdem | |
| gehören alle Hintertüren aus dem Emissionshandel geschlossen. Die deutsche | |
| Konsumgüterindustrie zum Beispiel ist sehr CO2-lastig und dürfte nicht von | |
| den Klimakosten ausgenommen werden. | |
| Können wir Privatleute die Versäumnisse der Politik kompensieren, indem wir | |
| den Emissionsmarkt aufkaufen? | |
| Unsere Spender sind meist junge Studenten, die 5 Euro im Monat aufbringen. | |
| Bald werden wir über 17.000 Tonnen CO2 aufgekauft haben. Das ist wenig, | |
| verglichen mit den Milliarden an Tonnen, die in der EU gehandelt werden. | |
| Wenn aber morgen eine Millionen Menschen jeweils ein Zertifikat kauften, | |
| wäre der Preisanstieg eine Botschaft an die Politiker, ihrerseits zu | |
| handeln, und an die Unternehmen, dass sie nicht ewig auf billige | |
| Verschmutzung setzen können. Momentan fehlt dem Emissionsmarkt dazu noch | |
| die Dynamik – er ist erlahmt! | |
| Ist privater Emissionshandel nicht auch Ablasshandel? Statt aufs Fliegen zu | |
| verzichten, kaufe ich eine gute Öko-Bilanz. | |
| Unsere Kunden wollen nicht wie im Mittelalter reisen, sind sich ihrer | |
| Verantwortung aber bewusst. Darum geht es beim Kompensieren: auch die | |
| private CO2-Bilanz mit einzurechnen und zugleich den öffentlichen Druck zu | |
| erhöhen, unsere Wirtschaft emissionsärmer zu gestalten. | |
| 28 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Patrick Jütte | |
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