# taz.de -- Schlechte Luft in Norddeutschland: Städten droht der Smog | |
> Die EU verdonnert Deutschland zu drastischen Maßnahmen wegen schlechter | |
> Atemluft. Betroffen sind auch Hamburg, Hannover und Kiel. | |
Bild: Einfache Gleichung: Viele Autos = Smog. | |
HAMBURG taz | Es ist die allerletzte Warnung wegen erwiesener Untätigkeit. | |
Die EU-Kommission hat Deutschland in einem „letzten Mahnschreiben“ wegen | |
der „wiederholten Überschreitung von Grenzwerten für die Luftverschmutzung | |
durch Stickstoffdioxid“ ultimativ zu Gegenmaßnahmen aufgefordert, wie die | |
EU in Brüssel bekanntgab. Deutschland müsse rasch die Emissionen senken. | |
Dies sei unter anderem durch die Verringerung des Autoverkehrs, der | |
Verwendung anderer Brennstoffe sowie dem Übergang zu Elektrofahrzeugen | |
möglich, weist die EU den Weg. | |
Und das gilt in besonderem Maße für Norddeutschland. Denn hier liegen sechs | |
der 20 deutschen Städte mit besonders schmutziger Atemluft: In Bremen, | |
Hamburg, Hannover, Osnabrück, Kiel und Wolfsburg werden die Grenzwerte für | |
Feinstaub, Kohlendioxid (CO2) und Stickstoffdioxid (NO2) seit Jahren an | |
mehreren Messstationen regelmäßig überschritten. | |
Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt weist am sechs- bis achtspurigen | |
Theodor-Heuss-Ring sogar den sechsthöchsten NO2-Wert der Republik auf – | |
frischen Brisen von der Ostsee zum Trotz. In Niedersachsen werden an den | |
Hauptverkehrsstraßen der meisten Städte die Grenzwerte zumindest zeitweise | |
überschritten. | |
Jetzt aber werden die betroffenen Städte aktiv werden müssen. Wenn die | |
abgemahnten Mitgliedsländer – die EU kann sich nur an die Regierungen der | |
Staaten wenden, nicht an einzelne Kommunen – nicht binnen zwei Monaten der | |
Kommission geeignete Maßnahmen präsentieren, will diese Klage vor dem | |
Europäischen Gerichtshof erheben. In letzter Konsequenz drohen Zwangsgelder | |
in Millionenhöhe für jeden Tag der Untätigkeit, welche der Bund bei den | |
betroffenen Städten wieder eintreiben würde. | |
In Kiel wird zurzeit bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans | |
untersucht, wie stark der Verkehr abnehmen müsse, um die seit 2010 | |
geltenden Grenzwerte einzuhalten. 40 Prozent der | |
Stickstoffdioxid-Emissionen stammen aus dem Verkehr, davon etwa 80 Prozent | |
von Dieselfahrzeugen. Von Zwangsmaßnahmen gegen Autos ist aber nicht die | |
Rede, auch nicht in Hannover. Dort ist die Belastung trotz Umweltzone und | |
vielen Tempo-30-Zonen hoch. | |
Auch dort wird aktuell der Luftreinhalteplan aktualisiert, mit weiteren | |
Beschränkungen oder gar Fahrverboten für den Autoverkehr „ist allerdings | |
kurzfristig nicht zu rechnen“, wird auf Hannovers Homepage verkündet. | |
Auch in Hamburg nicht, dabei ist die Stadt an der Elbe bereits | |
rechtskräftig verurteilt worden, endlich für saubere Luft zu sorgen. Bis | |
zum 30. Juni muss der Senat einen neuen Luftreinhalteplan mit | |
einschneidenden Beschränkungen des Schadstoffausstoßes vorlegen. Ansonsten | |
wird ein Zwangsgeld fällig, urteilte im Juli vorigen Jahres das | |
Verwaltungsgericht Hamburg. | |
Die zunächst verhängte symbolische Summe von 5.000 Euro kann drastisch | |
erhöht werden, wenn die Stadt weiterhin untätig bleibt. In erster Linie | |
bedeutet die Verhängung von Zwangsgeld massiven politischen Druck, für | |
saubere Luft zum Atmen zu sorgen. | |
Auf Klage der Umweltorganisation BUND hatte das Gericht befunden, Hamburg | |
müsse einen Luftreinhalteplan mit „den erforderlichen Maßnahmen zur | |
schnellstmöglichen Einhaltung“ der Luftgrenzwerte aufstellen. Dies habe die | |
Stadt jahrelang versäumt, so das Gericht. Seit 2010 verstößt Hamburg | |
dauerhaft gegen die entsprechenden EU-Grenzwerte. Nach Berechnungen des | |
BUND sind mehr als 200.000 EinwohnerInnen davon betroffen. | |
In Kürze werde der neue Luftreinhalteplan präsentiert, erklärte am | |
Donnerstag auf taz-Anfrage Jan Dube, Sprecher der Umweltbehörde, der vom | |
Gericht gesetzte Termin 30. Juni werde eingehalten. Ob und welche | |
drakonischen Maßnahmen der Plan enthalte, wollte er indes nicht verraten: | |
„Aber wir haben vieles geprüft“, versicherte er. Ob zur Zufriedenheit von | |
BUND, Verwaltungsgericht und EU-Kommission, ist derzeit noch offen. | |
16 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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