# taz.de -- EU-Verfahren gegen Deutschland: Kampf der Gerichte | |
> Die Entscheidung der EU-Kommission ist ein Warnsignal auch an Polen und | |
> Ungarn. Niemand soll sich der europäischen Ordnung widersetzen. | |
Bild: Das Gebäude des Europäischen Gerichtshofs in Kirchberg, Luxemburg | |
Der Schritt ist alltäglich und zugleich spektakulär. Zwar leitet die | |
EU-Kommission als Hüterin der EU-Verträge ständig | |
Vertragsverletzungsverfahren gegen die EU-Mitgliedstaaten ein, auch gegen | |
Deutschland. Meist aber geht es um nationale Parlamente, die bei der | |
Umsetzung von EU-Recht zu langsam oder zu eigensinnig waren. | |
Ungewöhnlich ist es dagegen, wenn die EU-Kommission gegen ein | |
Gerichtsurteil vorgeht – insbesondere wenn es sich um eine Entscheidung des | |
besonders renommierten deutschen Verfassungsgerichts handelt. Es ist aber | |
nachvollziehbar, dass die EU-Kommission diesen Schritt geht. Das | |
[1][Bundesverfassungsgericht hat im Mai 2020 die Anleihekäufe der | |
Europäischen Zentralbank (EZB) gerügt] und dabei ein Urteil des | |
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für unbeachtlich erklärt. | |
Damit stellte sich das Karlsruher Gericht außerhalb der europäischen | |
Ordnung. Es bestand und besteht die Gefahr, dass ausgerechnet die | |
Edelrichter aus Karlsruhe zum Vorbild für die wahren Outlaws in [2][Ungarn] | |
und [3][Polen] werden. Die Entscheidung der Kommission, nun gegen Karlsruhe | |
vorzugehen, ist zugleich eine Geste der Entschlossenheit Richtung Warschau | |
und Budapest. Allerdings kann bei diesem Verfahren nichts Vernünftiges | |
herauskommen. | |
Das Bundesverfassungsgericht wird nie seinen Anspruch aufgeben, in extremen | |
und offensichtlichen Fällen auch Akte der EU-Institutionen für rechtswidrig | |
zu erklären. Deshalb müsste die EU-Kommission irgendwann Deutschland beim | |
EuGH verklagen. Und der EuGH müsste dann – in eigener Sache – entscheiden, | |
ob es richtig ist, EuGH-Urteile als unbeachtlich abzukanzeln. Da würde es | |
keine Überraschungen und keinen Frieden geben. | |
Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht im Streit um die | |
EZB-Anleiheankäufe nicht weiter eskaliert und die von der EZB | |
nachgeschobene Pro-forma-Verhältnismäßigkeitsprüfung gutwillig akzeptiert. | |
Es spricht deshalb viel dafür, dass die EU-Kommission das nun eröffnete | |
Vertragsverletzungsverfahren irgendwann ohne Klage im Sande verläufen | |
lässt. | |
10 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Verfassungsgericht-urteilt-zu-EZB/!5682932 | |
[2] /Viktor-Orban/!t5010201 | |
[3] /Justizreform-in-Polen/!5763768 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Kommission | |
EuGH | |
Verfassungsgericht | |
EZB | |
EuGH | |
PiS | |
IG | |
EZB | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Bundesverfassungsgericht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
EuGH über den Vorrang von EU-Recht: In die Schranken verwiesen | |
In Rumänien dürfen Urteile des Verfassungsgerichts ignoriert werden. Das | |
soll „systematische Straflosigkeit“ bei Korruption verhindern. | |
Besuch von Steinmeier in Polen: Beziehung am toten Punkt | |
Der Bundespräsident wollte in Warschau retten, was noch zu retten war. Doch | |
für das wichtigste deutsch-polnische Streitthema hat er keine Lösung. | |
Orbáns neues Gesetz gegen LGBTQI: Verordnete Queer-Feindlichkeit | |
Trotz breitem Protest: Ungarn hat ein Gesetz verabschiedet, das die | |
Darstellung von Homo- und Transsexualität in Büchern und Filmen verbietet. | |
Karlsruhe zu EZB-Anleihe-Ankauf: Niederlage für Euro-Kritiker | |
Das Bundesverfassungsgericht lehnt den Antrag der Kläger Gauweiler und | |
Lucke ab – und beendet den langen Streit übers EZB-Anleihe-Ankaufprogramm. | |
Karlsruher Beschluss zum Klimaschutz: Freiheit statt Fossilismus! | |
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ist ein | |
Paukenschlag. Es ergreift Partei für künftige Generationen. | |
Bundesverfassungsgericht und EU: Politisch blind | |
Karlsruhe stoppt das Ja der Bundesregierung zu den 750 Milliarden Euro | |
Coronahilfe in Europa. Dabei sind die bitter nötig. |